Atlantiküberquerung Teil 2

Tag 14

Halbzeit! Also Halbstrecke. Abends ist es soweit, dass es bis nach Mindelo und bis nach Martinique exakt gleich weit ist. Wir hoffen, dass die zweite Streckenhälfte nicht genauso lange dauert wie die erste. Aber wir haben jetzt den Passatwind gefunden. Oder er uns? Egal. Er verspricht uns eine Woche mit konstanten 20 Knoten. Wir freuen uns schon konstant mehr als 15 zu haben. So langsam kommen wir aus der Phase „boah noch so lange“ in ein „hey, gar nicht mehr so lange“ und das ist auch gut so, denn nach zwei Wochen stellen wir schon fest, dass so lange Überfahrten nicht unsere Lieblingsdisziplin werden. Es schlaucht, alles ist zäh. Wir sind müde. es dauert zu lange. Wir haben inzwischen voll in den Bord-Rhythmus gefunden, aber an das Rollen gewöhnt man sich nie. Es nervt. Rollen bedeutet, dass das Boot sich durch die Wellen aufschaukelt und immer nach rechts und links rüber kippt. Kann man super draußen im Cockpit stehend in den Knien mitsurfen. Für jede andere Tätigkeit und dazu zählt auch sitzen, ist es allerdings nervig.

Jeden Tag Sonnenaufgang hinter uns
Und jeden Tag Sonnenuntergang vor uns

Und jeder Tag ist exakt gleich. Es passiert nix. Ich bin nicht ausgelastet. An den Punkt wollte ich, als ich mir zu Hause diese Fahrt vorgestellt habe, endlich mal kommen: Langeweile. Das habe ich Jahre nicht gespürt. Im Alltag in Hannover gab es immer mehr zu tun als ich an einem Tag geschafft habe. Und so gibt es auch Tage, da finde ich es einfach nur schön. Tagsüber scheint die Sonne, nachts der Mond. Ich habe genug innere Ruhe um fünf Bücher zu lesen, dutzende Hörbücher zu hören und zu schreiben. Außerdem koche ich jeden Tag frisch, es ist anstrengend und dauert, aber wir haben ja Zeit. Ich kann kreativ werden und probiere mich aus.

Im Voll-Sonnenschutz Bücher lesen

Leider ist immernoch so viel Seegras, dass sich Angeln nicht lohnt. Hier schwimmen echt ganze Teppiche und lange Streifen auf dem Wasser. Kaum hat man die 40 Meter Leine ausgebracht, ist so viel Zug drauf, als wäre ein ausgewachsener Thunfisch dran…. Und dann ist es doch wieder bloß ein Büschel gelbes, stacheliges Gras. Vermutlich ist der Köder auch nicht mehr interessant für Fische, wenn er einen großen Grasbüschel hinter sich her zieht. Wer will schon einen Tintenfisch jagen, der so blöd ist sich in Gras zu verfangen. Nungut. Wieder nur Thunfisch aus der Dose. Die Seegrasteppiche begleiten uns die gesamte Fahrt. Sonst begleitet uns nur einmal kurz eine Grupppe Grindwale. Von uns liebevoll Schlumpfmützenmongo-Delfine getauft. Irgendwie sehen sie nicht so süß aus wie Flipper. sind auch nicht so verspielt und schnell wieder weg. Von Flipper fehlt die komplette Atlantiküberquerung jede Spur.

Unser Köder mit Seegras-Anhang

Ansonsten gibt’s nur fliegende Fische. Die fliegen richtig weit. Und hoch. Auch an Bord landen sie regelmäßig und überleben den Aufprall meist nicht. Die Vögel finden sie auch gut. 3 verschiedene Sorten jagen hier regelmäßig überm Wasser. Auch unser Boot umkreisen sie gern… Und schimpfen auch mal, wenn sie mit der Mastspitze ein abkriegen. Tja. Schaukelt halt ordentlich.

Entspanntes rumliegen mitten auf dem Atlantik

An manchen Tagen sind sowohl das Blau des Meeres, als auch die Formen der Wolken einfach nur faszinierend.

Heute sieht der Nachthimmel aus, wie die Decke im Kinderzimmer damals. Ihr kennt sie sicher alle, dieses kitschige Bild von Sonne Mond und Sternen, der Halbmond ist eine Liegende Sichel in der ein Mondgesicht zu erkennen ist und die Sterne reihen sich um diese Mondsichel. Ein beliebtes Motiv auf jeglichen Kinderschlafsachen und das, was man als Kind in Form von fluoreszierenden Aufklebern überm Bett hatte. Genau so sieht der Himmel heut aus. Wie aus dem Kinderbilderbuch. Ich gerate ins Schwärmen. Bevor der Mond aufgegangen ist, war der Sternenhimmel das erste Mal richtig klar zu sehen. Tausend Seemeilen weit weg von jeglicher Lichtverschmutzung ist der Himmel heller als erwartet, weil so viele Sterne leuchten, dass man einzelne kaum in der Masse erkennen kann. Die Milchstraße ist ein riesiges helles Band, im Westen sind Jupiter und Venus gerade verschwunden, im Norden steht Polaris und das Kreuz des Südens ist unter den vielen anderen Sternen kaum auszumachen. Sternschnuppen gibt’s sowieso jede Nacht mehr, als ich Wünsche habe. Sonst sorgen noch zahlreiche Satelliten für Bewegung am Himmel. Ich lerne auf dieser Überfahrt auch, den Rhythmus des Mondes zu verstehen, wann und wo er auf- und untergeht und wie sich das Sternenzelt bewegt. Dinge die schon immer so sind, auf die man zu Hause aber einfach nicht achtet. Wieviel Zeit verbringt man auch in Deutschland nachts draußen?

Grindwal – Delfin ohne Nase

Und dann gibt es Momente, da verfalle ich auch mal schnell in ausgelassene Freude darüber, dass zu unserem Zielkurs manchmal weniger als eine Woche steht und ich freue mich langsam auch aufs ankommen. Ich verbringe viel Zeit auf Seekarten und in den Notizen, die ich für die Karibik gesammelt habe, um mir eine genauere Vorstellung zu machen, welche Inseln es zu sehen gibt, wie die Ankermöglichkeiten sind wo es wie gut ist anzukommen. So ändern wir unterwegs unseren Zielkurs auch auf Barbados, statt Martinique. Auch weils einfach Stück näher ist und wir endlich ankommen wollen. Denn die Euphorie in der zweiten Woche, darüber in der nächsten da zu sein, schwenkt schnell mal um in Geningel darüber, dass in der dritten Woche immernoch über 200 Seemeilen vor uns liegen. Denn nach 10 Tagen gutem Wind, schläft dieser kurz vorm Ziel wieder ein. Und aus der Party, in 3 Tagen Land zu sehen wird am nächsten Morgen die bittere Erkenntnis, dass es auch noch eine weitere Woche dauern könnte. Bäääh.

Land in Sicht

Und dann ist es endlich soweit: schon in der Nacht kann man am westlichen Himmel einen hellen Schein erkennen. Die Lichtverschmutzung von Zivilisation. Kurz nach Sonnenaufgang ist dann ganz deutlich am Horizont ein kleiner Streifen zu erkennen: Land in Sicht. Barbados. Wahnsinn. Ich bin ganz aufgeregt und Glotze stundenlang ununterbrochen durchs Fernglas während wir langsam an der Nordküste von Barbados vorbeiziehen und dann zu unserem ersten Ankerplatz in der Karibik abbiegen. Kurz vor der Ankunft gibt der Wettergott nochmal alles was er die letzten Wochen verpasst hat: es regnet das erste mal richtig und der Wind steigt auf über 27 Knoten. Danke. Wir haben 25 Tage darauf gehofft. Aber nicht jetzt, bei der Ankunft in der Karibik. Nun ja. Es ist nicht von langer Dauer. Wir werfen (erstmals auf der Fahrt!) den Motor an um unseren Ankerplatz zu erkunden und lassen den Anker fallen. Nach 25 Tagen, 2 Stunden und 24 Minuten gibt es wieder Verbindung zu Land. Per Funk wird uns gesagt, wir sollen warten, die Behörden melden sich zum einklarieren. Es ist 15:30Uhr Ortszeit (UTC-4, also 6 Stunden früher als in Deutschland). Irgendwann wird’s dunkel und wir gehen schlafen. An Land dürfen wir offiziell ja noch nicht. Aber erstmal wollen wir auch einfach nur mit einem kühlen Bier auf unsere gelungene Atlantiküberquerung anstoßen. Und schlafen. Gleichzeitig. Mehr als 3 Stunden am Stück. Herrlich. Das Leben ist schön.

Schlechtwetter bei der Ankunft

Am nächsten Tag dürfen wir auch ganz entspannt bei den Behörden unseren ersten Stempel dieses Kontinentes im Reisepass abholen. Wir sind angekommen. Wir haben den Atlantik überquert. Wir sind in der Karibik. Wahnsinn. Das nächste Abenteuer kann also beginnen!

Stempel im Pass
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6 Kommentare bei „Atlantiküberquerung Teil 2“

  1. Echte Seefahrer. Wenn ich eure Zeilen lese spüre ich das Abenteuer! Wahnsinn.

  2. Es ist immer wieder schön, von euch zu lesen und so euch ein bisschen in Gedanken zu begleiten. Genießt weiter euer Abenteuer, erkundet die karibischen Inseln und ach ja: Frohe Ostern!

    1. Das ist super, so soll’s sein. Danke. Und auch Frohe Ostern auch an alle!

  3. So toll! Genießt die wunderbare Karibik!

    1. Of course! 🙂

  4. Congratulations!! Ihr dürft Beide sehr sehr sehr stolz auf Euch sein! Geiles Ding, sowas durchzuziehen. So´n bisschen knabbert der Neid 🙂
    GLG aus dem aprilig-kühlen-wechselhaften Hannover, Falk

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