Karneval in Grenada

Die Sonne hat es noch nicht über die Berge am Horizont geschafft. Auf der Straße stehen Menschen mit Hörnern auf dem Kopf und schmieren sich gegenseitig mit alten, tiefschwarzen Motoröl ein. Ihre braune Haut wird glänzend schwarz, das Öl tropft auf die Straße, wo die Ketten, die sie hinter sich her ziehen ebenfalls schwarz werden. Alles ist schwarz, bis auf das undefinierbare rote Ding, was aus ihren Mündern hängt. Bei manchen ist es ein Stück Fisch, bei anderen zum Glück nur eine Gummiatrappe.

Es ist 6 Uhr morgens, in den Straßen der Hauptstadt St George versammelt sich ganz Grenada. Es klingt gruselig, ist aber eine Tradition, die die Befreiung aus der Skalverei verdeutlicht. Es ist Jouvay-morgen. Der Ausdruck „Jab Jab“ ist der Inbegriff von Freiheit und mehr als eine Phrase, es ist viel mehr die Lebensphilosophie der Grenadians. Es wird besungen (oder besser beschrieen) in jedem Lied, begleitet von schnellen, harten Bässen. Ein Rhythmus an den man sich erst gewöhnen muss. Seit einigen Wochen hört man die gleichen Songs. überall. Und ich habe angefangen diese Musik richtig zu mögen. Auch die Bewegungen zur Musik sind durchaus gewöhnungsbedürftig. Sie sind purer Sex. Nur als Tanz, ohne anfassen.

Nun hatte ich schon ein paar Wochen Zeit mich an Musik und Tanz zu gewöhnen. Die schwarzen Gestalten sind fremd. Aber irgendwie auch nicht beängstigend, denn die Menschen dahinter sind freundlich, rücksichtsvoll, entspannt, gut gelaunt… und meist betrunken. Oder bekifft.

Wir sind mitten drin im Auftakt und gleichzeitig Höhepunkt des Karnevals in Grenada. Das dieser im August ist, hat einen einfachen, praktischen Grund: er steht damit nicht in Konkurrenz zu den berühmten Karneval von Trinidad und Tobago… und allen anderen Karibschen Inseln und es sind Ferien, so dass auch viele Inselnachbarn anreisen können. Ein Grund auch, warum dies die einzige Zeit ist, in der auf Grenada zu Umsicht und Vorsicht auf den Straßen geraten wird. Kriminalität spielt hier sonst keine Rolle, auf der Nachbarinsel St. Lucia allerdings sehrwohl. Allerdings ist das für mich nicht anders als bei jedem großen, überfüllten Weihnachtsmarkt in Deutschland. Ganz Grenada hat gerade mal ein Viertel so viel Einwohner wie Hannover oder Leipzig, das darf man bei der ganzen Großveranstaltung nicht vergessen.

Zurück zum Karneval: wir lassen uns mit den Massen die rutschige Altölstrasse vom Yachthafen, vorbei am Containerhafen bis zum Fischereihafen treiben. Die Musik dröhnt, die Boxen auf den Lastwagen scheppern, auch das sind wir schon von jeglichen Bars gewöhnt, wo man sich normalerweise nicht mehr unterhalten kann. Die Grenadians mögen’s laut. Und ich habe meine Oropax vergessen. Aber nach dem ersten Wagen, auf dem 20 Boxen geschnallt sind, ist man eh taub. Und schwarz sind wir auch ziemlich schnell. Das lässt sich nicht vermeiden.

Alte Klamotten, bereit zur umfunktion zur nächsten Motorraum-Akrobatik, sind die beste Vorbereitung. Und Vaseline, falls man kein Altöl auf der Haut haben will. Gegen 10Uhr steht die Sonne hoch genug, dass es heiß wird, die Altölsuppe zu zerfließen beginnt und wir uns auch wieder auf den Rückweg machen um Schlaf nachzuholen und zum nächsten Karnevalsumzug fit zu sein. 4Uhr sind wir für den Spaß aufgestanden. Für die Temperaturen und das einmalige Spektakel hat es sich allerdings gelohnt.

Die lokalen Busse haben ihre Sitze mit Folie abgeklebt. Klug. Die Busse sind allerdings so überfüllt auf dem Rückweg, dass ich mich halb hockend auf die Knie zweier Jungs quetsche um die viertel Stunde zur Heimatbucht zu fahren. Auf dem Boot Klamotten aus und erstmal ein Sprung ins Meer, bevor das Bett ruft. Aber ich bin eh viel zu aufgekratzt, hab noch den Beat im Körper.

Den Umzug am selben Abend mit blinkelichtern sparen wir uns und genießen dafür am Folgetag den bunten Karnevalsumzug mit Leichtbekleideten Tänzer-Innen. Ebenfalls laut. Diesmal bunt, fröhlich und Tagesfüllend.

Nach über 8 Stunden kehren wir erfüllt und erschöpft zurück. Das war der Karneval in Grenada, gefühlt war die Aufregung und die ganzen Vorveranstaltungen, also die Vorfreude länger als das Spektakel an sich. Aber wir haben auch nur die größten ordentlichen Veranstaltungen besucht. Am Freitag und Samstag gab es vorher noch große „White“ Parties im Stadion, mit Tickets und so, die wir nicht besucht haben.

Es war schön. Nun habe ich in meinem Leben die zweite Karnevalserfahrung gemacht, nach den Kapverden und keinen Vergleich mit Deutschland, aber das ist vielleicht auch gut so, weil es sowieso überall landestypisch anders ist. Und auch das ist gut so. Der Vibe schwingt noch eine Weile mit und ich freue mich schon auf die nächste Karnevalserfahrung auf unserer Reise, an irgend einem anderen Ort auf dieser Welt.

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