Karneval in Mindelo, Kapverden

Mindelo auf São Vicente. Kapverdische Inseln. 15. bis 28. Februar 2023.

Drogenumschlagplatz zwischen Europa und Afrika. Die Bootspapiere werden von der Polizei bis zur Abreise aufbewahrt, auf den Straßen wird man überfallen. Nicht im Dunkeln raus gehen. So ungefähr klang das, was ich von Mindelo gehört hatte.

Irgendwas haben wir was falsch… oder richtiger gemacht. Oder die Zeiten haben sich einfach zum positiven verändert. Wir stehen auf einem dunklen Parkplatz, der mit ein paar Burger Streetfood Wagen bestückt ist, nachts, auf der Suche nach einem Stand der noch was zu essen hat. Uns wird freundlich begegnet. Ein „Hamburgof“ ist in Aussicht. Von weitem dröhnt der letzte herannahende Menschenpulk mit Samba Klängen und Trommeln. Die Menschenmassen stehen noch an den Tribünen die durch die Stadt an den Straßen aufgebaut sind. Es ist Karneval in Mindelo. Ausnahmezustand. Aber unwohl fühlen wir uns auch in dem Gedränge nicht.

Idyllischer Strand von Mindelo

Es gibt einige Verrückte und auch Betrunkene. Aber sie sind immer freundlich, nicht aggressiv und auch beim Betteln nicht zu aufdringlich. Klar wird gebettelt. Oft einfach um ein Sandwich. Mit den paar englischen Sätzen die sie können. Aber gut drauf sind die Meisten. Viele Verrückte gibt es auch ohne Karneval noch.

Schon am ersten Tag quatscht uns einer voll, dass Musik sein Leben ist und der Karneval im Mindelo der beste der Welt. Da wissen wir, dass dürfen wir nicht verpassen. Erst am letzten Tag wird uns mal Marihuana angeboten. Also alles recht harmlos. Nach langer Zeit von Spaniern umgeben fällt hier auf, dass die Menschen nicht nur entspannt sind, sondern auch leise. Wie die Kommunikation an einem überfüllten Streetfoodwagen mit betrunkenen Karnevalisten und den ausgelasteten Damen hinter der Theke funktioniert ohne merklich die Stimme zu erheben ist mir immer noch rätselhaft. Einfach sprechen, die richtige Person filtert schon die für sie wichtige Information heraus, auch wenn man denkt noch nicht bemerkt worden zu sein. Ich pass mich an. Heiko wird während dessen hinter mir von Menschen belagert, die mit ihm reden wollen, Fragen stellen, betteln oder den Bart toll finden. Indem jeder in seiner Sprache antwortet, wird daraus meist ein suspektes, aber unterhaltsames Gespräch. Die Wartezeiten bis zum Essen vergehen meistens so.

Künstler verewigen Musiker

Aber, ein Hamburgof (Hamburger mit Bacon, Ei, Chips oder so) für 2,50€ kann man sich auch nicht entgehen lassen. Das toppt nur noch der Pavillon auf dem Markt. Hier kocht Omi, und auf der Straße steht ein Grill. Einziger Nachteil: Glücksache, was man kriegt. Entweder es ist ein Teller da auf den man zeigen kann oder man liest eines der 3 Gerichte von der Karte vor und lässt sich überraschen was kommt. Hier werden wir beide für 3€ satt. Und sitzen mit dem Pöbel am Tisch. Und es ist auch noch lecker.

Die Menschen sind also lustig, entspannt und wahrscheinlich auch ein bisschen unorganisiert. Zumindest lässt das der Ablauf des Karnevalsumzuges erahnen.

Karnevalsumzüge gibt es mehrere Tage, am Samstag laufen Mandingas durch die Stadt, gruselig, schwarz angemalte Afrikaner, mit Baströckchen und Trommeln. Am Sonntag kommt ein großer Umzug der Samba Schule Tropical. Für den sitzen wir einige Stunden auf einer Mauer, die Stadt ist brechend voll, die Straßen abgesperrt, die Menschen aufgeregt. Die Show ist wirklich beeindruckend, laut, bunt, fröhlich und faszinierend.

