Zurück im feucht fröhlichen zu Hause

Es ist windstill. Windstille am Ankerplatz bedeutet tatsächlich Stille. Mit dem Wegfall des Windes verschwindet auch das Grundrauschen aller anderen Geräusche, die man sonst immer hört, ohne sie wirklich zu registrieren. Das Pfeifen des Windes am Boot. Das Schlagen von wehenden Dingen an all den Booten ringsum. Das Rauschen der Blätter an Land. Das Gluckern der Wellen am Rumpf. Wenn all diese Geräusche nicht mehr sind, werden andere Geräusche viel deutlicher. Wie wenn ein Dorf mit Schnee bedeckt ist. Der Schnee schluckt den Schall. Windstille unterbindet ein Grundrauschen. Ich sitze im Cockpit, es ist eine Vollmondnacht, der Himmel ist so klar erleuchtet durch den Mond, dass man noch nicht einmal Sternbilder deutlich erkennt. Das Meer ist spiegelglatt und nur durch die Bewegung vorbei fahrender Schlauchboote schwappt ab und an eine Welle durch die Bucht und lässt die Boote nach und nach schaukeln. Das durchdringende Zirpen der Grillen in den Mangroven auf der einen Seite der Bucht ist deutlich lauter als sonst. Ich liebe das beruhigende, monotone Geräusch zirpender Grillen. Von der anderen Seite tönt der Gesang eines Seemannsliedes durch die Bucht. Leise Gitarrenklänge begleiten die Stimmen und fröhliches Gelächter schallt von weitem durch die Luft. Ein ganz normaler Freitagabend auf Hog Island. 

Die Lichterkette um unseren Baum erstrahlt um die Wette mit dem Mond

Vor einer Stunde saß ich selbst noch auf dieser Insel, vor der wir wohnen. Eine Ansammlung von Seglern aus aller Welt, ein ungezwungenes Zusammentreffen an einer Bar, die Möbel aus ausrangierten Bootsteilen, die Füße im Sand, ein paar Leute spielen Gitarre und Mundharmonika, die Gespräche drehen sich um Reparaturen am Boot oder die nächsten Segelziele, die Joints gehen die Runde, ich halte mich am kühlen Bier fest. Keiner trägt Schuhe, keiner spielt am Handy. Unaufgeregt, entspannt. Hog Heaven. Noch vor 21Uhr sitze ich  glücklich, dies erfahren zu dürfen, hier im Cockpit meines Bootes. 

Nach Grenada und auf Celerity zurückkommen, war ein bisschen wie nach Hause kommen. Wer hätte das gedacht? Dieses Boot fühlt sich wahrhaftig wie mein Zuhause an. Ich habe es vermisst. Beim ersten Schritt an Deck erschrecke ich über die Bewegung. Einen Tag dauert es bis ich mich wieder an das Schaukeln gewöhnt habe. Länger dauert es, sich an die Hitze zu gewöhnen. Morgens und abends ist es herrlich angenehm, aber die brennende Sonne am Mittag macht mich fertig und träge.

Die ersten Tage noch schön auf Sonnenschutz geachtet

Wir stehen früh auf, ob auf Grund des Jetlags oder zum Nutzen der kühlen Morgenstunden, ist egal. Es geht so zeitig ins Bett, dass ich schon vor 7 Uhr ausgeschlafen bin. Aber besonders in den ersten Wochen an Bord gibt es einiges zu tun. Ein Teil der Bibliothek ist weggeschimmelt und noch feucht. Als es das erste mal regnet sehen wir die Ursache. Ein Fenster ist undicht.

