Heute leben wir genau 1 Jahr auf dem Boot. Vor 12 Monaten sind wir nach Griechenland geflogen mit einem oneway Ticket. Seit 365 Tagen haben wir nicht mehr in einem festen Bett geschlafen. Na gut, die ersten 3 Wochen standen wir noch an Land und wurden noch nicht in den Schlaf geschaukelt. Aber das zählt nicht.
Es ist also mal an der Zeit, ein Fazit zu ziehen aus dem Lotterleben des letzen Jahres. Ich würde behaupten, das war das aufregendste Jahr meines Lebens. Im positiven Sinne. Mein Leben hat sich mit der Entscheidung auf einem Boot um die Welt zu segeln komplett verändert. Alles. Kein Job mehr, keine Wohnung mehr, ein Ozean zwischen Freunden und Familie. Keine Steckdose in der Wand, aus der einfach Strom kommt und keine Badewanne, die man einfach aus dem Hahn mit unendlich Wasser befüllen kann und auch das Konto wird nicht monatlich aufgefüllt. Es ist ein Leben mit viel Verzicht und gleichzeitig war ich noch nie so reich an Erfahrungen, Erlebnissen und Dankbarkeit. Es ist ein Luxus so leben zu dürfen und gleichzeitig ist es ein Leben ohne Luxus. Aber gerade das Bewusstsein für alles, was uns in Deutschland alltäglich und selbstverständlich erscheint, macht mich zu einem zufriedenen Menschen.
Und dann ist da noch dieses Fernweh, was mich schon mein ganzes Leben begleitet und diese Sehnsucht nach fremden Kulturen und Ländern jetzt quasi täglich zu stillen, ist einfach großartig. Wenn ich sage „nach Hause fahren“, meine ich Celerity, egal wo sie gerade schwimmt.
Das Bootsleben ist Alltag. Auch diese Wohnung muss in Schuss gehalten werden, noch mehr als ein festes Haus. Wir leben fast autark, der Strom wird von den Solarmodulen erzeugt, damit wird aber auch gehaushaltet. Ich weiß welches Gerät wieviel Strom verbraucht und habe immer ein Auge darauf, dass die Batterien ausreichend geladen sind.
Unser Wasser wird seit dieser Woche von einem Wassermacher produziert, der macht aus Salzwasser Trinkwasser und verbraucht dafür ein Hundertstel an Benzin. Das Benzin dafür und für unseren Außenborder am Dingie lagern wir in Kanistern, die wir an Land befüllen müssen. Der Kaffee am Morgen wird auf dem Herd mit Gas gekocht, deren Flaschen wir an Land befüllen müssen. Alles ist eine Nummer aufwendiger als an Land, aber dafür können wir wochenlang komplett autark sein und man ist sich jeder knappen Ressource bewusst. Der Platz ist begrenzt, und trotzdem fühle ich mich nicht eingeengt. Zwei Menschen auf so engem Raum, war auch nicht immer einfach, und trotzdem sind wir eher zusammengewachsen in dem Jahr.
Die Sorgen und To do Listen waren oft lang, und trotzdem gehe ich viel entspannter durchs Leben als zuvor. Die Pläne haben oft nicht hingehauen, aber dafür hat uns das Leben gelehrt es einfach passieren zu lassen. Alles ergibt sich irgendwie irgendwann, auch wenn man nicht den ganzen Tag versucht seine Aufgaben zu erledigen. Und es gibt so viele kleine Dinge, über die man sich freuen kann, wenn man nicht den ganzen Tag mit Arbeit für den Chef und Arbeit für den Haushalt beschäftigt ist.
Ja, ich würde sagen, ich habe viel über das Leben und mich selbst gelernt. Über Verzicht, Dankbarkeit und diese faszinierende Erde, auf der wir leben. Ich blicke zuversichtlich und gespannt auf die Zeit und die Reise, die noch vor uns liegt und möchte keinen Moment des letzten Jahres missen. Na gut, ein paar Sachen hätte man sich sparen können, aber hinterher ist man klüger und weiß an welchen Stellen man sich zu sehr unter Druck gesetzt hat oder es einfach nicht besser wusste. Aber auch das habe ich gelernt: Wir wissen so wenig, es gibt so viel zu lernen auf dieser Welt, dass ein Leben dafür nicht reicht, aber das ist okay und ich weiß es liegt noch so viel Neues vor mir. Ich freue mich drauf.
Ein Jahr klingt lang, aber wir alle wissen, dass man jedes Jahr aufs Neue feststellt, wie schnell es vergangen ist. Ich weiß nach diesem Jahr, dass ich für mich die richtige Entscheidung getroffen habe und dass es mehr ist, als eine Reise, ein Urlaub, eine Auszeit.
Eine kleine Geschichte hinterher: Wir haben heute recherchiert, wo unser Boot eigentlich geboren wurde, beziehungsweise wo es war, bevor es von den deutsch/österreichischen Vorbesitzern nach Griechenland überführt wurde. Es kommt aus einem kleinen Ort namens Lossiemouth in Schottland. Ob es 1979 dort geboren ist oder einen weiteren Vorbesitzer hat, wissen wir nicht. Es gibt allerdings ein Bild von Celerity, von 2011 in der Marina von Lossiemouth. Die Bootsmarke „Seastream“ ist außerhalb von UK kaum bekannt und wir haben auch noch kein anderes dieser Art gesehen. Als Heiko gerade die Bootsgeschichte an den Betreiber der Seastream Webseite schreibt, kommt ein Dingie mit Amerikanern vorbei gefahren und spricht uns an. Sie sind ganz begeistert, weil sie zum ersten Mal eine andere Seastream sehen. Sie haben in Amerika genau dasselbe Boot stehen und einen deutschen Motor, dessen Anleitung sie nicht verstehen, weil auf deutsch. Wir tauschen Kontakte aus und sind ganz verwirrt über diese Zufälle. Und das, an unserem einjährigen Jubiläum. Verrückt.
Den nächsten RumPunsch gibt’s dann zusammen 😀
Yeah. Ich freu mich!!!
WOW, Glückwunsch zum Jahrestag!!!
Danke Sabine!
Sehr schön geschrieben,liebe Nicole 🙂