Nichts. Bis auf das gelegentliche plätschern des Wassers unserer Bugwelle und dem summen des Motors gibt es ringsum nur schwarze Nacht. Das Sternenzelt oben ist größtenteils bedeckt. Es ist nicht auszumachen wo der Horizont ist, das Schwarz des Ozeans geht in ein schwarz des Himmels über. Neben dem Boot glitzert das Wasser – phosphorisierendes Plankton und ab und zu auch leuchtende Fische. Magisch. Ein leuchtend pulsierendes Exemplar haben wir gestern um die Zeit an der Angel gehabt. Ein Tintenfisch. Hübsch. Und lecker.
In einer Stunde geht der Mond auf und taucht den Atlantik in ein ganz anderes Bild. Dann sieht man die Wellen leuchtend anrollen. Kommt aber noch lange nicht an den kitschigen Sonnenuntergang von vorhin heran. Während hinter uns ein Regenbogen den Himmel bemalt und vor uns Steuerbord die Sonne phänomenal ins Meer abtaucht springen überall Flecken-Delfine durch die Gegend, schwimmen um unseren Bug und lassen sich rücklings in die Wellen klatschen. Dieses Schauspiel toppt nur noch, dass ab und zu eine portugiesische Gallere vorbei “gesegelt” kommt. Das sind lustige (und sehr giftige!) Quallen, die mit einem rosa Irokesen auf der Wasseroberfläche herumtreiben. Sehr putzig.
Die Wellen sind seicht und das Bootsleben perfekt. Fast. Bis auf eine winzige Kleinigkeit die fehlt: Wind! Bis zum Mittag haben wir noch mit schlagenden Segeln gekämpft. Seit Stunden brummt der Motor, die Fahnen hängen schlaff herunter und wir haben gerade erst Halbzeit auf dem Weg zu den Kapverden. Unser Tank auch. 400 Seemeilen in beide Richtungen.
Leider wird sich das auch die nächsten beiden Tagen nicht ändern. Am fünften Tag ist kaum zu glauben, dass wir uns auf dem Atlantik befinden. Spiegelglatte See. Kein Lüftchen. Prinzipiell ja schön. Wir genießen die Ruhe auch, aber so kommen wir natürlich nie auf die Kapverden. Also probieren wir ein Leichtwindsegel (Blister) aus, selbst das bleibt gerade so stehen, aber wir bewegen uns damit ein bisschen, so Tempo „am Strand entlangschlendern“ – und es sieht hübsch aus das bunte Tuch.
Irgendwie verfolgt uns das mit der Windlosigkeit ja schon die ganze Reise. Und das obwohl sowohl der hier vorherrschende Passatwind als auch die Vorhersage anderes versprechen. Naja, da kein Sturm mehr in Sicht ist, haben wir keinen Stress. Und die ersten beiden Tage nach Abfahrt auf La Gomera, waren auch von schönem Wind und großen Etmalen geprägt – heißt wir sind an einem Tag 95 Seemeilen gefahren, dass ist schon fast Rekord (der liegt bei 97sm).
So ist das, wenn man mit dem langsamsten Verkehrsmittel der Welt unterwegs ist. Hatte ich schonmal erwähnt, dass uns der Bootsname „Celerity” auch deswegen so gut gefiel, dass wir ihn behielten, weil es ein altes englisches Wort für „Geschwindigkeit“ ist. Ich mag Ironie!
Zeitsprung: 48h später, es ist der Neunte Tag auf See. Ich sitze, zur Einstimmung auf unser nahenden Zieles, bei portugiesischer Musik im Cockpit. Die Sonne brennt, der Wind fegt mit über 20 Knoten übers Meer. Von hinten kommen 3 Meter hohe Wellen mit weißen Schaumkämmen angerollt und bringen Celerity zum Surfen. Ich genieße die Rauschefahrt. Bei der Talfahrt hatten wir bereits Rekordverdächtige 7 Knoten erreicht. Die Genua ist seit einer Stunde gerefft, weil wir sonst bereits heut Nacht auf den Kapverden ankommen und wir wollen gern im Hellen vor Mindelo ankern. Da ist er also, der Wind, der uns tagelang gefehlt hat. Die wilde Fahrt durch die Wellen ist berauschend, das Geschaukel aber auch sehr nervtötend. Die Wellen sind Atlantik-Dünungs-untypisch eher kurz und steil. Jede vierte Welle trifft uns von der Seite, Gischt spritzt übers Deck während das Wasser ans Boot knallt und Celerity zur Seite wirft. Besonders im Bootsinneren ist das ein kurzer Moment der Schwerelosigkeit. Hier fühlt man Massenträgheit am eigenen Leib. Das strengt an, denn immer eine Hand an einem sichereren Griff ist unabdinglich. Daran erinnert mich auch immer noch mein schmerzender Hintern, der am ersten Tag, als ich noch nicht im Achterbahn-Modus war, Bekanntschaft mit dem Tisch gemacht hat.
Etwas, was besser auf den Tisch passt, zappelt während dessen an unserer Schleppleine. Kurz bevor wir die Kapverdische und gelbe Flagge gehisst und Land in Sicht haben, beißt auch noch eine hübscher gelb-blaue Goldmakrele an und bereichert unseren Tisch am Abend mit festem, grätenfreien Fleisch.
Auch Celerity übt sich im Fischfangen. Die letzten Nächte finden wir diverse Fliegende Fische auf dem Deck rumliegen, die auf der Flucht aus dem Wasser wohl leider in unser Cockpit gesprungen sind.
Natürlich keine Etappe ohne Verluste und neuen Baustellen. Diesmal: die Navtex-Antenne auf dem Besanmast fällt fast ab. Fast heißt, die Halterung ist ab und die Antenne schwingt lustig an ihrem Kabel hin und her. Natürlich geht keiner von uns bei dem Geschaukel und hunderte Seemeilen von Land entfernt, in den Mast. So wichtig ist das Navtex, womit wir Navigations- und Wetterwarnungen in Textform erhalten, auch nicht. Und die Antenne funktioniert noch.
Nicht mehr funktionieren tut hingegen die Drohne. Heiko nutzt die Windarmen Momente um Summi mal vom Boot aus starten zu lassen. Heikle Sache, bei den vielen Strippen und Wanten. Aber irgendwann muss man sich mal trauen. Naja, in unserem Fall genau einmal. Ich höre Summi starten, dann ein metallisches „Wums“ und ein menschliches „Uups“. Summi ist schon in den Tiefen des Atlantiks untergegangen, bevor ich verstehe, dass die Drohne tatsächlich kurz nach Start gegen ein Stahlseil geflogen ist, weil nicht schnell genug vom Boot weg gekommen. Ups.
Und so kommen wir also nach den knapp 10 Tagen Überfahrt pünktlich zum Sonnenaufgang, mit ein paar blauen Flecken und ein paar kleineren Baustellen, zufrieden und gesättigt, an unserem nächsten Ziel an. Wir sind gespannt, wie die Kapverdischen Inseln so sind.
Summi
Meine Summi und ich trauern mit euch
Schön, dass ihr gut angekommen seid auf den Kap Verden! Arme Summi! Die taucht jetzt mit den Delfinen 😉
Das erste Bild, wie genial ist das bitte!?!!
Richtig gut geschossen (und all die anderen natürlich auch ).
Die Portugiesische Galeere- da musste ich doch gleich mal googeln und sie erinnerte mich dann sofort an einen Irokesenschnitt beim Punker
Bin gespannt auf euren Bericht von den Inseln, habt eine schöne Zeit dort!!!
P.s.
Seit ich ‚den (Herrn) Wind‘ kenne, muss ich Sätze mit diesem Wort immer zwei Mal lesen: is jetzt der Wind oder deeer (Herr) Wind gemeint!?!