Elbsandsteingebirge

Immer wenn ich im Ausland danach gefragt werde, was man sich in Deutschland besonderes anschauen sollte, nenne ich einen Ort, mit dem ich nicht nur familiär verbunden bin, sondern der, meiner Meinung nach, auch einfach einzigartig ist: das Elbsandsteingebirge, oder auch sächsische Schweiz genannt. Die beiden Namen verraten schon ziemlich viel. Einmal nämlich, wo dieser Ort liegt, nämlich mitten im schönen Sachsen, südlich von Dresden, mit Übergang in die Tschechei (da heißt es dann böhmische Schweiz) und durchflossen von der Elbe. Und woraus die Gesteinsformationen bestehen: nämlich Sandstein. Und dass auch noch in ganz schön hübscher Form. Denn das besondere am Elbsandsteingebirge sind die weit verstreut liegenden, zerklüfteten Felsreviere, die von flachen Tälern und Waldgebieten umgeben sind.

Und mitten hindurch fließt ganz majestätisch und doch bodenständig die Elbe, auf der mit Schaufelraddampfern und den vielen Seilfähren Wanderer, asiatische Touristen und Elbradweg-befahrer von einer Seite zur anderen gebracht werden.

Die Elbe schlängelt sich so kurvig durch die Landschaft, dass sie den Bestorientiertesten verwirren kann. Woran man sich aber immer orientieren kann sind die vielen „Steine“, denn jeder dieser Schwarz aufragenden Felsketten hat eine so markante und einmalige Formation, dass man die Lokomotive vom Mönch, den Winterstein vom Zirkelstein und vom Zschirnstein unterscheiden kann.

Und tatsächlich ist dass, was man auf einem Gipfel oder Hochebene angekommen, immer macht: im wahnsinnig tollen Weitblick zu erraten, auf welche Felsen man da blickt. Und ja, mich erfüllt es immer noch mit kindlichem Stolz, am Ende eines langes Wochenendes mit Stein-hopping auf dem Lilienstein zu stehen und ohne technische Hilfsmittel die entfernten Felsbrocken, die sich da vor uns befinden, auseinander halten und benennen zu können:

Direkt vor uns, auf der anderen (linken) Elbseite, reiht sich der Pfaffenstein an den Gohrisch, hinter dem noch der Papststein hervorragt. Dahinter in weiterer Entfernung ist der Zschirnstein, mit seiner auffälligen schrägen Anhöhe zu erkennen, dem man gar nicht ansieht, dass er mit 560m der höchste Berg des deutschen Elbsandsteingebirges ist. Was wahrscheinlich auch daran liegt, dass der größte Berg des Elbsandsteingebirges, der hohe Schneeberg im angrenzenden Tschechien, ganze 162 Meter höher ist. 

Der kleine und große Zschirnstein hinterm Getreidefeld

Um so beeindruckender, dass man auch den Zirkelstein mit nur 384m, der sich keine 5 km daneben befindet, so deutlich erkennt. Aber auch der Zirkelstein hat einfach eine einzigartige Form und steht vor allem völlig frei, umgeben von vielen Feldern, was den Ausblick von dort auch so besonders macht. Ich hatte die Ehre dort oben einmal den Sonnenaufgang über dem Elbtal erleben zu dürfen. Ein Schauspiel! Überhaupt, kann ich diesen, etwas vergessenen, Elbsandstein-Teil sehr empfehlen. Da nur der rechtselbische Teil der sächsisch-böhmischen Schweiz zum Nationalpark erklärt wurde, gibt es um den Zschirn- und Zirkelstein noch etliche unbeschilderte, leere und teilweise fast unberührte, oder vergesse Wanderwege.

Sonnenaufgang auf dem Zirkelstein

Ein bisschen mehr Abenteuer-gefühl, als von Rathen auf die Bastei zu marschieren. Nicht dass ich die Bastei schlechtreden will, auf keinen Fall, sie ist eines der spektakulärsten Orte im Elbsandsteingebirge und die Basteibrücke sicher auch ein Grund für die Prominenz der Gegend. Allerdings bringt diese Bekanntheit mit sich, dass sowohl die imposante Basteibrücke, als auch die beeindruckende Felsenburg Neurathen zum völlig überlaufenen Massentourismus-Ziel geworden sind, mit inzwischen 1,5 Millionen Besuchern im Jahr. Was auch der Grund dafür ist, dass ich, die viel Zeit in ihrer Kindheit hier verbrachte, erstmals 2020 diesen Ort komplett entdecke. Eine der positiven Seite in Pandemie-Zeiten ohne ausländische Touristen. 

Basteibrücke

Aber zurück zu dem Ausblick-Moment auf dem Lilienstein. Denn nicht nur auf der anderen Elbseite kann man von hier Steine erraten. Auch wenn man den Blick Richtung Bad Schandau mit seinem Kirnitzschtal, schweifen lässt, erkennt man in der Ferne die Affen- und Schrammstein-Ketten. Beides langgestreckte Felsgruppen, die durch ihre starke zerklüftung auffallen und einmalig sind. Hier geht auch das Kletter- und Bergsteiger-Herz auf. Dieser Teil besticht insbesondere durch viele, gut ausgebaute, Klettersteige. Die lassen auch mein Abenteurer-Herz höher schlagen. In den Affensteinen befindet sich zum Beispiel die Häntzschelstiege. Einer der spannendsten und anspruchsvollsten Klettersteige des Elbsandsteingebirges und ja, sogar meine bisher herausforderndste Bergerfahrung in Deutschland. Den Reiz dieses Klettersteiges machen die vielen schmalen Pfade und Steigeisen über freiem Felsen, aus. Die Hürde ist vor allem Kopfsache, denn auch Schritte über Felsspalten mit Abgründen gehören dazu. Puh, ich bekomme noch bei der Erinnerung daran Schnappatmung. Schwindelfreiheit ist also höchste Voraussetzung, neben entsprechender Fitness. 

Dreht man sich auf dem Lilienstein weg von der Elbe, kann man im Norden über das schöne Polenztal hinweg Richtung Hohnstein schauen. Bei diesem Blick entdeckt man auch, den unauffälligen Gamrig. Mutti´s Geheimtipp ist auch mein kleiner Favorit geworden, denn der Gamrig ist erstens so schön freistehend, dass man eine wunderbare Rundumsicht und Blick ins Elbtal hat und bietet zweitens einfach ein sehr hübsches Plateau – ohne Geländer, was die Entdeckungs- und rumkletterlust weckt und durch starke erosierung sandigen Boden mit hübsch blühendem Heidekraut. Und dann auch noch nicht überlaufen. Also wirklich ein echter Geheimtipp – aber verratet ihn nicht weiter 😉 Und da es langsam etwas windig auf dem Lilienstein wird, verlassen wir ihn nun auch wieder, nach diesem tollen Rundumblick durch die sächsische Schweiz, und steigen hinab ins Elbtal, wo schon der Zug Richtung Dresden wartet. Denn gut angebunden ist dieses Gebiet auch noch – was hält dich also noch ab? Los auf ins schöne Sachsen!

Die Barbarine – beeindruckende Felsnadel hinterm Pfaffenstein

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