Der tägliche Regenschauer ergießt sich gerade über Hannover, es sind keine 20 Grad. Sommer in Deutschland. Ich sitze zu Hause, schau dem Regenprasseln zu während meine Gedanken ganz weit weg sind. Das Handy in der Hand beamt mich in eine andere Welt. Eine Welt, die sich ebenso nach zu Hause anfühlt und die gerade mehr als so einen kleinen Regenschauer erlebt. Über Grenada zieht in diesen Minuten Hurrikan Beryl. In den letzten Stunden hat er sich zu einer Kategorie 4 (von 5) entwickelt und ist leider nicht, wie üblich nach Norden abgebogen. Es ist Anfang Juli. So früh in der Saison gab es noch nie so südlich einen so starken Hurrikan. Na super. Und das ausgerechnet, wenn wir unser Boot, unser zu Hause, dort stehen haben und nur aus der Ferne erst die Zugbahn des Sturmes und dann die Auswirkungen beobachten können. Die Stunden vor und während Beryl in der südlichen Karibik auf Land trifft sind hart, ich versuche mich abzulenken um nicht zu viel im Internet zu gucken. Jetzt können wir eh nichts mehr tun außer warten und hoffen.
Hunderte Segler, die vor Ort waren sind nach Trinidad und Tobago abgehauen. Das war letzen Sommer auch unser Notfallplan für einen solchen Fall. Dieses Jahr liegt Celerity allein in einer Bucht an einer Boje, mit vielen anderen Booten, deren Besitzer auch irgendwo in Europa sind. Man schreibt mit einigen, teilt die Sorgen, aber am Ende können wir alle nur warten und hoffen.
Die Stunden nach dem Beryl weitergezogen ist, sind noch viel härter. Ich hänge am Handy und durchforste Social Media nach Informationen. Die ersten Bilder kommen rein und sehen verheerend aus. Carriacou (gesprochen KAIR-ee-ə-KOO) hat es voll erwischt. In 30 Minuten hat ein Hurrikan alles platt gemacht, was sich die Menschen dort über Jahre aufgebaut haben.
Und was ist mit Hog Island? So heißt die Insel, in deren geschützter Bucht wir unsere Celerity stehen gelassen haben.
Die ersten Informationen machen Hoffnung. Es ist nicht viel passiert. Bei den vereinzelten Booten, die losgerissen und auf Grund gesetzt wurden, ist unseres nicht mit dabei. Aber ich bin immernoch unruhig, so lange ich kein Bild und Meldung von unserem Boot bekommen habe. Natürlich sind alle vor Ort erstmal mit wichtigeren Dingen beschäftigt. Am Dienstagnachmittag, gegen Mitternacht deutscher Zeit, kommt dann die erlösende Meldung und ein Video von unserem Boot. Alles an seinem Platz. Sogar die Vögel, die sich vor einigen Wochen dort eingenistet haben, laufen mit ihren Jungen auf dem Boot umher. Ich war noch nie so erleichtert Vögel auf Celerity zu sehen.
Jetzt kann ich endlich wieder beruhigt schlafen und bin unendlich dankbar, dass es so viele Menschen vor Ort gibt, die sich die Mühe gemacht haben, allen in der Ferne eine Info über ihre Boote zu geben. Die Seglergemeinschaft in Grenada atmet also auf.
Ein paar Kilometer nördlich wird von aufatmen sehr lange nicht die Rede sein.
Carriacou, eine Insel, zu Grenada gehörend, auf der wir mehrmals einige Wochen verbracht haben, wurde quasi zerstört. Kein einziges Blatt mehr an den Bäumen, die Straßen mit Sand überspült, die vorwiegend aus Holz gebauten Häuser in Trümmer verwandelt. Die festgezurrten Boote an Land liegen wie Dominosteine umgekippt aneinander und die Boote im Wasser, die sich in den Mangroven, in sogenannten „Hurrikan holes“ fest gemacht haben, kreuz und quer. Teils aneinander geschlagen, teils auf Grund gelaufen.
