Nachbarschaftsstreit

Wo es viele nette Bootsnachbarn gibt, da gibts auch die Schattenseiten vom Leben in vollen Ankerbuchten. Denn die Meisten hier nutzen nicht wie wir, ihren eigenen Anker, sondern mieten sich Bojen, die meist im Boden verschraubt sind und entweder von Marinas betrieben werden oder in Privatbesitz sind. Anders als an Land, oder wie das in Deutschland kontrolliert wäre, schraubt hier einfach jeder wo er will eine Mooringboje in den Boden und verdient sich damit ein goldenes Näschen.

Wir haben kein Budget dafür, vertrauen lieber unserem eigenen Anker und sind damit außerdem flexibel… wenn wir wollen. Oder müssen.

Seit 3 Monaten sind wir in Grenada, seit nunmehr 6 Wochen steht unser Boot an einem Ankerplatz, den wir uns zum bleiben ausgesucht haben. Der Anker hält super, es gibt viele Möglichkeiten an Land ringsherum, die alle in kurzen Dingifahrten erreichbar sind, die Bucht ist umgeben von Riffen und Inseln, daher kommen nicht all zu hohe Wellen aus dem Atlantik hinein. Wir sind gekommen um zu bleiben, zumindest so lange, bis die Hurrikansaison uns wieder erlaubt, sich in nördlichere Gewässern vorzuwagen. Ein paar Monate also noch.

Sonnenuntergang vom Boot

Der gewählte Platz ist ein ausgewiesener Ankerplatz, aber schon zugekleistert mit weißen, im Wasser schwimmenden Bällen, also liegen wir am hinteren Ende, außerhalb von dem Bojenfeld. Doch eines Tages entdecken wir doch tatsächlich eine nigelnagelneue Boje, direkt 10 Meter vor unserem Boot. Wir sind irritiert und vorallem erstmal besorgt, weil die 50 Meter Ankerkette, die wir draußen haben genau an der Boje entlang geht. Vor allem sind wir aber verärgert, Wer ist so blöd und macht da ne Boje hin? Da kann man doch kein Boot dran legen. Wir fragen erstmal erbost in der Facebook Gemeinde herum und erfahren, dass das leider vielerorts ein bekanntes Problem und Gang und gebe ist, dass neue Bojen viel zu nah an ankernde Boote gesetzt werden… wer kommt da nicht auf die Vermutung, dass dies ein Verdrängungsversuch ist um natürlich Geld an den Ankerliegern zu verdienen. 

Aussicht auf die Boje

Am nächsten Morgen patze ich erstmal die Jungs an, die die Boje überprüfen. Vorallem weise ich sie darauf hin, dass sie ihre Boje vielleicht über unserer Kette befestigt haben und wir sie nicht mehr hoch kriegen. Laut ihrer Aussage, gibt es die Schrauben im Boden schon lang und nur die Boje ist neu. Von Nachbarn hören wir allerdings, dass Taucher gesehen wurden, die die Boje neu verschraubt haben. Wer weiß was stimmt. Auf jeden Fall alles sehr ärgerlich. Aber wir warten erstmal ab, denn wir glauben ja an den verantwortungsvollen Skipper, der sein Boot selbstverständlich nicht der Kollisionsgefahr aussetzt, sondern diesen Bojenplatz abweist. 

Unsere Hoffnung, das keiner so rücksichtslos sein wird und sein Boot da dran legt, wird leider nicht erfüllt. Denn ein paar Tage später, liegt ein Ami neben uns an dieser Boje. Um kein Nachbarschaftsstreit herauf zu beschwören, laden wir, nach einigem Wortwechsel, den Nachbarn ein das persönlich zu besprechen. Naja, um genau zu sein, halte ich Heiko davon ab, böse Nachrichten zu schicken, an den Typen, der nur ein paar Meter neben uns wohnt, sondern dass auf Boaties-Art zu klären: persönlich bei einem Bier an Bord. Ne Stunde später sitzt Jay in unserem Cockpit, trinkt unser kühles Bier und freut sich sichtlich neue Freunde gefunden zu haben. Moment. Eigentlich wollten wir doch eine Lösung für unser Problem finden, denn wir sind trotz des überfreundlichen Typens aus New Mexiko immernoch viel zu nah beieinander. Zwar ganz einsichtig und versteht unser Problem, aber an der Situation wird sich ja trotzdem nix ändern, denn die amerikanischen Mitbürger sind leider doch oft einfach rücksichtslos.