Einige Bücher sind nicht mehr zu retten

Aber wichtiger ist erstmal die Batterie anzuklemmen um mit der elektrischen Pumpe das Wasser aus der Bilge zu bekommen. Im Motorraum steht relativ viel Wasser. Für 7 Monate aber wahrscheinlich normal. Nachdem die Solarpanele die Batterie geladen haben und wir das Wasser abpumpen konnten, kümmern wir uns um den Grund, warum auf der Toilette kein Wasser reingepumpt wird. Das naheliegendste ist, dass der Einlass zugewachsen ist. Nach über einem halben Jahr in nahrhaften 30Grad warmen Wasser sind wir Eigner eines eigenen Riffs geworden. Es knistert knackt und knallt die ganze Zeit im Boot durch das Leben am Rumpf. Um den Wassereinlass frei zu kratzen hüpfe ich also von Kopf bis Fuß eingepackt in Neopren und mit Spachtel bewaffnet ins Wasser und schaue mir unser Riff genauer an. Der erste Blick ist faszinierend und gruselig zugleich. Was für Gebilde an so einem Boot wachsen können. Furchteinflößende Muscheln, dessen Zacken wie Zähne aussehen und flauschige Büschel aus sanft in der Strömung wiegenden Riffalgen. Mit dem Spachtel allerdings geht der Bewuchs relativ einfach ab. Ich bin überrascht. Und kratze mehr als erwartet in einer Stunde frei. Damit entscheiden wir uns auch das Geld für einen Taucher zu sparen, sondern uns einen Tauchkompressor zu leihen und selbst Hand anzulegen. Leider behebt das nicht das Problem des Wasserzulasses in der Toilette. So baut Heiko am nächsten Morgen die Pumpe auseinander, kratzt ne Menge Urinstein ab, während ich am Laptop sitze und arbeite um noch ein bisschen Geld in die Kasse zu kriegen. Romantisch, ne? Das Fenster wird auch gleich noch abgedichtet und den Großteil der Fachliteratur konnte ich erfolgreich trocknen und retten. 

Die Fachliteratur-Bibliothek ist wiederhergestellt

Nach der ersten Woche läuft also das Dingy inklusive Motor, das Boot ist trocken und dicht, das Klo und die Elektrizität wiederhergestellt und die Bilge sauber. Der Schimmel und das Vogelnest sind entfernt, Koffer ausgepackt und den Koffer voll Müll mit vergammelten Büchern und Lebensmitteln entsorgt. Der Tank ist wieder mit Wasser gefüllt und der Bootsalltag wieder hergestellt. Nun müssen wir nur noch die Badeleiter, bei der eine Schraube weggerostet ist, wieder fest bauen, unsere Kupplung und den Kühlschrank reparieren und schauen, ob der Motor anspringt und sich der Propeller noch dreht. Und tausend andere kleine Dinge. 

Cockpit voll, Backskiste leer. Immer wieder. Um irgendwas zu reparieren, zu verstauen oder zu suchen

Nebenbei gewöhnen wir uns erstmal langsam an die Temperaturen, das karibische Tempo und das Leben in Grenada. Unsere Marktfrau heißt uns genauso willkommen zurück wie viele andere bekannte Segler-Gesichter. 

Der Schneemann schmilzt doch!!

Nur das Wetter spielt nicht so mit. So viel Regen haben wir selbst in der Regenzeit selten erlebt. Eine Woche regnet es quasi halbstündlich. In Strömen. Zwei Tage regnet es durch. Eine dicke Regenwand hängt über Grenada und bewegt sich nicht. Es ist grau, alles ist nass und manchmal fühlt sich selbst der 28grad warme Regen kalt an. 

Regenfront am Strand von Sauteurs

Durch den vielen Regen wird auch unser erster Hash direkt abenteuerlich (was ein Hash ist könnt ihr HIER nachlesen). Wir fahren nach Sauteurs, die nördlichste Stadt Grenadas. Ich freue mich auf die Fahrt einmal quer über die ganze Insel und die Aussicht entlang der Westküste. Hab aber schon auf der Hälfte (45min) genug. Meine Bandscheiben müssen sich wohl erst wieder ans Busfahren hier gewöhnen. Der Trail, den wir laufen, ist schön, hügelig, schlammig und diesmal vor allem: nass. Es gießt in Strömen und ich bin bis auf die Unterhose klitschnass, so dass es auch nichts mehr macht, am Ende noch einen Fluss zu durchqueren. Dann sind die Schuhe halt auch noch nass.

Hash-Spaß trotz strömenden Regen (Photo by Pink Panther Pictures,fb)

