Die Tropfen perlen von den Fensterscheiben. Es läuft sowohl von außen als auch von innen.
Regen und Kondenswasser unterscheiden sich bei 90% Luftfeuchtigkeit kaum noch voneinander. Es scheint nur zwei Arten von Wetter während der Regenzeit in Panama zu geben:
Bei gutem Wetter sieht man überall dicke Gewitterwolken aufziehen, es donnert und grollt eigentlich immer irgendwo. Und mindestens zweimal am Tag werden dann die Schleusen geöffnet.
Dazwischen kommt auch mal die Sonne raus und überall steigt Wasserdampf auf.
Schlechtes Wetter fühlt sich an wie ein Herbsttag in Norddeutschland – nur wärmer: es regnet von morgens bis abends durchgängig in unterschiedlicher Intensität. Diese Tage sind so dunkel, dass wir den Kühlschrank gar nicht erst anschalten, denn die Solarpanele liefern einfach nicht genug Strom. Wir kämpfen mit Schimmel, und selbst Celerity setzt schon Moos an. Im Salzstreuer ist inzwischen mehr Reis als Salz und die Reling hängt voll mit Klamotten, die irgendwann mal nass geworden sind… und nie wieder trocknen. Diese Luftfeuchtigkeit ist faszinierend und gleichzeitig frustrierend. Aber immerhin sind dadurch meistens unter 30°C, was sogar schon dazu geführt hat, dass ich mal ein langes Shirt angezogen habe.
Aber irgendwoher muss diese ganze tolle Natur ja auch kommen. Und tolle Natur hat Panama auf jeden Fall zu bieten.
Nun hab ich das letzte Mal ja schon aus den hübschen Buchten Panamas geschwärmt, aber ich möchte mich klar den örtlichen Gepflogenheiten entsprechend anpassen: Kuna Yala ist nicht Panama. Auch wenn wir laut unseren Stempeln im Pass bereits Ende April in Panama eingereist sind, haben wir erst nach Verlassen der San Blas Inseln, Ende Mai, das „offizielle“ Panama betreten. Sowohl die Kunas als auch die Panameños sehen das klar getrennt.
Nun haben wir also die karibischen Trauminseln hinter uns gelassen und das Festland von Mittelamerika erreicht. Und es ist inzwischen Juni und die Regenzeit hat begonnen und macht ihrem Namen alle Ehre.

Dafür ist die Tier- und Pflanzenwelt wirklich beeindruckend und Regenwald und Zivilisation gehen nahtlos ineinander über. Die Orte an der Küstenstraße sind lebhaft, bunt und laut. Knallig bemalte alte amerikanische Schulbusse mit dröhnender Musik und ebenso dröhnendem Motor sind das Hauptverkehrsmittel, neben den Lanchas, kleine Boote, die von überall die Leute an die Strände fahren. Dort verbringen die Einheimischen ihr Wochenende. Sonntags mit einem Bier in der Hand im Meer. Regen ist dann auch egal, das Wasser ist wärmer als der Regen. Und direkt dahinter klettern die Affen auf den Bäumen am Strand umher. Hier sind Affen völlig normal. Für uns ist das „U U U“ der Brüllaffen faszinierend. Aus der Ferne schallt es überall durch die Ankerbuchten. Am Morgen krähen Hahn und Affe um die Wette.

Fast vom Brüllaffen angekackt
Eines Tages kommen wir den Brüllaffen, aber auch mal ganz schön nah. Die sind laut. Richtig laut.

Entlang des Wanderweges hören wir schon eine ganze Weile, dass das Rufen immer näher kommt. Das Brüllen wird immer lauter und immer häufiger. Und auf einmal stehen wir mittendrin. Sie sind überall um uns. Über uns in den Bäumen. Wie nah, merken wir, als mich einer fast ankackt. Es riecht wie im Affenhaus im Zoo. Aber hier sind sie wild. Und wir sind in ihr Revier eingedrungen, das machen sie deutlich hörbar. Es ist wirklich respekteinflößend. Und dabei sind die gar nicht so groß wie sie klingen, sondern durchaus niedlich. Ich bin noch eine Weile ganz geflasht von dem Erlebnis, während wir weiter durch den Busch stapfen und versuchen nicht vom Weg abzukommen. Es ist höchste Konzentration gefragt, denn ausrutschen will man hier auf dem Schlamm nicht, denn alles um uns hat dicke Stacheln. Wo man auch hinsieht. Nichts anfassen und gucken wo man hintritt. Und nicht stehenbleiben, denn dann fressen einen die Mücken.

Auf einer anderen Tour mussten wir hingegen ständig stehen bleiben, auf der Suche nach einem Weg, der auf unserer Karte eingezeichnet war, aber in der Realität nicht so recht existieren wollte. Stattdessen landeten wir auf schlammigen Abwegen.
Bergauf durch den Wald fanden wir meist einen Pfad, der halbwegs als Wanderweg durchgehen könnte. Dann stehen wir vor einem Stacheldrahtzaun. Der ist zu überwinden. Dann fängt es in Strömen an zu schütten. Natürlich als wir nur noch offene Felder vor uns haben. Wir sind durchnässt und laufen querfeldein über Kuhweiden, die hier nicht nur recht hügelig und steil sind, sondern vor allem eine einzige matschige Rutschbahn. Kein Wunder bei dem ständigen Regen.

Wir sehen wie die Kühe bis zum Bauch in der Pampe stehen.
Und irgendwann versinke auch ich bis zum Knie in einer Mischung aus Schlamm und Kuhfladen.Ein Erlebnis für alle Sinne. Lecker. Danach macht es aber auch nichts mehr aus, einfach querfeldein den kürzesten Weg Richtung Straße zu nehmen, statt dem Weg durch ein Gatter zu folgen, wo ein beeindruckender Bulle schon auf uns wartet.

