Ich halte mich an dem Plastikgriff meines Vordersitzes fest um den Jungen in Schuluniform neben mir nicht gleich aufm Schoß zu sitzen, während der Kleinbus um die nächste scharfe Linkskurve brettert. Mit mehrmaligen Hupen natürlich, um sich anzukündigen, das ist das einzige was die Beats aus den Lautsprechern übertönt. Und immer wieder lautes klopfen an die Fahrzeugwand. Das Zeichen, um auszusteigen. Alle schauen sich kurz um, wer raus will und ob man aufstehen, rausgehen, vielleicht einen Sitz hochklappen muss, um die Mutti mit ihren Einkäufen rauszulassen, alle wieder rein, neue Sitzaufteilung. Einige der 20 Fahrgäste, zahlen zwischendurch beim Doorboy (so nennen wir sie). Der macht die Schiebetür auf und zu (meist bevor der Fahrer gehalten hat) und hat oft selbst keinen Sitzplatz, aber quetscht sich immer irgendwo dazwischen. Jetzt sitzt die Frau, deren dicke schwarze Zöpfe ich die ganze Zeit vor mir bewundert habe, neben mir. Sie spielt gelangweilt irgendein Handyspiel, bis sie eine Minute später wieder aufstehen muss, ohne Beschwerde, um den nächsten an seinem Ziel herauszulassen. Es gibt keine Haltestellen, jeder steigt ein und aus wo er gerade ist oder hinmuss. Für die meisten ist es der tägliche, langweilige Heimweg von irgendeinem Job oder Einkauf. Für mich ist lokales Busfahren in Grenada immer wieder aufregend und interessant. Es gibt keinen besseren Platz um die Menschen und deren Kultur besser kennenzulernen. Und nebenbei ziehen grüne Berge, Täler, kleine Dörfer und rauchende Straßenstände an einem vorbei, hinter jeder Kurve (und davon gibt es viele) könnte sich gleich der Blick auf ein atemberaubendes Tal in unendliche vielen Grüntönen auftun, oder auf eine Bucht, an dessen Riff sich weit draußen die Wellen brechen, bevor sie in eine mit Inseln und Hügeln umrandete Bay hineinlaufen, wo sie trotzdem noch genug Kraft haben um die Segelboote zum schaukeln zu bringen. Der Atlantik ist halt nicht ganz zu zähmen durch ein paar Korallen im Wasser.
Und die schaukelnden Boote und deren Bewohner gehören zu Grenada wie das Busfahren. Sie sind ein Teil der Gemeinschaft, statt nur als kurze Urlauber betrachtet zu werden. Sie schaffen Arbeit und bringen damit Geld und kommen immer wieder. Zumindest fühlt es sich so tatsächlich an, als ist man kein Fremder und gehört dazu. Oder es fühlt sich nur so vertraut an, wenn man halt schon seit fast 3 Monaten auf einer karibischen Insel, wie Grenada ist. Die Menschen sind auf jeden Fall außergewöhnlich freundlich, hilfsbereit, umsichtig, entspannt und interessiert. Außer in den quirligen Straßen der hügeligen Hauptstadt St. George, grüßt man sich auf der Straße. Jeder kennt jeden und nach einer Weile, sieht man auch immer wieder die gleichen Gesichter. Beim samstäglichen Hash zum Beispiel. Hier trifft die lokale Gesellschaft der „Drinker with a running problem“ auf die Segler, die hier jede Woche in den Buchten eingesammelt und hergefahren werden. Wir kommen mit dem öffentlichen Bus. Und ist der Weg von der Straße zu dem Treffpunkt mal etwas weiter, wird man ziemlich sicher von irgendjemanden eingesammelt und mitgenommen. Auch das ist selbstverständlich in Grenada.
Der Hash besteht daraus, durch einen mit Schnipseln markierten Weg durch den Busch zu laufen, als Jogger oder als Wanderer. Die Touren gehen über Felder, Strände, Kakaoplantagen, durch Nachbars Garten und durch Flüsse. Und immer wieder rauf und runter, weil das in Grenada nunmal nicht anders geht. Und immer schön schlammig und rutschig, weil auch das in der Regenzeit nunmal nicht anders geht. Nach 1-2 Stunden kommt man durchgeschwitzt, schmutzig und erschöpft wieder am Ausgangspunkt an. Dort wartet kühles Bier darauf den Durst zu stillen und eine Lambie Suppe, Oil Down (das Nationalgericht) oder gegrilltes Hühnchen sorgen für die nötige Grundlage.
Wir waren schon drei mal dabei und kennen den Ablauf. So stehen wir jetzt nur noch verzückt an der Seite und schauen dem folgenden Ritual zu, dessen „Opfer“ wir vor 3 Wochen selbst wurden: alle Erstteilnehmer „Virgins“ stellen sich auf, bekommen ihre Urkunde vorgelesen und rücken dann für ein Foto näher zusammen, wenn alle freudig die Arme heben und „on on“ fürs Foto ausrufen, ergießt sich ein Bierdusche von allen Seiten. Das war also das versprochene „Freibier“. Immer wieder ein Spaß. Danach wird die Musik wieder hoch gedreht und weiter getrunken. Jede Woche findet diese Veranstaltung in irgendeinem anderen Teil der Insel statt und damit kann man prima ziemlich viele Ecken von Grenada kennenlernen.
Zwischendurch machen wir ab und zu mal noch Ausflüge zu den Touri-Must Haves. Gerade die Wasserfälle hier haben es mir angetan. Und davon gibt es einige. Zu den ersten beiden hatten wir eine ordentliche Wanderung. Erst vom Ankerplatz die Straße zum ersten hinauf, der mit Eintritt und Parkplatz auch auf der Kreuzfahrt-Ausflugsliste steht. Und dann direkt weiter den Fluss hinauf. Dabei immer wieder den Weg suchend, weil nicht immer klar war, wo und auf welcher Seite des Flusses es weiter geht. Nach der vierten flussüberquerung hören wir auf zu zählen. Und zum Schluss ist gar kein Weg mehr auszumachen. Aber wir sehen den beeindruckenden Wasserfall schon und daher geht das letzte Stück einfach im Flussbett weiter, über riesige, glitschige Felsen nach oben kletternd und noch ein Stein runter rutschend und noch eine Stromschnelle überspringend. Und dann der ersehnte Sprung in das kalte, tiefe Becken, welches sich unter dem Wasserfall gebildet hat. Herrlich. Wir sind ganz allein. Es fängt an zu regnen. Egal, sind ja eh schon nass. Tatsächlich folgt einer der seltensten Momente hier: ich friere! Heißt Rückzug antreten, denn der Weg hinab bringt einen schon wieder ins schwitzen. Schön war’s am Au Coin oder Fontainbleu Wasserfall. Da er nicht ausgeschildert ist, wissen wir bis heute nicht, welchen der beiden Namen er trug und ob wir einen anderen verpasst haben. Alle drei werden wohl Concord-Falls genannt. Die französischen Namen sind manchmal etwas verwirrend. Hier spricht man englisch. Aber die Franzosen waren zwischendurch auch mal da und haben Eindrücke hinterlassen, vor allem in der Namensgebung.
Der Besuch des Mount Carmel Wasserfalls an der Ostküste ist nicht so abenteuerlich, aber ebenfalls sehr in Erinnerung geblieben. Die breite hohe Felswand kann sicher auch einiges mehr bieten, bei noch mehr Regenfall. Unser Besuch dort ist entspannt, ich lauf-klettere einfach im Bikini den Flusslauf hinunter, überschwimme ein paar tiefere Stellen und genieße das kostenlose, kühle Süßwasserbad. Unmengen an Süßwasser sind als Boati nicht mehr selbstverständlich. Danach durchstreifen wir noch ein bisschen den Wald. Versuchen eine Kakaofrucht zu ernten oder inspizieren einen Gecko am Mangobaum.
An das viele Grün habe ich mich inzwischen gewöhnt, wenndoch ich es immer wieder bestaune. An die steilen Wege noch nicht ganz. Egal wo man in Grenada an Land geht, es geht 5 Meter weiter immer erstmal steil nach oben. 100 Meter Luftlinie zur Straße, wo der Bus hält, kann auch 100 Meter Höhenunterschied bedeuten. Die Knie lassen es einen häufiger spüren, dass sie sowas nicht gewohnt sind.
Aber dafür legt man ja auch immer mal Boots-Tage ein. Geht schwimmen, den Köpper von der Reling üben oder dreht ne Runde mit dem SUP und widmet sich den alltäglichen Kleinigkeiten, wie Wasser holen, Schlauchboot von Seepocken befreien, Wäsche waschen. Manchmal liegt man auch einfach nur im Cockpit rum, bewundert die grünen Hügel und die Inseln ringsum und hört die Wellen am Riff brechen und freut sich hier sein zu dürfen. Was für eine schöne Insel. Wir bleiben noch eine Weile.
Liebe Nici, lieber Heiko,
liebe Grüße nach Grenada!
Für mich war die Insel (neben Antigua) eins meiner absoluten Highlights auf der Karibik-Kreuzfahrt. Ich hätte gerne weitaus mehr Zeit dort verbracht. Danke für die tollen Eindrücke!
Genießt die Zeit und lasst es euch gut gehen!
Tara