nach Spanien ohne Autopilot

Ich habe keine Ahnung welcher Tag heut ist, weder Wochentag noch Datum. Irgendwann Mitte Oktober. Oder schon Ende? Aber ich weiß wann die Sonne und der Mond aufgehen. Ohne Kompass wüsste ich nicht wohin, denn alles sieht gleich aus: Dunkelblau, graublau, hellblau. Ringsherum. Ich will Richtung Westen, also 270 Grad. Das ist morgens von der Sonne weg und Abends dem Sonnenuntergang entgegen. Die Sonnenstrahlen links. Immer. Was für eine einfache Welt. 

In Spanien werden wir schon frühzeitig von kleinen Vögeln, statt Hubschraubern, begrüßt. Irgendwie sympathisch. Aber wie schafft es so ein kleiner Vogel über 100km vom Land wegzufliegen? Und was gibt es für so einen Vogel hier so weit draußen? Der kleine gelbe Vogel sitzt auf unserer Reling. Hat er sich verflogen oder ist er freiwillig hier… Weil er es kann? So wie ich. Ich meine was gibt es für mich hier draußen? Nix. Alles was ich zum Leben brauche muss ich mitbringen, sogar das Mittel um hier raus zu fahren. Der Vogel bringt das einfach so mit. Ich bin freiwillig hier, weil ichs kann. Warum sollte es dem Vogel, den das weniger Aufwand kostet, nicht auch so gehen. An dem „was mache ich hier eigentlich?“-Moment war ich die Nacht zuvor: übermüdet, frierend, überfordert und hungrig stand ich hinterm Steuer und konnte nur nach einer Kompasszahl fahren. „Ich könnte jetzt so schön bequem im trockenem Büro sitzen und mir auf Knopfdruck nen Kaffee aus dem Automaten holen… Aber nee, man muss ja so bekloppte Ideen haben und mit nem Segelboot aufs Meer rausfahren.“

Wie es dazu kam folgt jetzt:

Es ist ein entspannter, sonniger Tag, wir segeln und machen ordentlich Fahrt. Nach dem ersten Schrecken heut morgen, als der Motor nicht ansprang, weil wir die Batterie mit dem Autopiloten überstrapaziert hatten, ist jetzt eigentlich alles entspannt. An der Schleppleine hängt schon der nächste Thunfisch, der die letzte Nacht belohnt. Die Wellen kamen ordentlich mächtig von hinten und stiegen regelmäßig ins Cockpit. Nach dem die erste Welle auch drin auf dem Kartentisch landete, blieben Tür und Luke erstmal zu und wir meist drin. Das ist dann wie nur mal auf den Balkon nach draußen gucken gehen, aber ganz komfortabel. Der Autopilot hatte ordentlich zu tun uns bei den Wellen auf Kurs zu halten und als Segel hatten wir nur noch einen kleinen Fetzen draußen, der die 31Knoten Böen einfängt. Denn Geschwindigkeit hatten wir durch den Wellenheckantrieb genug. 

Jetzt ist es ruhiger, die Batterien via Solar wieder geladen, der Autopilot läuft wieder und wir bereiten alles für die nächsten Thunfisch-Mahlzeiten vor (1xSushi, 1x Tataki, 1x Steak). Der Kühlschrank wird also hochgedreht und während Heiko gerade den (diesmal noch größeren) Fisch zerteilt wirft mich ne Welle um. Warum kommen die jetzt auf einmal von der Seite? Blick auf den Kurs – voll falsch. Blick auf den Autopilot – aus. Scheiße. Schnell hinteres Steuer klemmen und selbst fahren. Und herausfinden was da los ist. Alle Navigationsgeräte sind ausgefallen: Windgeschwindigkeit und -Richtung, Logge, Tiefemesser, Fahrtmesser, Autopilot. 

die Freude über den Fang, als wir noch auf Kurs waren

Der Vorfall am Morgen mit dem ausgefallenem Autopiloten hatte uns bereits von der Überlegung, vielleicht doch keine Windfahnensteuerung zu installieren, wieder abgebracht. Der Autopilot macht das zwar super, sowohl nach Kurs als auch nach Windeinfall zu Steuern, verbraucht aber sehr viel Strom… Und ein elektrisches Gerät kann halt auch mal schnell ausfallen. Ich habe so viele Bücher über Langfahrtsegler, Atlantiküberquerer und Weltumrunder gelesen, dass mir bewusst ist: irgendwas ist immer zu reparieren. Aber das gleich auf den ersten Seemeilen soviel passiert, ist nun doch ein bisschen übertrieben.