Rechtzeitig vor Sonnenuntergang nehmen wir den Bus zurück in den Süden. Es schüttet. Der Fahrer sieht kaum was, eine Mitfahrerin wischt ihm dauerhaft die beschlagene Scheibe frei, so dass er den herabgefallenen Steinen, die immer wieder auf der Straße liegen, ausweichen kann. Dann knallt es. Ob der Stein von oben kam oder auf der Straße übersehen wurde, wissen wir nicht. Aber ein kurzer Rundumblick des Fahrers und die weitere Fahrtüchtigkeit des Wagens scheinen nahezulegen, dass nix kaputt ist. Ein paar Kilometer weiter liegt dann ein halber Baum mit Erde auf der Straße. Weiterkommen nicht möglich. Die entgegenkommenden, schmaleren Autos berichten von weiteren Erdrutschen entlang der Strecke. Die Straße in den Süden ist blockiert. Der Fahrer setzt ein Stück zurück und entscheidet: Feierabend. Hier geht’s heut nicht mehr weiter. Wir sind in Victoria, ganze 15km von unserem Start und 40km von unserem Ziel entfernt. Und nun? Eine Mitfahrerin steigt kurzerhand bei der Polizei aus und erkundigt sich für uns. Es gibt 2 B&B‘s in diesem Ort. Die Polizisten geben uns die Nummer von Trisha. Die kommt uns wenige Minuten später direkt an der Station abholen und bringt uns 3 Häuser weiter zu ihrer Pension. Ein Bett. Eine Dusche. Ein Ventilator. Den Rest des Zimmers (Küche, Kühlschrank usw.) brauchen wir nicht. Wir haben ja nix dabei. Noch nicht mal genug Geld, um die Nacht zu bezahlen. Kartenzahlung geht nicht, aber es finden sich Lösungen. Der Supermarkt versorgt uns mit Getränken und Snacks. Dann sind wir erstmal froh, unsere nassen Klamotten loszuwerden, sie vorm Ventilator zu drapieren, zu duschen (leider nur kalt) und ein Bett zu haben (furchtbar unbequem). 

Am nächsten Morgen starten wir zeitig, nach einem Supermarkt Frühstück (Yoghurt. Jipphhie), denn es ist Sonntag: Sonntags fahren keine Busse. Und trampen geht hier zwar gut, kann aber auf der langen Strecke auch lange dauern, aber, was soll ich sagen: einfacher und bequemer als Busfahren, war’s. Aus dem Ort raus, Daumen raus. Erstes Auto hält und nimmt uns in die nächstgrößere Stadt mit. In Gouyave waren wir schon mal vor Anker bei unserem ersten Aufenthalt. Die Verrückten-Dichte ist recht hoch. Wir schlendern die Hauptstraße entlang. Immer noch viele lustige Leute. Nach der Stadt halten wir wieder beim ersten Auto den Daumen raus und landen in einem Regierungsfahrzeug. Der Fahrer holt auf dem Weg zur Arbeit in der Hauptstadt noch einen Kollegen ab und teilt uns dann mit, dass er uns noch bis nach Hause fährt (was durchaus nicht auf dem Weg liegt). Und so werden wir keine 2 Stunden nach unserem morgendlichen Start an dem Dock abgesetzt, wo unser Dingie steht. 

Dieser Trip hat mal wieder gezeigt, wie freundlich und unkompliziert die Menschen hier sind und dass sich immer alles lösen lässt. Und wie toll es sich auf dem Boot schlafen lässt. Denn erstmal ist Siesta auf einer weichen Matratze angesagt. Außer einem Bierchen am Nachmittag auf Hog passiert an diesem Sonntag nichts mehr. Es regnet.

Graue Wolken und Regen dominieren den Ausblick

In der dritten Wochen hier, ist der Fluch dann endlich vorbei. Der Himmel wieder blau. Es ist heiß. Man kann es einem aber auch nicht recht machen. 

Außerdem beschert uns die Vorweihnachtswoche auch noch einen funktionierenden Kühlschrank, nach 4 Tagen Bastelarbeit. Noch ein Punkt erledigt. Es geht voran. 

So werden sich die nächsten Tage des Jahres ähneln: Bootsbasteln, Strandbar, schwitzen… während man dem lustigen Gedudel karibischer Weihnachtslieder in Dauerschleife nicht entkommen kann. Die stehen hier voll auf Weihnachten. Auch auf kreativen Weihnachtsschmuck an Palmen und Mangroven. 

Wir haben also auch ein bisschen Weihnachtsfeeling und werden den Dezember nett ausklingen lassen auf Grenada, während wir die Abfahrt im Januar vorbereiten. 

Dann wollen wir zu den ABC Inseln aufbrechen. Ohne Zwischenstopp auf den venezolanischen Inseln, denn dort wurde neulich eine Yacht von Piraten heimgesucht. Da machen wir lieber einen großen Bogen rum. 

Nach Curacao (oder Bonair und Aruba) soll es dann weiter über Kolumbien (Cartagena) nach Panama gehen. Die Vorsätze fürs neue Jahr stehen also, das große Ziel: Panamakanal. 

Allen in Europa und sonstwo auf der Welt: Seasongreetings (so sagt man hier): frohe Weihnachten, kauft nicht so viel, sondern genießt lieber die Zeit mit euren Liebsten! Und einen guten Start ins neue Jahr!

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Hier könnt ihr unserem Boot folgen und unsere Route mit allen Beiträgen unter „show journey“ sehen: