Ich würde sagen in 2020 hat mich der Harz gerettet. Der Norden Deutschlands ist flach. Erhebungen selten, weite, flache Felder gibt es viel. Auch schön. Aber nachdem ich einmal die Berge für mich entdeckt hatte, war die Sehnsucht nach Gipfeln immer größer und das nächste Gebirge der Harz. In den ich mich inzwischen schwer verliebt habe. Daher nun dieser folgende Liebesroman:
Der Zug nähert sich Goslar, am Horizont zeichnet sich allmählich die Silhouette der Berglandschaft ab, Nebelschwaden hängen über den Feldern, während langsam im Osten die Sonne aufgeht. Von Hannover im Sonnenaufgang Richtung Osten zu fahren ist immer wieder schön. Im erixx hab ich inzwischen meinen Stammplatz. Ganz vorn, am Fenster, rückwärts, so dass du der Landschaft hinterher gucken kannst, wie sie an dir vorbeizieht. Vorfreude auf den Tag hängt in der Luft, der Rucksack neben mir routiniert gepackt, das Harzer Wandernadel Stempelheft mal wieder unroutiniert vergessen. Zeit für ein Frühstück, auch das inzwischen routiniert über Nacht das selbst gemacht Birchler Müsli ziehen lassen als perfektes Wanderfrühstück. Während dessen überlege ich mir schon, wann ich die bevorstehende Tour wiederhole, um meine Stempel nachzuholen, die ich heute nicht abhaken kann.
Das Prinzip der Harzer Wandernadel ist bei mir voll aufgegangen – ein Stempelheft mit dem man an 222 Stellen im gesamten Harz stempel sammeln kann. Da die Auswahl an Wanderwegen so enorm ist, erleichtert dass die Routenplanung ungemein. Ziel aussuchen und schauen welche Stempelstellen auf dem Weg liegen – dafür helfen Apps wie Harz Helper. Die Stellen, wo diese grünen Kästen aufgestellt sind, in denen sich ein Stempelkissen und ein Stempel mit der Brockenhexe und der jeweiligen Nummer des Ortes befindet, führen oft an unbekannteren Strecken vorbei, womit der Tourismus im Harz sich ein wenig entzerren soll. Und diese Wege sind meist einfach wunderschön. Das stempeln weckt einen gewissen Ehrgeiz und man hat immer ein paar Etappenziele auf dem Weg. Auf einer Tour habe ich es schon mal auf 7 Stempel geschafft, und dafür geht man auch nochmal einen kleinen Umweg.
Der Harz ist extrem vielfältig, von den höchsten Gipfeln Brocken und Wurmberg mal abgesehen, sind ringsherum gefühlt endlose Flächen Wald. Ein Teil mit dichtem, immergrünen Fichten-Nadelwald, ein anderer mit Mischwald und inzwischen viele Ecken an denen man mystisch anzusehende abgestorbene Baumstümpfe sieht – ein großer Bereich der Nadelbäume im Harz ist der Trockenheit oder dem Borkenkäfer zum Opfer gefallen. Und da man in einem Nationalpark nicht eingreift, lässt man die Natur das selbst Regeln. Auch wenn es weniger Bäume sind- auch diese Landschaft hat etwas zu bieten. Wenn die Nadelbäume absterben und knochiges Holz hinterlassen, kommen neue, frische Bäume nach, teils wird auch aufgeforstet, mit Laubbäumen, die auf Klimaveränderungen und mit der Erderwärmung besser klarkommen und den Borkenkäfer nicht interessieren. Stirbt der deutsche Nadelwald aus?
Die Chancen stehen gut, dass der Wald sich selbst reguliert, übrig bleiben die Bäume, die gesund und kräftig genug sind um dem Borkenkäfer standzuhalten und tief genug Wurzeln um immer häufigere Dürren zu überstehen.
Die Baumlandschaft wird sich also auch im Harz verändern und tut das schon.
Um so mehr muss man den die aktuelle Natur genießen und dabei immer Rücksicht auf sie nehmen. Wie erwähnt gehe ich gern, die unausgetretenen Pfade, aber niemals abseits der Wege, denn der Nationalpark muss auch seinen Raum haben, in dem er sich, ohne menschliche Fußtritte, frei entfalten kann.
Außerdem reise ich meist mit öffentlichen Verkehrsmittel an. Das ist im Harz tatsächlich sehr gut machbar, denn sowohl die Bahnanbindung aus z.B. Hannover und Braunschweig nach Bad Harzburg und Goslar, ist super und diverse stündliche Buslinien führen in den Harz hinein, so dass man direkt ab den Haltestellen loswandern kann. Auch hier ist die wander-App Komoot bei der Tourenauswahl und der Filterung auf „Startpunkt-öffentlicher Nahverkehr“ hilfreich.
Ankommen, loswandern, genießen.
Der Harz hat neben den erwähnten Wäldern und Gipfeln, auch noch eine ganze Menge Seen, teils auch große Talsperren zu bieten- immer ein gutes Zwischen- oder Umrundrungsziel. Und auf dem Weg dorthin kann man sich am Wege parallel kleiner Bachläufe, halten. Neben diesen sanft vor sich hinplätschernden Wasserläufen entschleunigt der autolärm-geplagte Städter noch einmal schneller. Und man wird immer wieder gezwungen stehenzubleiben, der Stille und dem Plätschern zu lauschen und inne zu halten.
Mag man es etwas rauschender, lädt die Oker auf eine spritzige Wanderung ein. Enlang des Flusslaufes kann man vom gleichnamigen Ort das abwechslungsreiche Okertal entdecken. Hier begegnet man auch schon mal Wildwasserraftern in den Stromschnellen und Kletterer an der Marienwand. Also für jeden was dabei. Auch der Klettersteig-liebhaber kommt im Harz auf seine Kosten: ob am Ottofelsen oder den Adlerklippen (ebenfalls Okertal) – hier dürfen auch mal die Hände mitarbeiten.
Wer es entspannter mag, dem ist auch der romantische Liebesbankweg um Hahnenklee zu empfehlen- hier ist es allerdings vorbei mit den unausgetretenen Pfaden, dafür kann man ihn auch als Spaziergang verkaufen, für Menschen, die sich wandern verweigern.
Der Harz hat also rundum für jeden was zu bieten, ob Spaziergänger oder harte Trekking-Touren, ob große Seen oder kleine Teiche, ob Moorlandschaften, Nadelwald oder Buchenhaine – ein Ausflug in das höchste Gebirge Norddeutschlands lohnt immer.
Die Natur entschleunigt besser als jede Yogastunde und Bewegung an der frischen Luft tut immer gut. Und für den Winter: hier liegt auch schneller mal Schnee als sonst wo in Nordeutschen Flachland. Also: geht doch mal das gute deutsche Mittelgebirge entdecken!