Die Geschichte vom Tiefenmesser… und anderen kleinen Pannen
Auf der anderthalb tägigen Fahrt von Barbados nach Martinique haben wir mal wieder einen Kackfreudigen blinden Passagier. Diesmal sitzt eine Möwe auf unserem Dingi, was wir am Heck hochgezogen haben und versucht sich erst recht tollpatschig auf dem schwankenden Gummi zu halten, bis sie auf einer Stange darüber Platz nimmt und schläft. Und fröhlich weiter alles Vollkackt bis sie im Sonnenaufgang grußlos verschwindet.
Und dann kommt auch schon unsere Anfahrt auf Martinique. Vor der Einfahrt in die le Marin Bucht sind einige Boote zu sehen und wir tasten uns langsam entlang der Bojen, die die Einfahrt markieren. Vor uns erstreckt sich eine riesige Bucht mit tausenden Booten. Ja, wirklich. Ich glaube „hunderte“ reicht nicht mehr. Boote soweit das Auge reicht.
Da unser Tiefenmesser nicht geht, fahren wir strikt nach den Angaben auf der Seekarte. Und müssen darauf vertrauen, dass unsere GPS Position exakt korrekt ist. Sehr aufregend, weil es sehr viele flache Stellen und Sandbänke ringsherum gibt. Einige Tiefenveränderungen kann man anhand der Farbe erkennen. Aber wir sind ja noch völlig ungeübt einzuschätzen wie tief es dann ist. Unser Boot hat knapp 2 Meter Tiefgang. Das ist schon einiges. Und wir befinden uns in Tidegewässern. Heißt, der aktuelle Stand des Meeresspiegels kann sich nochmal um 1m ändern. Also werden wir auf Nummer sicher gehen. Direkt in der Einfahrt der Bucht sehen wir ein bekanntes Boot wieder. Dave, der uns in Mindelo gebeten hatte umzuankern weil er keinen Motor hat. Die waren eine Woche vor uns über den Atlantik aufgebrochen.
Wir entscheiden uns ziemlich schnell nicht weiter in die Bucht reinzufahren, weil auch in der Fahrrinne schon viele Ankern und überall Bojen sind, wir wollen außerdem nicht unnötig rum Kurven zwischen den vielen Booten und den flachen Stellen. Der Anker fällt zwischen ein paar Booten, die an Mooringbojen liegen. Man sieht nix im Wasser. Total Trüb. Es sollen laut Karte 10m sein. Mehr als 20m Kette trauen wir uns nicht raus zu lassen, weil der schwoi Kreis sonst zu groß ist und der Abstand zu den anderen Booten nicht so viel. Dabei ist das schon eine der Ecken mit viel Platz. Wir rudern mit dem Dingi an die Stelle, wo der Anker liegt. Dort werfen wir unsere Backup-Lösung ins Wasser, den Fisch Finder, ein Gerät für Angler dessen App auch die Wassertiefe anzeigt. 8 Meter. Eigentlich zu wenig Kette. Laut Lehrbuch sollte man mindestens die 4 fache Wassertiefe als Kette legen. Aber der Anker scheint zu sitzen. Mehr geht nicht. Normalerweise schauen wir uns den Anker auf dem Grund immer Schnorcheln an, aber hier ist nix zu sehen. Also packen wir unsere Bootspapiere und Pässe zusammen und machen wir uns auf dem Weg zum Hafen. Nachdem wir das Dingi erstmal von der Vogelkacke befreit haben. Der hat echt ganze Arbeit geleistet.
Wir fahren erstmal drauf los. Plötzlich kackt der Motor ab und klappt hoch und erst dann merken wir: Wir stehen mitten auf einem mit Gras bewachsenen Sandbank. Ein Blick auf die Seekarte (zum Glück per App dabei) zeigt: wir sind tatsächlich mitten drin, in dem großen grün markierten Bereich. Wir versuchen uns heraus zu rudern. Sitzen dabei immer wieder auf. Es sind nur ein paar Zentimeter Wasser über der Fläche. Lustig. Irgendwann haben wir es geschafft uns frei zu paddeln und fahren mit einem großen Bogen und jetzt mit Seekarte in der Hand zum Dingidock. Auch dort ist alles voll mit Booten. Der Hafen ist voll mit Charter Katamaranen. Das Hafengebäude ist ein Labyrinth. Irgendwann finden wir das Marina Büro und können uns an einem Computer einklarieren. Es wird gedruckt. 5€ bitte. Fertig. Keiner will einen Pass oder so sehen. So einfach kommt man hier in die EU.
Am nächsten Tag fangen wir direkt an, mit den hier ansässigen Dienstleistern unseres Echolots in Kontakt zu treten, denn deshalb sind wir unter anderem hier: Das Echolot/Tiefenmesser spinnt schon die ganze Reise immer mal wieder, fängt mitten auf dem Mittelmeer an, einen Alarm zu geben, weil nur noch 3 Meter Wasser unterm Kiel sein sollen, Zeigt im Hafen von Teneriffa schwankende Werte an, obwohl wir uns nicht bewegen. Damals hatte Pepe dort leider nicht genug Zeit um sich das Problem genau anzusehen. Wir gaben ihm also ne Chance und beobachten weiter, was passiert, mit dem Wissen, dass wir spätestens in den flachen Gewässern der Karibik hier eine vernünftige Lösung brauchen. Bis dahin nutzen wir als Übergang den Fisch Finder. Der funktioniert aber nicht während der Fahrt. Inzwischen zeigt das Display auch seit einiger Zeit nur noch 00:00. Also kümmern wir uns jetzt hier um eine Lösung , bevor wir weiter durch die Karibik fahren.
Aber schon von Kontaktaufnahme in Martinique und Problembeschreibung bis tatsächlich mal jemand etwas tut, vergeht eine Woche. Wir telefonieren hinterher. In einem zweiten Laden haben wir einen Termin für eine Woche später, wo mal jemand drauf gucken kann. In der Zwischenzeit bringen wir das Display zu einem gewissen „Jacque“ ich habe das Gefühl diese Techniker/Mechaniker haben alle, dem Land angepasste Künstlernamen. Wir hatten Apollo in Griechenland, Jordan in Gibraltar, Pepe in Spanien und nun Jacque in Frankreich. Naja, auf jeden Fall soll Jacque herausfinden ob das Display korrekt funktioniert. Wenn ja, wird das Problem am Geber liegen, also dem Gerät dass die Schallwellen ins Wasser gibt und damit die Tiefe herausfindet.
Nach einer Woche und ein bisschen nerven bekommen wir auch Audienz bei Jacque. Er erklärt uns, dass die Anzeige funktioniert, aber bei geringen Sensordaten anfängt zu schwanken. Und das solche Sensoren meist nur 15Jahre leben, unserer aber schon 30 Jahre alt ist. Vermutlich wird es also an dem Sensor liegen. Wir kriegen direkt einen neuen Sensor in die Hand gedrückt Schwups 200€ weg. Um zu testen ob es mit dem funktioniert müssen wir das Kabel abschneiden, weil die Hersteller NATÜRLICH die Stecker nicht kompatibel gemacht haben. Stecker abschneiden heißt wir machen das neue Gerät natürlich auch direkt „kaputt“, so dass wir es nicht zurückgeben können, falls es nicht funktioniert, aber No Risk, no fun. Jacque war sich zu 80% sicher.
Also, erstmal testen ob der neue Sensor mit dem alten Display überhaupt funktioniert. Dafür Stecker ab und das alte Display mit dem neuen Sensor verbinden (zum Glück kann Heiko sowas) und schauen ob die richtige Tiefe ankommt. Ab über Bord mit dem Gerät. Funktioniert. Gut. Das heißt, wir können die Alternativ-Lösung zum festen Einbau in Angriff nehmen. Normalerweise wird so ein Tiefengeber von außen durch ein Loch ins Bootsinnere geschoben. Dafür müssten wir aus dem Wasser, was wir natürlich versuchen zu vermeiden. Also gehts am nächsten Tag los zum shoppen. Wir brauchen ein Rohr und einen Deckel.
Außerdem ist beim Test des Tiefenmessers aufgefallen, dass der Windmesser auch kaputt ist. Das Windrad ist abgefallen, liegt aber zum Glück auf dem Boot. Also müssen wir die Tage nochmal hoch auf den Mast. Das wird ein Spaß. Denn der Windmesser ist ganz oben und ein Stück vor dem Mast angebracht. Außerdem ist es die kleinste Schraube der Welt, die da fest gedreht werden muss. Zum Glück haben wir sogar etwas, was sich “Feinmechanikerwerkzeug” schimpft. Was ich alles lerne, ich sag’s euch. Aber da wir auch die Falle, die auf der Atlantiküberquerung gerissen sind, erneuern müssen, habe ich schon bald Übung in luftiger Höhe freihändig zu hängen und zu arbeiten.
Zurück zum Shopping. Im Baumarkt finden wir alles was wir brauchen und noch viel mehr. Zwischendurch noch einen kleinen Ventilator im Chinamarkt besorgt und schon kann’s wieder aufs Boot zurück gehen
Am nächsten Tag werkeln wir herum. Während Heiko das Rohr so anpasst, dass der Tiefenmesser im Boot gerade durch die Bordwand Richtung Boden schauen kann, verstaue wieder alle Dosen in der Bilge. Die mussten wir am Tag zuvor auch noch ausräumen, weil das Wasser aus einem geplatzten Wasserfilter bis nach unten geflossen war und die unteren Dosen im nassen lagen. Doof, weil die auch langsam anfangen zu rosten.