Nachdem ich sowieso etwas Kuh-traumatisiert bin (die Geschichte dazu könnt ihr hier nachlesen), halte ich von den Viechern gern Abstand und nehme lieber den Weg durch tiefe Pfützen, oder kleine Seen und von Kühen zermatschten „Feldwegen“. Nach einem netten Gespräch mit dem Grundbesitzer Pacifico (der natürlich Gummistiefel trägt) finden wir die Strasse und kreuzen zum Glück bald einen Fluss in dem ich Hose und Schuhe waschen kann, bevor ich damit in den Bus steige.
So ist also Leben in der Natur.

Und mittendrin liegt Portobelo.
Ein verschlafenes Örtchen, umgeben von dichtem Grün, mit ziemlich großer Vergangenheit – und sogar UNESCO-Weltkulturerbe.
Dass es einmal einer der wichtigsten Handelshäfen der Kolonialzeit war, zeigen die alten Forts mit ihren Kanonen direkt am Wasser. Auf den Steinen ist schon Kolumbus herumgestapft. Und natürlich waren auch Piraten hier.



Heute laufen eher streunende Hunde durch die Ruinen, und die Dorfjugend trommelt abends auf dem Platz. Wahrscheinlich wird schon für den nächsten Karneval geübt – da soll hier nämlich richtig was los sein, wenn die afrokaribische „Congo“-Tradition wieder auflebt.
Auch der schwarze Jesus ist berühmt (ja, der heißt so!) Er hängt mit violettem Umhang in der Kirche und wird einmal im Jahr von Tausenden Pilgern durch den Ort getragen.


Ansonsten geht’s ruhig zu. Die Kids angeln am Dock, die Männer fahren früh raus zum Fischen, während die Frauen auf den Gemüse-Truck warten, der dreimal pro Woche kommt.
Für den Rest sorgt „der Chinese“. Tatsächlich werden fast alle Supermärkte in den kleineren Orten von chinesischen Familien betrieben – viele kamen während des Panamakanal-Baus nach Panama, haben gute Connections im Handel und schließen heute Versorgungslücken. Auch alle „Baumärkte“ sind „Made in China“, und selbst das Kokoswasser kommt aus Thailand.

Portobelo fühlt sich auf jeden Fall an wie aus der Zeit gefallen: ein bisschen bröckelig, ein bisschen bunt, gemütlich – und irgendwie ziemlich besonders. Wir fühlen uns wohl.

Und die nächstgrößere Stadt ist auch nur eineinhalb Busstunden entfernt: Colón – die zweitgrößte Stadt Panamas und die einzige richtige Stadt an der Karibikküste, direkt am Panamakanal. Colón hat außer dem Containerhafen und einer der größeren Freihandelszonen der Welt nichts zu bieten. Zumindest sagt man das. Wir sind nicht gucken gegangen. Denn Colón gehört zu den gefährlichsten Städten der Welt. Bandenkriege und so. Wir bewegen uns nur vom Busbahnhof zur Freihandelszone. In diesem eingemauerten, von Securitys bewachten Bereich, der 50% der Stadtfläche einnimmt, wurde eine Einkaufswelt erschaffen, die jedes konsumgeile Herz höher schlagen lässt. Rein kommt man nur mit Pass oder schmieren der Security.
Hier gibt’s alles: von kleinen Boutiquen über China-Läden bis zu teuren Markenstores – alles Duty Free.
Es ist voll. Mitten in der Woche, zur Mittagszeit.
Wenn man zu Fuß raus geht, muss man aufpassen, dass die Securitys nicht sehen dass man was gekauft hat, sonst muss man nochmal schmieren. Willkommen im Land der Korruption.
Und nur wenige Schritte hinter den glänzenden Shoppingmauern beginnt der Zerfall: Kolonialbauten, die nur noch Gerippe ihrer Geschichte sind, so weit das Auge reicht.

Fast die Hälfte der Bevölkerung ist arbeitslos. Obwohl der Panamakanal tausende Menschen beschäftigt, und das Land Reich gemacht haben sollte, herrscht hier Armut. Aber die Menschen, denen wir begegnen sind ausnahmslos fröhlich und freundlich. Ich glaube ich hatte noch nie in meinem Leben einen so freundlichen Service in einem fast Food Lokal, wie im McDonalds in Colón. Fast unangenehm überschwänglich werden wir umsorgt.
Und hier wird auch Englisch gesprochen, was wir gar nicht mehr gewohnt sind, nachdem wir uns in den Dörfern seit nunmehr zwei Monaten mit Spanisch durchschlagen. Es übt.
Weiter geht’s
Nach ein paar Wochen in der Gegend um Portobelo und Colón ziehen wir schließlich weiter und kreuzen die Einfahrt des Panamakanals. Riesige Pötte stehen hier wartend vor der Einfahrt oder fahren halt in den Kanal und den Hafen hinein- oder wieder heraus. Ganz schön Obacht ist da geboten, wenn 30 Containerschiffe um unsere kleine Celerity herumschwirren und einige davon sich mit beträchtlicher Geschwindigkeit an uns vorbei bewegen. Aufregend.

Warum wir am Panamakanal vorbei fahren? Weil wir erstmal noch ein anderes Abenteuer erleben wollen: Gleich hinterm Kanal gibt es einen Fluss, in dem man Ankern kann. Das wollen wir uns nicht entgehen lassen. Eine Premiere.

Wie es mitten im Dschungel im Rio Chagres war und was wir dort alles erlebt haben – davon erzähle ich euch das nächste Mal.
Außerdem gibt es zwischendurch noch eine kleine, große Überraschung. Seid gespannt!
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