 Die Windfahnensteuerung ist Grund unseres ersten Etappenziels, Gibraltar. Dort soll der mechanische Autopilot, der mit einem extra Ruder und einer Fahne nach dem Windeinfallswinkel steuert, installiert werden. Nun. Den haben wir aktuell also noch nicht. Also ist selbst steuern angesagt. Vorbei die Schichten mit lesen und schreiben verbringen. Wie hart das wirklich sein kann, wird uns in der ersten Nacht bewusst. Wir stellen beide fest: selbst hinterm Lenkrad stehen, ohne jegliche Instrumente und die Wellen aussteuern um auf Kurs zu bleiben und irgendwann anzukommen, ist sau anstrengend. Noch dazu kann man den Platz nicht verlassen. Kein Klogang, kein Seekarte drin studieren, kein Gang zum Kühlschrank. Ach ja, der geht ja auch nicht mehr. Also verkürzen wir unsere Schichten: alle 2h wird 1,5h geschlafen. Juhu. Dazwischen alles was man braucht während des Fahrens, bereitlegen, inklusive Trillerpfeiffe um den anderen von draußen wecken zu können. Zwischenzeitlich außerdem versuchen den Grund des Ausfalls zu finden. Das Anschalten des Kühlschranks hat wohl zu einem Kurzschluss geführt. In dem Kabelwirrwarr  die richtige Sicherung zu finden, und das bei 3,5Meter Seegang, ist nicht so einfach. Knappe 40h später ist das Problem zumindest soweit überbrückt, dass die Navigationsinstrumente wieder funktionieren. Der Kühlschrank wird jetzt halt schnellstmöglich leergegessen. Der ist nicht so relevant. Die zwei Tage haben aber ordentlich geschlaucht und zu meinem eingangs beschriebenen ersten Verfluchen der bescheuerten Segelidee geführt. 

Jetzt wissen wir den Autopiloten sehr zu schätzen. Und dass ein Kühlschrank nur Luxus ist. Außerdem treffen wir am darauffolgenden Abend die Entscheidung: wir Ankern. Auf so 2000 Meter Wassertiefe. Es ist Windstill, die Wellen wiegen uns sanft in die richtige Richtung, Land ist in alle Richtungen über 100km entfernt, Schiffe haben wir schon seit 2 Tagen nicht gesehen. kein Tanker- und kein Fährverkehr. Also: Ankerlicht im Masttopp an und schlafen legen. Zu weit. Mehrere Stunden am Stück (zwischendurch checken wir natürlich immer mal kurz die Lage). Luxus. Und notwendig. Soll ja Spaß machen das ganze, trotz dass wir bis zu den Kanaren etwas Zeitdruck haben.

Ich muss mir immer mal bewusst machen, dass wir ab dem Atlantik ja viel entspannter unterwegs sein werden, so mit längerer Zeit irgendwo Ankern und so. Nicht nur durchfahren. Aber ist ja auch gut so, dass der Komfort Steigerungsfähig ist. 

Deswegen gönnen wir uns auf den Balearen auch einen Stopp an der Boje von Cabrera, die wir bereits vom letzten Jahr kannten (siehehttps://einfachreisen.com/?p=1629 Und ja, wir haben darauf geachtet keine Strafzettel zu bekommen und Heikos Namen nirgends anzugeben, da der Strafzettel nie angekommen ist. 

Wohin uns die weitere Route führt, wissen wir zu dem Zeitpunkt noch nicht genau. Wir brauchen Sicherungen, ach ja: und nen neuen Eimer. Der ist leider über Bord gegangen und während des „Eimer über Bord-Rettungsmanöver“ leider vollgelaufen und untergegangen. Ich bin habe jetzt also auch meinen Anteil an Plastikmüll im Meer, obwohl ich mir die letzten Jahre doch so viel Mühe gegeben habe alles für eine Plastikfreie Welt zu tun. Aber das thematisiere ich ein anderes mal. Ziel ist also irgendwo in Spanien, Balearen oder Festland, eine Möglichkeit zu finden Einkaufen zu gehen und einen Baumarkt oder Marine-Shop zu suchen. Bis dahin wird erstmal sehr schnell sehr viel Käse gegessen. Die Chance endlich mal MacnCheese zu machen. Und Käse mit Käse überbacken und so. Ich schmeiß ja keine Lebensmittel weg, nur weil der Kühlschrank aus ist. Obwohl, von dem Thunfischfang konnten wir leider auch nur einen Teil essen. So frisch und roh wie er war. Über den Rest haben sich bestimmt die kleinen Haie gefreut, die schon an der Angelschnur um ihn herum geschwommen sind. 

Wo wir aktuell sind könnt ihr hier verfolgen: 

https://einfachreisen.com/?page_id=1696

Das ist dann natürlich auch aktueller als dieser Text. 

4 Kommentare bei „nach Spanien ohne Autopilot“

  1. Wow! Krasse Geschichten. Und dabei seid Ihr noch gar nicht so lange weg. Was da wohl noch so kommt? Auf alle Fälle ist es sehr spannend, das hier zu verfolgen.
    Alles Gute für Euch !

    1. Danke Bodenfee. Ja. Was da noch kommen mag ist wahrlich spannend. Schön dass du bei der Spannung dabei bist!

  2. Hey ihr zwei,
    was für ein beeindruckendes und schönes Abenteuer! Ich beneide euch und freue mich noch viel mehr. Beide Daumen sind gedrückt, dass alle weiteren Schwierigkeiten gut überstanden werden und ihr viele Momente des Genusses und der Freude habt!

    Danke für die tollen Berichte und diese Ausflüge aus dem Alltag in die Entschleunigung! Es macht große Freude euch zu begleiten!

    Farino

  3. Ich liebe deine Berichte!!!
    Ich bin ab morgen mit der Mein Schiff 4 zwischen den Kanaren unterwegs, hoffte, dass wir uns begegnen, das wird wohl nichts?!?

Schreibe einen Kommentar