Behördenkram

Mir stehen die Schweißperlen auf der Stirn, obwohl die Klimaanlage in dem kleinen Raum der Zoll- und Einwanderungsbehörde auf 17° gestellt ist. Ich springe zwischen den beiden Stühlen der Beamten hin und her, weil jeder irgendetwas von mir haben will. Es ist ein Samstag, eine halbe Stunde vor Schließung des Büros. Die Dame wollte trotzdem gerade Feierabend machen und ist mal so gar nicht ammused nun noch jemanden abfertigen zu müssen. Ruppig und scharf sind ihre Ansagen. Dass sie sich in das System nicht einloggen kann, wo ich meine Daten bereits digital angegeben habe, ist ja nicht mein Fehler. Aber wohl nun mein Problem. Aber sie spielt ihre Macht aus und lässt ihre Laune an mir aus. Ich schreibe 5x die selben Daten auf verschiedene Zettel, nur damit sie all diese Daten kurz danach anfragt, um in den Computer zu tippen. Zwischendurch stellt mir der Typ hinter dem anderen Schreibtisch auch noch Fragen. Dass er mit mir spricht, kann ich immer nur erraten, weil er während dessen die ganze Zeit ein Handy am Ohr hat und mit jemandem redet. Wenn ich merke dass er mich anspricht, wechsel ich also auf seinen Stuhl, wo er mir Unterlagen gibt, die ich wiederum der gutgelaunten Dame am ersten Stuhl übergebe. Mit der Kreditkarte kann ich nur einen Teil der Gebühr zahlen. Den Wochenendaufschlag, den sie sich wahrscheinlich in die Tasche stecken, muss ich bar zahlen. Ich erkläre ihr, dass der einzige Geldautomat des Ortes leider kaputt war, ich aber in US Dollar und Euro zahlen kann. Negativ. Also schicke ich Heiko, der draußen wartet, los, im Supermarkt nebenan Geld zu wechseln. Es ist der schlechteste Kurs der Welt. Natürlich.

Carriacou und Sandy Island

Während dessen soll ich etwas unterschreiben. Ihren Stift zieht sie weg mit dem Kommentar „haben sie keinen eigenen?“. Natürlich. Ich gehe also zum Stuhl Nummer 2, wühle den Kuli aus meiner Tasche, lege den Zettel auf eine Unterlage, um zu unterschreiben. Das darf ich auch nicht. Also Zettel auf dem Tisch unterschreiben. Wie jeder weiß, geht das nicht so schön. Die krakelige Unterschrift ist kaum zu lesen und dann fragt sie doch tatsächlich „ist das Ihr Ernst?“. Ich bin ratlos. Male noch ein paar weitere Male meine Unterschrift ein bisschen schöner nach und versuche meinen Frust zu verbergen. Sie sitzen am längeren Hebel. Ich brauche einen Stempel. Also versuche ich gute Miene zu machen und die Freundlichkeit in Person zu sein. In mir kocht es. Nach ner halben Stunde, meines Erachtens immernoch innerhalb der Öffnungszeit, habe ich es überstanden, alle nötigen Stempel beisammen und wir sind offiziell in Grenada eingereist. Ich bin völlig fertig und vorallem völlig fassungslos über solche Frechheit. Den Rest des Tages rege ich mich darüber auf. Auch wenn Ich weiß, dass es nichts bringt. Und auch obwohl ich weiß, dass dies eine Ausnahme gewesen ist. Alle anderen Kontakte mit Behörden, davor und danach, verliefen freundlich und entspannt. Aber das ist ja nicht so spannend im Detail aufzuschreiben 😉

Viele Stempel.

Behördengänge gehören zum Seglerleben dazu. Zwar sind es einfach zwingende Notwendigkeiten, aber meistens ist es ganz spannend, man lernt direkt etwas vom Land, der Kultur und kommt mit den Einheimischen in Kontakt. 

Jeder, der schonmal ins außereuropäische Ausland gereist ist kennt das Prozedere am Flughafen nach der Ankunft:

Man stellt sich einmal in die lange Schlange an der Passkontrolle, um sich einen Stempel abzuholen. Danach geht man mit seinem Gepäck einmal durch den „nichts zu verzollen“-Bereich und versucht möglichst unauffällig und schnell an den kritisch blickenden Beamten vorbei zu kommen, damit man bloß nicht rausgezogen wird, weil man vielleicht doch einen Liter Schnaps zu viel im Koffer hat. 

Ausblick von Carriacou auf Petit Martinique

Wenn man mit seinem gesamten zu Hause irgendwo anlandet, merkt das ja erstmal keiner. Deswegen muss man selbst aktiv werden um nicht illegal im Land zu sein. 

