Pazifiküberquerung zweiter Teil

Windstille, Wellen, warten… und wie man sich darauf vorbereitet

Oktober 2025

Was bisher geschah, liest du hier: Pazifik – Hart am Wind – Der Kampf gegen Wind und Wellen

Die vierte Woche auf See ist angebrochen. Es ist Nachmittag in unserer Zeitzone. Der Himmel strahlend blau, die Sonne knallt, das Meer glitzert tiefblau und wir schauen zu wie die GPS Position von 0°Nord auf Null Grad Süd wandert. Das war’s. Wir haben den Äquator überquert. Jetzt ist Frühling statt Herbst. Mit einem Schnapsglas Jägermeister stoßen wir an und auch Neptun kriegt einen Kräuter, damit er nicht böse wird. 

Natürlich haben wir auch bei diesem Moment zwei federne Begleiter auf dem Bugkorb sitzen. Für sie gibts keinen Schnaps. Es blieb auch unserer einziger Alkohol in den zwei Monaten auf See.

Jägermeister zur Äquatortaufe

Auf der Südhalbkugel gehts mit den Zahlen wieder bergauf. Allerdings nur bei den Koordinaten, nicht bei der Geschwindigkeit. Denn leider gehts erstmal noch langsamer voran. Mehrere Tage stecken wir in einer Flaute und treiben statt zu segeln, mit leichter Strömung, wenigstens in die richtige Richung. 

Immerhin bekomme ich dadurch die Chance mir einen verrückten Traum zu erfüllen: 

Ich möchte mitten auf dem Ozean, in über 4000 Meter tiefem Wasser, schwimmen gehen! 

Das Boot macht keine Fahrt, die Wellen sind nicht sehr hoch. 

Das Wasser ist nahezu spiegelglatt, glasklar und tiefblau. Ich bin ein bisschen nervös, kontrolliere vorher das Wasser auf Quallen, Nesseltierchen, große Fische oder Seeungeheuer. Dann binde ich mir ein Seil um klettere die Badeleiter herunter. 

Es ist kalt. Es ist aufregend. Es ist toll!

Ich werde mutig und lasse kurz die Leiter los, tauche einmal unter und öffne die Augen. Ich bin gerade tausende Kilometer von jeglichem Land entfernt, nach unten und in alle Himmelsrichtungen. Es ist wahnsinnig klares Wasser. Ich schaue unser Boot von unten an und, wenn ich schonmal hier bin, kratze ich auch die Schnecken von Ottos Ruder ab. CELERITY ist ringsum mit langhalsigen Entenmuscheln bewachsen, aber das lässt sich jetzt nicht ändern. Sollen eine Delikatesse sein, wurde uns per Satelliten-SMS mitgeteilt. Wir werden sie nicht ernten. 

Erfrischt im 22°C kalten Wasser komme ich glücklich wieder an Bord. Keine bösen Begegnungen.

Traum erfüllt: ich war baden

Was für Monsterfische hier manchmal rum schwimmen, merken wir an unserem Angelköder: ziemlich schnell sind die Gummi-Köder angeknabbert. Das glitzernde Röckchen der Octopussi hat bald keine Fransen mehr. Ein Fang beißt einfach die robuste Leine durch und auch der Haken ist öfter mal verbogen… und das braucht schon ordentlich Kraft!

Denn mit diesem Haken holen wir auch einen zwölf Kilo schweren Mahi Mahi an Bord. Der sieht furchteinflösend aus, liefert aber 128 Zentimeter grätenfreies butterweiches Fleisch. Gut dass der Kühlschrank sich inzwischen etwas geleert und Platz geschaffen hat. Mehrere Tage gibt Doraden-Steak, Fischfilet und Fischcurry. 

Links der Köder, rechts der Mahi Mahi: Lebend und zerteilt

Immerhin eine Freude an Bord, denn der Blick aufs Navi ist weiterhin frustrierend. Nach unserem Rekord-Etmal von 114 Seemeilen während der Nordäquatorialströmung, schaffen wir jetzt nur um die 40 Seemeilen am Tag.

Und so ziehen sich die Tage zäh wie Gummi. Die Wellen so hoch, dass das Segel im Geschaukel nicht stehen bleibt. 