Mr. Grill gibt es nicht mehr. Einer unserer Lieblingsbars, in denen viele meiner Artikel (wie dieser) bei einem guten Essen und einem leckeren Rumpunsch entstanden sind: zusammengebrochen.
Der Besitzer wohl auf, und wie die meisten Bewohner voller Hoffnung und dankbar, dass sie es überlebt haben. Das, was übers Internet zu uns nach Europa gelangt ist nicht von Trauer, Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung geprägt, sondern von Zuversicht, Dankbarkeit zu hören, dass es lieben Menschen gut geht, Dankbarkeit über die Hilfe, die von auswärts kommt und einem positiven Blick nach vorn. „rise Grenada“ – wir werden das Land aufbauen und stärker sein als zuvor. Dieses Gemeinschaftliche anpacken und mit einem Lächeln in die Zukunft schauen, finde ich erstaunlich. Aber genau so sind die Menschen, die wir in Grenada und den anderen karibischen Inseln kennen gelernt haben: dankbar und zufrieden mit dem, was sie haben. Positiv, im Moment leben und einfach weitermachen. Wir haben überlebt. Der Rest kann wieder aufgebaut werden. Jetzt liegt Arbeit vor ihnen. Die meisten Menschen haben nicht viel. Haben sich ihre Hütten und Geschäfte über Jahre aufgebaut. Und fangen jetzt von vorn an.
Nicht nur Carriacou hat es hart getroffen, auch die noch kleineren Inseln Petit Martinique, Union Island, Mayreau und Bequia, zu st. Vincent und den Grenadinen gehörend, sind schlimm getroffen. Von dort habe ich hier berichtet.
Alles Inseln, die ohne Hilfe von außen nicht überleben können. Früher nicht und jetzt erst recht nicht. Sie haben ihre Arbeitskraft und sonst nichts.
Von den größeren Inseln werden Wasser, Lebensmittel und Hygieneartikel mit Booten herbeigefahren. Segler, die aus Trinidad und Tobago zurückkehren, schließen sich zusammen und packen ihre Boote voll mit allem, was jetzt dringend benötigt wird.
Da es keine Stromverbindung und kein Internet gibt, helfen Segler mit ihrem Satelliten-Internet aus, damit die Menschen Kontakt zu ihren Angehörigen aufnehmen können. Es werden Solar-Ladestationen auf die Schnelle gebaut, um die Bevölkerung auf ein Minimum mit Strom zu versorgen und es wird aufgeräumt.
Die Situation ist erschreckend. Aber es ist auch ergreifend, wie gemeinschaftlich Hilfe geleistet wird. Wären wir vor Ort gewesen, würden wir jetzt irgendwo Häuser aufbauen.
So können wir nur zuschauen und die Helfer unterstützen. Und genau das möchte ich hiermit auch einmal tun. Nämlich das einzige, was wir von unserem sicheren Wohnzimmer aus tun können: den Menschen vor Ort Hoffnung spenden, indem sie zumindest ein paar finanzielle Mittel erhalten, um ihr Paradies wieder aufzubauen.
Wenn ihr auch etwas dazu beitragen wollt, ist hier die Möglichkeit.
Wir sind viele. Und wenn jeder nur einen kleinen Beitrag leistet, ist das schon eine ganze Menge, die sehr viel bewirken kann.
Ich habe viele „gofundme“ Spenden im Internet gefunden. Hier eine Auflistung davon: https://doyleguides.com/beryl/
Und ich habe mich für diese Spendenorganisation in Grenada entschieden, deren Geld zu 100% für den Wiederaufbau in Grenada, Carriacou und Petit Martinique, genutzt wird.
Spendet für rise Grenada: https://www.risegrenada.org/
Außerdem werde ich alle „Rumpunsch“-Spenden, die ab jetzt bis Dezember auf meinem Paypal Konto eingehen, 1:1 an Rise Grenada spenden.
Wenn wir Anfang Dezember wieder vor Ort sind, werden wir uns natürlich auch persönlich ein Bild machen und darüber berichten.
Danke an alle, die einen kleinen Teil dazu beitragen!
Hier könnt ihr unserem Boot folgen und unsere Route mit allen Beiträgen unter „show journey“ sehen: