Nur einmal kurz rüber zur nächsten Insel. Nachdem wir ein paar Wochen nicht auf See waren ist das ganz schön aufregend und wir sind noch nicht im Rhythmus. Nicht nur deswegen wird Schlaf in dieser Nacht nix, sondern auch, weil ständig was passiert. Erstmal darf man nicht vergessen, dass die Kanaren halt einfach nur ein paar kleine Inseln mitten im Atlantik sind und die Düngung sich über den großen Ozean aufgebaut hat, die hier ankommt. Also schaukelt es ordentlich. Die ersten Stunde gehe ich kaum unter Deck, weil mir schummrig wird. Dann gehen die Winde durch zwei ziemlich hohen Inseln Gran Canaria und Teneriffa durch, was zu einem Düseneffekt führt, den wir schon kannten. In meiner ersten Nachtschicht muss ich also Heiko schonmal im Schlaf unterbrechen, weil wir Reffen müssen. Das ist bei über 30 Knoten ein Kraftakt. Danach gehts eigentlich entspannt weiter, bis wir das Ende von Teneriffa erreicht haben und im Windschatten des Teide zwischen den Inseln wechselnd kein Wind oder Böen aus den verschiedensten Richtungen haben. Ich hantiere also die ganze Zeit mit der Genua herum… einrollen, rausholen, Seite wechseln und den ganzen Klappergeräuschen auf den Grund gehen und sie abstellen. Ein Geräusch kann ich nicht identifizieren und vergesse beim Schichtwechsel auch darauf hinzuweisen. Ich bin noch nicht im Schichtrhythmus und falle tot müde ins Bett.
Und werde ne Stunde später von Heiko geweckt, weil er in den Backskisten (das sind die Stauräume unter dem Cockpit) steigen muss. Denn jetzt wo der Wind weg ist, hört man ganz deutlich ein Rucken im Boot und wir finden erschreckenderweise die Ursache im Ruderlager. Das Ruder schwingt frei, weil es nicht mehr mit dem Steuerrad verbunden ist. Da wir die ganze Zeit mit dem Ruder von Otto, unserem Windpiloten fahren, ist das nicht aufgefallen. Eine Schlauchschelle ist gebrochen und „schnell ersetzt“ soweit das kopfüber im Dunkeln bei dem Wellengang möglich ist. Als schon der Morgen dämmert und La Gomera in Sicht ist, verschwindet Heiko nochmal in der Kiste, weil wir,um beim Ankermanöver manövrieren zu können uns auf das Ruder verlassen können müssen. Ich reiche Werkzeug und bin dabei einen Moment nicht am Werkzeugkasten als eine Welle diesen umscheißt, schöne Scheiße. Die verklemmten Werkzeuge in dem 3-stöckigem Ding also irgendwie mit Gewalt wieder rausfummeln und alles wieder einsortieren. Nebenbei natürlich auch noch Ausschau halten, weil wir gerade zwischen den Inseln doch ein bisschen Schiffsverkehr haben. Ich sehe eine Fähre von ganz weitem und registriere, dass er abdreht. Wir stehen auch unübersehbar mit Schlagendem Segel ohne Wind auf dem Wasser rum. Ich stecke den Kopf also wieder in die Werkzeugkiste, als Heiko erschrocken hochkommt mit den Worten „ich höre ein Motorgeräusch“. Im selben Augenblick rast die Fred Olsen Schnellfähre mit nur 20Meter Abstand (gefühlt 5, aber wahrscheinlich waren es 50) an uns vorbei und taucht uns in seine ordentliche Bugwelle. Boah war der schnell. Pisser. Ein bisschen mehr Abstand wäre schon nett gewesen. Meine Nerven liegen plank. Was für eine beschissene Idee aufs Meer zu fahren. Ja, auch solche Gedanken hat man in solchen Momenten. Aber die gehen auch wieder vorbei. Noch ein Stündchen Schlaf aufholen und dann die steile Küste von La Gomera bewundern und schon ist der Stress vergessen. Die Müdigkeit bleibt, aber die nächste Nacht werden wir ja irgendwo vor Ankern durchschlafen können.
Doch der passende Ankerplatz muss erstmal gefunden werden. Wir wollen uns an der Südküste ja vor dem vorhergesagten starken Nordwind schützen, bevor wir weiter auf die Kapverden aufbrechen. Einige Ankerplätze haben wir uns herausgesucht und schauen die uns nun mal aus der Nähe an. Leider ist aktuell noch kein Nordwind und so stehen Wind und Welle in allen Buchten auflandig. Gar nicht ideal. Denn sollte der Anker nicht halten treibt man aufs Ufer zu. Gefällt uns also alles nicht und wir fahren bis zum letztmöglichen Ankerplatz am Valle Gran Rey. Der wurde uns bereits von Bootsbachbarn auf Teneriffa empfohlen. Direkt vor der Felswand, aber nicht zu nah ankern, weil manchmal Steine runter fallen. Klang für mich nicht so einladend und daher nicht die erste Anlaufstelle. Trotzdem schauen wir uns die Bucht mit dem daneben liegenden Hafen mal an. Die Felswand ist tatsächlich durchaus beeindruckend. Bis zu Fünfhundert Meter ragen rechts und links von einem Barranco (Schlucht) die Wände direkt ins Meer. Allerdings tatsächlich ein guter Schutz vor den nördlichen Starkwinden. Aktuell liegt man allerdings quer zum Ufer. Wir drehen ein paar Runden um die anderen Segelboote, die hier liegen und versuchen den Untergrund zu erkennen. Das Wasser ist klar, aber kein Boden zu sehen. Schließlich entscheiden wir aber, dass es doch von allen Buchten die beste Alternative ist und die Bewertungen auch alle von gutem Schwarzen Sand als Ankergrund sprechen. Da wir nicht so nah ans Ufer wollen entscheiden wir in 13 Meter tiefe und mit größtmöglichem Abstand zu den Nachbarbooten und den Felsen, den Anker fallen zu lassen. Scheint zu sitzen. Mit mehrfachen Ankerüberwachungen und Ankeralarm (wird ausgelöst wenn man einen bestimmten Radius verlässt) gehen wir früh schlafen. In der Nacht weht es schon ordentlich aber der Anker hält.