Oft müssen wir es einholen, um keine Beschädigung zu riskieren. Das krachen eines 30 Quadratmeter großen Plastiklappens, wenn er zusammenfällt und dann mit Wucht aufgespannt wird ist nicht nur nervig. Nein, der Ruck der dabei immer über das Vorstag auf den Mast übertragen wird und das ganze Boot erzittern lässt, geht mir jedes Mal unter die Haut. Es tut körperlich weh und ist für die Gesundheit des Bootes mit Sicherheit nicht gut. Also wird das Segel reingeholt, wenn der Wind nicht stärker ist als die Wucht der Wellen.

Immer wieder macht uns der Wetterbericht Hoffnung auf mehr, aber der scheint hier draussen auch nicht mehr so zuverlässig zu sein. 

Immerhin ist die graue Bewölkung, einem strahlend blauen Himmel gewichen, seit wir in Äquatornähe sind.

Während die Tage also herrlich strahlend sind und die Nächte uns spektakulären Sternenhimmel bescheren, so ist das vorankommen trotzdem weiter ernüchternd. 

Aus unerfindlichen Gründen, bin ich trotzdem durch und durch gut drauf. Ich fühle mich nicht gelangweilt, habe meinen Bewegungsdrang gut unter Kontrolle, bin ausgeschlafen und rundum zufrieden.

Der ständige Blick auf die Wellen: sehr meditativ

Die meisten Fragen die ich in Deutschland gestellt bekommen haben, drehten sich genau darum: was macht man eigentlich so lange auf dem Wasser? Wie hält man das so lange autark aus? Das hab ich mich vorher auch gefragt.

Nun, das was man auf dem Boot macht, ist eigentlich einen langweiligen Alltag bestreiten, den man nach Belieben mit Müßiggang füllen kann. Dass sieht wahrscheinlich bei jedem anders aus, selbst bei uns beiden sieht der Tagesablauf sehr unterschiedlich aus. Glaube ich zumindest… denn um ehrlich zu sein, sehen wir uns nicht so oft. Ungefähr zehn Stunden verbringt jeder von uns im Bett, während der andere Wache hat. Bleiben also nur vier Stunden gemeinsame Zeit. In die wir auch alles stecken, was an Deck geschieht, denn keiner verlässt das Cockpit allein. Der Grund: wenn was passiert oder man ins Wasser fällt, kriegt der andere es nicht mit. Keine Chance jemanden wieder zu finden im Ozean.

Also machen wir unsere regelmäßigen Decksrundgänge und Segelwechsel, Vogel verscheuchen oder Kacke wegputzen in dieser Zeit. Und ich bestehe auf eine gemeinsame Mahlzeit. 

Die zehn Stunden, die ich allein wach bin, verbringe ich sehr viel mit „Haushalt“. Zu keiner Zeit meines Lebens habe ich mich so viel mit Rezepten und kochen auseinandergesetzt. Ich überlege wie ich mit den wenigen verbliebenen frischen Produkten klug haushalte und leckere Kombinationen mit Dosenprodukten zaubern kann. Ich übe mich darin, eine möglichst abwechslungsreiche Ernährung zustande zu bringen und probiere mich viel aus. Backe Brot und Kuchen, probiere verschiedene Rezepturen und experimentiere mit Gewürzen.

Kuchen, Brot, Pizza – an Bord wird fleißig gebacken

Viel kochen produziert viel Abwasch. Der wird in einer Schüssel mit Salzwasser auf dem Boden des Cockpits erledigt. Hockend, um nicht umzufallen. Genauso wie das Duschen: Eimer über Bord, Salzwasser übern Koipf. Da man bei dem ganzen Spaß auch ordentlich Balance halten muss und meistens eine Hand zum festhalten braucht, nehmen all diese Übungen deutlich mehr Zeit in Anspruch als an Land. 

Und es schaukelt reichlich. 

Wir hatten gehofft dass das irgendwann besser wird, wenn die Welle mal von hinten kommt. Aber der Pazifik ist nicht so regelmässig in der Dünung wie wir das aus dem Atlantik kennen, wo Wellen mehr Fahrstuhl fahren waren. Im Pazifischen Ozean kommen sie meist aus mehreren Richtungen. Und Wellen von der Seite, besonders in Kombiantion mit kreuzenden Wellen von hinten, sorgen für rollen. Hin und her und auf und ab, manchmal ruckartig, selten regelmäßig. 

Natürlich gewöhnt man sich daran. Es nervt trotzdem tierisch. Zur Hornhaut an den Handflächen gesellen sich blaue Flecke an den Hüften.

Da ich in vier Stunden meine Wörter, die eine Frau so am Tag zu verbrauchen hat, nicht alle loswerden kann, schreibe ich viel. Mein Buchprojekt nimmt Gestalt an. Nachdem ich ausgiebig eine Stunde am Vormittag mit einer Tasse Kaffee auf die Wellen gestarrt habe und munter geworden bin, sitze ich mit meiner Funktastatur auf dem Schoß im Cockpit. Das IPad als Bildschirm liegt im Schatten… mit einer Tüte Gegen Spritzwasseregeschützt. Nicht das bequemste, aber die beste Aussicht. 

Schreiben im Cockpit (auch diese Worte hier)

Gegen den Bewegungsmangel funktioniere ich die anderthalb Quadratmeter Holzfussboden im Salon regelmäßig zu einem Yoga- und Sportstudio um. Und ab und zu wird auch die Musik aufgedreht und im Rhythmus der Wellen gesurft.

Das Mini-Yoga-Sportstudio

Die Vorstellung die lange Überfahrtszeit zum erlernen eines Musikinstrumentes zu nutzen, war leider völlig vermessen. Wir haben eine Gitarre, eine Flöte und eine Mundharmonika an Bord… für alles braucht man einen Aufrechten Sitz bei zeitgleicher Nutzung beider Hände… keine Chance dabei nicht umzukippen. Stattdessen bestimmen Musik, die andere gemacht haben (da klingt das dann auch besser) Hörbücher und Literatur unseren Alltag. Wir haben zum Glück auch vorgesorgt und ausreichend MP3-Material offline, den wir nach Ablauf der dreissig Tage Spotify-Nutzung abspielen können. Denn leider schaltet Spotify auch den zahlenden Kunden die Offlinenutzung nach einem Monat ab, wenn nicht Online geprüft werden kann, ob das Abo noch besteht. Auch mit Offline Karten- und Destinations-Material haben wir uns versorgt um uns auf die Ankunft in der neuen Welt vorzubereiten. Das ist nur ein Bruchteil der Dinge, die zur Vorbereitung einer solchen langen Passage gehören. Und die Vorbereitung für den Pazifik zog sich über eine sehr lange Zeit.

Schon Monate vorher, in Kolumbien, waren wir an Land um das Boot auf Vordermann zu bringen. Seeventile tauschen und alles erneuern was es unter Wasser zu wechseln gibt. Wir rüsteten auf was das Budget hergab und reparierten was kaputt gehen könnte. Wir überholten den Motor, checkten alle Segel, kauften Ersatzteile für alles was uns einfiel. Genug Zündkerzen, Impeller, Schäkel, Filter. Jegliche Öle, Fette, Schmiermittel. Wir statteten uns mit neuen Gasflaschen aus und stockten die Benzin- und Diesel-Kanister auf. Denn es gilt nicht nur, die wochenlange Überfahrt zu überstehen, sondern auch über ein Jahr in einer der abgelegensten Regionen dieser Erde zu überdauern. Der Zugang zu Ersatzteilen wird schwierig. 

Die Marquesas werden nur alle paar Wochen mit einem Schiff von Tahiti versorgt. Alles, was nicht vor Ort produziert wird, gelangt alleinig auf diesem Weg dorthin. Deswegen bunkerten wir auch Lebensmittel und Haushaltswaren für mehr als eine zweimonatige Überfahrt. Denn die Auswahl wird beschränkt sein und die Preise horrend. 

Jegliche Ecke wurde vor der Abfahrt vollgestopft mit Lebensmitteln, Seife, Spülmittel, Medikamenten und Batterien. Ein Corona-Prepper würde feuchte Augen bekommen, bei unserem Toilettenpapiervorrat.