Zurück zum Tiefenmesser. Dieser Sensor funktioniert so, dass er durch das Wasser hindurch misst wie weit es ist bis ein Widerstand das Echo zurück sendet und damit weiß, wie viel Meter bis zum Meeresboden sind. Da unsere Bordwand auch nur Plastik ist, kann der Sensor auch dadurch messen, wenn er denn im Wasser ist. Und so kleben wir also ein Rohr von innen an die Wand, kippen Wasser rein und stecken den Sensor rein. Tatsächlich funktioniert das. Es wird die korrekte tiefe angezeigt. Ohne neues Loch.
Da wir nicht sicher sind ob mit der Zeit das Wasser da drin nicht verschwindet/ausläuft, konsultieren wir nochmal das Internet und lesen, dass das ganze auch statt mit Wasser im Rohr mit Silikon funktionieren soll. Also am nächsten Tah in den Baumarkt Silikon kaufen.
Aber nachdem alles im Silikon versenkt ist kommt kein Signal. Also wieder Silikon rauskratzen und Wasser rein. Signal da und gibt die richtige Tiefe an. Yeah. Wir freuen uns und machen schon Pläne fürs weiterfahren, als der tiefenalarm plötzlich wieder piept und das Gerät nach ein paar Minuten wieder 0 anzeigt. Oh nein. Auch nach ein paarmal bewegen bleibt das Signal nicht stabil. Mist. Also am nächsten Tag betrübt schonmal fragen wie und für wieviel man hier aus dem Wasser geholt werden kann. Aber erstmal konsultieren wir nochmal Jaque, der erst am übernächsten Tag anzutreffen ist. Der sagt, wir sollen eine andere Stelle probieren, eigentlich sollte das irgendwo gehen und zählen wie schnell das Ergebnis angezeigt wird. Okay, ein Hoffnungsschimmer.
Den nächsten ganzen Tag basteln wir mit dem Echolot herum. Erstmal Stellen suchen, wo das Signal schnell kommt. Mit dem Echolot in einer Plastiktüte mit Wasser liege ich unter der Kajüte. Heiko zählt wie schnell das Signal kommt. An der schnellsten Stelle 15 Minuten Stillhalten. Signal stabil. Ein paar Zentimeter neben der alten Stelle erneut Rohr mit sikaflex festkleben. Mit Wasser füllen, neu probieren. Signal funktioniert. Auch nach einer viertel Stunde. Puh.
Also kann jetzt das Kabel neu verlegt werden. Das nimmt den Rest des Tages in Anspruch, durch die Kajüte in den Motorraum. Dort das richtige Kabel in dem kabelwust finden, die natürlich alle schön fest mit Kabelbindern zusammengefasst sind. So fest, dass kein neues, dickeres Kabel durch passt. Also Stück für Stück das alte raus und das neue neu festklemmen. Dabei Yoga-verdächtige Verrenkungen machen und danach aussehen wie ein Schornsteinfeger. Zum Schluss am anderen Ende des Motorraumes wieder nach draußen, in das Heck des Bootes. Inzwischen ist es dunkel und wir geben erstmal auf. Ne Runde schwimmen und duschen zum säubern
Ach ja, während der Verkabelung entdecke ich eine Kakerlake im Boot. Riesig. Lebend.Aber Nicht mehr lang. Zum Glück war sie ein Einzelfall hat keine Freunde mitgebracht.
Am nächsten Tag geht das verkabeln des Echolots also weiter. Ach ja, Nebenbei den Kühlschrank ausgeräumt und den verstopften Abfluss repariert. Irgendwann ist das Kabel am Display im Cockpit angekommen und funktioniert. Juhu.
Ein bisschen Skepsis bleibt. Aber die Fahrt ein paar Tage später raus aus der Bucht, zeigt, dass auch andere und tiefere Angaben korrekt sind. Puh. Juhu. Die Freude ist groß und jetzt können wir erstmal richtig die Karibik genießen inzwischen ist Mai und die Hurrikan Saison naht. Denn in Martinique hält uns jetzt nix mehr. Wir haben repariert und eingekauft. Dafür war es hier super. Französische Supermärkte, mit leckerem Käse und Einkaufswagen direkt zum Dingi.
Deswegen entscheiden wir uns die nächsten beiden Länder (St. Lucia und St. Vincent) links liegen zu lassen und direkt die kleine Insel Carriacou anzusteuern, diese gehört bereits zu Grenada und ist weit genug südlich um auch bei tropischen Stürmen schnell südlicher oder unter zu kommen.
Beim nächsten Mal gibts also mal einen karibischen Traum-Bericht, statt nur Probleme. Hoffentlich:-)
Im übrigen sind solche Strapazen und warterei in einer palmengesäumten Bucht, in grüne Hügel eingebettet und mit tollen Stränden um die Ecke sehr viel einfacher zu ertragen. Uns gehts also trotzdem prächtig.
Traumhaft. Was ein Abenteuer. Du solltest hinterher ein Buch darüber schreiben