Am nächsten Morgen unter der beeindruckenden Felskulisse sieht die Welt schon wieder ganz anders aus. Und bei meinen morgendlichen Schwimmrunden ums Boot bin ich einfach rundum glücklich und dankbar diese Zeit erleben zu können. Hier stehen wir jetzt also seit ein paar Tagen, gehen mal schwimmen, schnorcheln oder den Ort erkunden.Auch der ist ziemlich süß und bietet alles was man so braucht, auch beeindruckend große Rochen im Hafenbecken. Nach ein paar Tagen schimpfen und fluchen, haben wir uns auch mit dem Außenbordmotor unseres Dingies (Beiboot) angefreundet (er startet jetzt mit weniger als 100 Versuchen) und kommen damit, auch ohne dass einem die Arme vom Rudern abfallen, an Land.
Im Barranco Argaga zwischen den Felswänden (durch das wohl ab und zu mal viel Wasser läuft) kann man auch ein bisschen wandern und rumklettern und Höhlenhippileben sehen. Ja, La Gomera ist irgendwie berühmt als Aussteigerort für Menschen die freiwillig in Höhlen rund um die Insel wohnen. Die Höhlenhippies von La Gomera habens sogar zu einer Dokumentation in Deutschland geschafft. Neben den Hippies gibt es eigentlich nur deutsche im gesamten Valle Gran Rey. Überall sind die, furchtbar. Auch der Ankerplatz ist ziemlich voll mit deutschen (von rund 15 Ankerliegern). Im Gegensatz zu Teneriffa, wo es größtenteils Franzosen gab… wer weiß.
Mehr zu sehen von La Gomera, war uns bisher noch nicht vergönnt. Der Versuch mit dem Bus auf die andere Seite der Insel zu fahren lief so ab: morgens 7Uhr im Dunkeln mit Dingie zum Hafen, weil um 8 Uhr der Bus fährt. Dort angekommen festgestellt dass wir weder Masken noch Geld dabei haben. Also erstmal alternativ-Programm bis 12:30Uhr der nächste Bus fährt. Bushaltestellen alle nicht beschildert. 12:30Uhr: Warten. Kein Bus kommt. Mh. Naja, fährt die Linie 8 hier wohl doch nicht. Dann gehts halt mit Linie 1 woanders hin. 13 Uhr: ein Bus kommt! Fährt vorbei, weil schon voll. Eine Frau erzählt uns dass das regelmäßig passiert. Also auch für den Nachmittag Alternativprogramm und pünktlich wieder am Boot als es windig wird (wir hatten ein Nachbarboot gebeten ein Auge auf Celerity zu werfen).
Jetzt beginnt das Hafen-/Bootskino. Ein kleineres Segelboot ist abgetrieben und wird gerettet, neue Boote kommen und Ankern, der Abstand vom Nachbarboot wird genau beobachtet und das alles während hinter El Hierro (die südlichste Kanareninsel) die Sonne fantastisch glühend untergeht und über dem Barranco mal wieder eine dicke Regenwolke einen Regenbogen erzeugt. Echte Abendunterhaltung, die einem hier ganz kostenlos und offline geboten wird. Von Langeweile also keine Spur. In ein paar Tagen wird uns sicher die Lust packen wieder weiter zu ziehen. Wir warten dafür aber mal wieder auf den richtigen Wind. Der geduldige Segler hat nämlich immer guten Wind. Und den hätten wir gern bei unserer längsten bisherigen Überfahrt von ca. 2 Wochen, auf die Kapverden. Bis dahin genießen wir das Leben vor Anker.
Ab nach Hause.
Sofort.
‚Pisser‘ und ‚Dingie, der jetzt mit weniger als 100 Versuchen startet’… Achja und der Werkzeugkasten, ich hab echt alles bildlich vor Augen gehabt und konnte nicht mehr vor Lachen
Dein Schreibstil fetzt, genauso der Inhalt und irgendwie liest es sich jedes Mal so, als wäre es nicht eure erste Reise oder auch nicht das erste Mal, dass du eine Art Tagebuch führst.
… danke für die tiefen Einblicke in euer Abenteuer!