Höhepunkt sind am Rosenmontag die Umzüge der verschiedenen Stadtteile, die hier im Wettbewerb laufen. Im 30 Minuten Takt starten sie – geplant. Im 2h Takt enden sie – vermutlich ungeplant. Wir stehen mit tausenden anderen an der abgesperrten Straße. Der erste Umzug lässt schon ne Weile auf sich warten, so eine knappe Stunde später folgt der Nächste. Und dann warten wir und warten. Ganze zwei Stunden später, kommt erst der nächste Umzug und wir erkennen ziemlich schnell, woher die Verspätung kommt, denn der Aufbau auf dem Wagen ist zu hoch und so bleibt ein Sonnenstrahl einer übergroßen Pappmaschee-Sonne immer in den Kabeln hängen, die über die Strasse gespannt sind für die Scheinwerfer. Natürlich ist es nicht so einfach mit einem Besenstil eine Pappmaschee-Sonne hochzuklettern um das Kabel von dort zu entfernen. Wenn das allerdings die ganze Strecke immer wieder passiert ist, erklärt es die Verspätung. Wir haben den Überblick verloren wie viele Stadtteile nun schon vorbei geträllert kamen, auf jeden Fall haben wir genug, auch die meisten anderen Massen und Menschen auf den Tribünen, lösen sich auf. Wir gehen auf Nahrungssuche, denn die Snacks der Muttis vom Straßenrand machen nicht satt (Erdnüsse, Lollies, Bonbons) und als wir dann schon zurück im Hafen aufs Boot klettern sehen wir doch tatsächlich noch einen weiteren Umzug vorbeiziehen – ganze 6 Stunden, nachdem der erste gestartet ist, die spinnen doch. Am Ende haben wir die Gewinner verpasst… Oder aber sie wurden aus Mitleid zu Gewinnern. Denn die Siegerehrung haben wir auch verpasst, nachdem 2h nach Geplantem Veranstaltungsbeginn noch immer nicht alle auf der Bühne standen und durch die von allen Seiten abgesperrte Straßen, auf denen sich die Menschen versammelten, die voll kostümierten Federboah-TrägerInnen (ich habe Ge-gendert, hui!!) durch die Menschenmenge in Richtung Bühne geschoben wurden, wie auch jeder Journalist, hat es uns gereicht. In Deutschland hätte diese Orga wahrscheinlich tagelang für Aufregen in der Presse gesorgt… Irgendwie beschleicht mich das Gefühl, dass wir an einem ganz normalen kapverdischen Karneval teilgenommen haben. Vieleicht einem, mit besonders viel Euphorie, denn auch hier war Corona bedingt 2 Jahre Pause.

Jetzt hab ich viel von dem drumherum erzählt, weil man die Musik, den Tanz und die Kostüme, die nach monatelanger harter Arbeit aussahen, einfach schwer im Worte fassen kann. Alles war gut, die Musik – jede Gruppe hatte ihr eigenes Lied -so eingängig, dass ich noch auf der ganzen Atlantiküberquerung Ohrwürmer hatte. Leider haben wir, außer auf Youbtube nirgends die Handvoll Lieder gefunden, die wir tagelang immer wieder überall gehört haben. Die Kapverden werden auf jeden Fall für immer in Verbindung mit diesen Meldodien, in Erinnerung bleiben. Die Musik ist eingebrannt und das Gefühl einer Musik kann man nicht in reine Buchstaben umwandeln. Also hört mal rein auf YouTube:

https://youtu.be/BlquKYVEqGs

https://youtu.be/CIbMTqLstsU

Sehr viel mehr kann ich über Mindelo nicht sagen, wir haben es fast nur im Karnevalsfieber erlebt. Die Stadt ist sympathisch, wir haben uns sehr wohl gefühlt. Einzig der Lärm durch die ständige Bootsbewegung im Hafen war schlafraubend,. Allerdings mussten wir vom Ankerplatz in den Hafen umziehen, weil der Außenbordmotor unseres Beibootes nur nach Lust und Laune ansprang. Da so starker Wind von Land kam, hätten wir es paddelnd niemals die 700 Meter an Land geschafft. Der Motor war aber meist so nett immer erst auf der Rückfahrt nicht mehr anzuspringen, so dass wir uns in Richtung Celerity treiben lassen konnten, mit einem ständigem Nervenkitzel, das Boot auch zu treffen. Natürlich hatten wir den hintersten Ankerplatz. Wären wir vorbei getrieben, hätten wir kaum ne Chnace gehabt gegen den Wind anzupaddeln und wären abgetrieben. Also ging der Motor direkt am dritten Tag in die Werkstatt und wir in den Hafen.

Mindelo, mit Wrack, vom Wasser aus

Darüber freute sich nicht nur der Anker-Nachbar, der uns gefragt hatte, ob wir am nächsten frühen Morgen, wenn er zur Atlantiküberquerung aufbricht, umankern können, weil er keinen Motor hat und drohte auf uns drauf zu treiben beim Start. Also nicht nur ihm taten wir einen Gefallen, sondern auch dem Fährmann. Denn die Fähre die mehrmals täglich zur Nachbarinsel rüber fährt, hupte morgens um 7 und deutede uns nachmittagsan, dass wir doch zu sehr in der Hafeneinfahrt ankerten und Platz machen sollten. Eine Win-Win-Situation für alle, außer unseren Geldbeutel natürlich. Und unseren erholsamen Schlaf. Denn der war damit auch gestört. Die Geräusche im Bug waren so unterträglich, dass wir irgendwann das Bett im Wohnzimmer Aufbauten und dafür auf den Tisch verzichteten.

Die Fährfahrt zu der Nachbarinsel ließen wir uns auch nicht entgehen und ließen uns auf Santo Antao einen Tag von einem Fahrer namens Erick durch die Berge und an die Hauptsehenswürdigkeiten bringen. Erick war nicht der sympathischste und motivierteste, aber die einzige grüne der kapverdischen Inseln, war wirklich sehenswert. Wir liefen durch einen Krater, fuhren an tiefen grünen Schluchten vorüber und bewunderten die Nebelschwaden, die durch die Berge zogen. Erick konnte leider nicht so richtig verstehen, dass wir, anders als andere Touristen nicht überall anhalten und Fotostops machen wollten, sondern uns einfach, ohne zehntausend Bilder, die Landschaft anschauten und gern mal ein Stück zu Fuß gingen. Wahrscheinlich müsste man viel mehr Zeit für diese Insel einplanen, denn sie machte Lust die grünen Berge per Wanderweg zu erkunden. Aber wir hatten ein anderes Ziel vor Augen: wir wollten endlich aufbrechen in die Karibik. Dort wird es auch viele Inseln zum Bewundern und Bewandern geben.

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