Zu guter letzt in der Überfahrts-Vorbereitung sitze ich im Boot, umgeben von Leuchtraketen, Medikamenten und Zipperbeuteln und schreibe eine Liste fürs Überleben. Für den worst case. Und denke dabei: in keinem Moment meines  früheren Landratten-daseins habe ich mich je so intensiv mit dem puren Überleben beschäftigt, wie vor einer Ozeanüberquerung. 

Die Grabbag-Liste

Ich packe einen Grab-Bag. Eine wasserdichte Tasche, die man im Notfall greift, wenn man auf dem Meer das Schiff verlassen muss und in die Rettungsinsel steigt. Darin befindet sich alles, was man für ein paar Tage oder Wochen zum Überleben braucht und was danach unser einziger Besitz ist: Notnahrung, Medikamente, Verbandszeug, eine Jacke, Handfackeln, Papiere und Zahlungsmittel. Eine Box mit Funkgerät, einem Handy mit Powerbank und Kabeln befindet sich bereits fertig gepackt im Ofen. Denn auch auf einen Blitzschlag mit anschließendem Ausfall jeglicher Geräte, sind wir vorbereitet. Vom Blitzen gabs in Panama ja reichlich. 

Zum Glück machen wir von keinem dieser Dinge Gebrauch. 

Und das was kaputt ging, war auch nicht mehr zu reparieren.

Als wir endlich im Vielversprochenen Passat ankommen, hält der leider gar nicht was er verspricht. Wir haben Wind von hinten, aber selten genug um die Genua zu füllen.

Also packen wir das Leichtwindsegel aus… das haben wir zuletzt auf der Atlantik-Überquerung benutzt. Da hielt es nur zwei Tage. Die damals gerissenen Leinen haben wir ausgetauscht und die Scheuerstelle beseitigt, aber auch jetzt will es nicht länger als zwei Tage oben bleiben. Obwohl es doch so schön aussieht und uns so gut vorwärts zieht mit seiner riesigen, fliegenden bunten Fläche.

In einer kleinen Windböe (die es noch abkönnen sollte) reißt das dünne, altersschwache Material an den Nähten und wir holen nur noch Stofffetzen an Bord. Natürlich Nachts. 

So schön weht der Blister im leichten Wind

Immerhin scheint diese Böe einen stetigeren Wind angekündigt zu haben und so kommen wir die nächsten Tage auch mit der Genua voran. 

Die letzten zwei Wochen werden trotzdem zur Quälerei. Über sechs Wochen sind wir auf See und das Navigationsgerät sagt immernoch ein bis zwei Wochen…sagt es in der siebten Wochen aber auch noch. Wir zählen die Tage rückwärts. Aber es scheinen nicht weniger zu werden. Bald ist Land in Sicht. Bestimmt. 

Als Ablenkung gibt es immer mal wieder ein paar Tölpel. Auch ein Pilotwal und Delfine besuchen uns. Und einige Begegnungen: eine Boje mitten auf dem Ozean – verankert. Wie skurril!

Mahi Mahi links, spinnende Flipper rechts

Drei Frachter auf dem Weg nach Osten begegnen uns und einige chinesische Fischerboote. Eins davon sogar in Wink-und Ruf-Nähe. „Da musste ich mir doch glatt ne Hose anziehen“ erzählt mir Heiko von der netten Begegnung mitten auf dem Ozean. Alle haben sich gefreut. Und sich gegenseitig fotografiert. Ich hab’s verschlafen. 

Hier draußen so nah jemanden treffen – ein Highlight.

Als wir endlich nur noch wenige Tage vor uns haben, werden wir nochmal mit einer Flaute belohnt. Der Diesel könnte jetzt reichen um das Ziel mit Motor zu erreichen, aber wir bleiben standhaft. Drei Tage ausharren um in vier Tagen anzukommen.  

Kommt da bald was am Horizont?

Wie sich das Ankommen, nach den quälend langen letzten Tagen, angefühlt hat, und wie die erste Schritte auf Nuku Hiva waren, berichte ich euch beim nächsten mal.

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