Mit einem Boot heißt das „Einklarieren und Ausklarieren“. Reist man in ein Land ein, indem man irgendwo im Landesgewässer seinen Anker fallen lässt, oder sonstwie festmacht, muss man unverzüglich zum „Customs“ und „Immigration“ – Zoll und Einwanderungsbehörde also. Diese befinden sich nicht auf jeder kleinen Insel, aber auf den meisten “größeren“, die am Nord- und Südende des Landes liegen, weil dort die Meisten ins nächste Land ausreisen. Das „größer“ setze ich in Anführungszeichen, weil zum Beispiel die „große“ Insel Union Island gerade mal 3000 Einwohner auf 8 Quadratkilometer hat. Aber wesentlich größer als das benachbarte „Mayreau“ mit nur 271 Menschen auf 1,2 Quadratkilometern.

Und noch ein Stempel in den Pass. Mit Bootsamen.

Union Island beispielsweise, ist eine der südlichsten Inseln von „St Vincent und die Grenadinen“, kurz SVG. Direkt gegenüber, in Sichtweite, keine 6km entfernt, liegt „Carriacou“, was schon zu Grenada gehört. Ganz im Norden von SVG liegt die Hauptinsel St Vincent, wo wir uns zu gegebener Zeit wieder abmelden müssen um ins Nachbarland „St Lucia” zu fahren. Im Pass haben wir ein halbes Jahr Aufenthaltsgenehmigung. Das sollte reichen. Also, besonders in der Karibik ist man schnell mal beim Inselhüpfen von einem Land ins nächste gefahren, auch wenn es in Sichtweite liegt. Deswegen muss man sich auch immer über die Einreisebedingungen- und Möglichkeiten informieren.

Wir sind nun also, nach einem halben Jahr in Grenada, zum Ausklarieren in Carriacou vorstellig geworden. Diesmal nett und freundlich. Haben einen Zettel vom Zoll erhalten, dass wir ausgereist sind und einen Ausreisestempel im Pass. Meist hat man nach dem Behördengang 24h Zeit das Land zu verlassen. Am nächsten Tag wird also einmal 2 Stunden nach Norden gesegelt und nach dem Ankern in den Hauptort, zum einklarieren, gelaufen. Damit wir das alles entspannt während der Öffnungszeiten schaffen, sind wir extra um 6 Uhr aufgestanden. 

Union Island

Dort erhalten die gut gelaunten Zollmädels den Zettelkram aus Carriacou, drucken neue Dinge, wollen ein paar Unterschriften, ein bisschen Geld und stempeln fleißig. Im Nachbarbüro gibts noch einen Einreisestempel im Pass. Fertig. Einklariert. Jetzt gehts zurück zum Boot, Flagge wechseln. Nachdem wir das Gewässer von Grenada verlassen hatten, haben wir die (schon total verschlissene) Grenada-Flagge nämlich ganz vorbildlich gegen eine gelbe Flagge ausgetauscht. Die Quarantäne-Fahne sagt soviel wie „ich bin gesund und möchte hier einreisen“. 

Ist man offiziell eingereist, darf man die neue Gastlandflagge hissen. Auch das grün-gelb von SVG sieht sehr hübsch aus unter Steuerbord-Saling. Genau, es gibt auch Vorschriften an welchen Stellen am Boot welche Flagge gefahren wird, damit das eindeutig ist. Auf der Steuerbordseite (rechts) neben dem Mast, unter der Saling – Das ist eine Querverstrebung, die die Wanten stützen, welche wiederum den Mast aufrecht halten. 

Die Flaggensammlung der besuchten Länder schmückt unser Boot

Die Heimatflagge hängt hinten am Boot, damit man weiß wo das Boot registriert ist. Ist nicht bei allen die Heimat. Wir haben gelernt, dass viele Südeuropäer oft eine polnische Registrierung haben, weil man das in Polen ohne Auflagen machen kann, in Spanien an die Registrierung eines Bootes utopische Sicherheitsanforderungen gebunden sind. Kreativ. Bei uns hängt die deutsche Flagge, auch schon total verschlissen, aber noch ein paar auf Vorrat dabei. Am Heck von Celerity steht auch Hannover. Alles also ganz kartoffelig vorschriftsmäßig.

Nici beim steuern. mit Deutschlandflagge

So das war mal ein Ausflug in den normalen Segleralltag, zu dem mehr Behördengänge gehören, als ich jemals in Deutschland absolviert habe. Aber, es kommt immer auf die Einstellung an. Es gehört dazu, es ist spannend und wir haben die Zeit dafür, auch wenn man dafür mal extra früh aufsteht. Auch nicht schlimm, wenn man einfach grundsätzlich ausgeschlafen ist. 

Manche unbewohnten Inseln sind auch nicht mehr als ein Streifen Sand

Beim nächsten Mal werde ich also sicher etwas über die traumhafte Inselwelt der Grenadinen berichten können.

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Hier könnt ihr unserem Boot folgen und unsere Route mit allen Beiträgen unter „show journey“ sehen:



Ein Kommentar bei „Behördenkram“

  1. „Nicht aufregen“ ist das Motto dieses Jahres. – Ich freu mich grade für Euch.

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