Der Nachbar

Er erzählt uns, dass er eh nur einige Tage da bleiben darf, weil diese Boje danach reserviert ist. Na super. Sehr wahrscheinlich wird das nächste ein größeres Boot, denn so kleine Boote wie unsere, gibt es hier sonst kaum. Da uns das Risiko eines Zusammenstoßes zu hoch ist und weil uns ein bisschen Privatsphäre aufm Boot wichtig ist, die man nicht hat, wenn der Nachbar 2 Meter neben einem liegt. Und auch, weil uns der einsame Amerikaner ein bisschen zu einnehmend ist – Wir wurden direkt zum Grillen am nächsten Tag eingeladen und konnten uns nur mit Mühe aus weiteren Verbindlichkeiten herausreden. Und weil wir einsehen, dass die Boje nicht einfach verschwinden wird, entscheiden wir in der selben Woche noch, dass wir umankern. Ein paar Meter hinter uns, ist ein Ankerplatz frei geworden und den wollen wir nutzen, bevor das nächste Boot sich dort einnistet. Weit genug weg von jeglichen Bojen. Wir hätten auch beim Fischereiamt nachfragen können, ob dies überhaupt eine legale Boje ist, stunk machen bei den Bojenvermieter oder Sabotage an der Boje vornehmen können (Schilder mit „NICHT BENUTZEN – Gefährlich“ oder ähnliches) schwebte da bereits als Gedanke mit. Aber wofür? Am Ende sind wir hier Gast in einem Land, deren Gesetzgebungen nunmal nicht so strikt sind, wie in Deutschland und am Ende will ich die Zeit hier harmonisch verbringen und mich nicht mit den Einheimischen rumstreiten.

Also ziehen wir schließlich zähneknirschend um, nur 100 Meter weiter, es fühlt sich trotzdem ein bisschen an, wie aus seiner Wohnung geschmissen zu werden. Und dann wird das Umankern auch noch ein Desaster. 

Ausblick auf unsere Bucht

Erstmal springe ich am Morgen mit dem Schorchel ins Wasser um die Ankerkette zu schrubben, bevor wir uns das ganze Algenzeug in den Ankerkasten holen. Das ist eine tierische Arbeit – im wahrsten Sinne des Wortes, denn nach jedem Auftauchen, muss ich mich selbst abschrubben, weil ich übersäht bin mit winzigen Minikrabben, deren Heim ich wohl zerstört habe. Sie rächen sich, indem sie an mir rumkrabbeln. Eklig. Und vor allem juckend. Noch das Riff vom Propeller abkratzen und den Motor starten. Dann ziehe ich die Ankerkette über eine elektrische Winsch Stück für Stück nach oben. Heiko steht am Steuer und passt auf, dass wir nicht mit dem Nachbarn kollidieren, dem wir uns jetzt natürlich noch mehr nähern.

Nach ein paar Metern kommt der Teil der Kette zum Vorschein, an den ich nicht tauchend mit der Bürste ran gekommen bin. Die Kette ist fett mit Algen, Krabben und Seepocken bedeckt. Gedeiht hier in der warmen Brühe alles herrlich. Ich schrubbe, hole hoch, werfe den Kettenberg um, der ungewöhnlich früh entsteht, wegen der Muscheln, schrubbe, hole hoch, warte, dass Last von der Kette ist (natürlich sind auch noch ordentliche Windböen), hole weiter hoch und beeil mich dabei, damit wir schnell aus dem Kollisionsrisiko raus sind. Und was passiert natürlich, als ich mal kurz nicht schnell genug den Kettenberg im Ankerkasten umgeworfen habe, der Ankerkasten ist voll, die Kette häuft sich und verkantet in der Abkerwinsch. Scheiße. Ne Sekunde zu spät bemerkt, da war auch schon die Sicherung durchgebraten. Jetzt hängt die Kette fest, die Winde lässt sich nicht mehr drehen, wir haben noch 20Meter Kette draußen und hängen direkt neben dem Nachbarboot. Ich fluche laut in der Gegend rum, Heiko bekommt mit Hammer und Schraubenzieher nach einer Weile die Ankerkette frei. Wir können also weiter hoch ziehen, aber zum austauschen der Sicherung ist keine Zeit, also ohne elektrische Unterstützung weiter. Ich hab schon ein paarmal die Ankerkette per Hand hoch geholt und ich hab das Desaster ja auch verschuldet, also ziehe ich, Hand über Hand die letzten Meter rein. Bis der Moment kommt den Anker auszubrechen, geht dass ganz gut. Der Anker sitzt in dem Schlamm allerdings so fest, dass meine, inzwischen müden, Arme, es nicht schaffen. Als ich gerade um Verstärkung rufe, nach Heiko, der uns die ganze Zeit mit dem Bugstrahlruder auf Abstand zum Nachbarn hält, kommt ungefragt ein Schlauchboot angefahren und zieht mit mir zusammen an der der Kette. Ein paar Meter und wir sind frei, bald darauf ist der Anker im Wasser zu sehen, hoch genug um die paar Meter weiter zu fahren. Ich danke dem unbekannten Helfer, der mich wieder ein bisschen mit der Boots-Nachbarschaft versöhnt.

Begrüßung an unseren neuen Ankerplatz

Und schon kann es auf die Suche nach einem neuen Platz gehen, der liegt nur etwa 100 Meter weiter, Heiko lässt den Anker wieder manuell runter, meine Muskeln schmerzen zu sehr, um das auch noch zu machen. Wir tauschen die Sicherung aus, alles wieder repariert. Neuer Platz, keine direkten Nachbarn und ein sowas von verdientes Ankerbier und die Welt ist wieder schön.

Unser Ankerplatz
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