Es ist Sonntag Nachmittag, ich sitze im Schatten auf einer Holzbank, ein kühles Stag in der Hand, die nackten Füße im Sand, der Blick streift über die kleine Insel, viele knorrige Bäumen säumen den Strand und Bob Marley schallt aus den Boxen. Hinter der Bucht wird die Sonne bald hinter den grünen Bergen von Grenada verschwinden. Immer mehr bekannte Gesichter trudeln ein und gesellen sich zu uns. Vom Bier wird zum Rumpunsch gewechselt und die Gespräche sind genauso vielfältig wie Nationen: Engländer, Norweger, Kanadier und deutsche tauschen sich über die besten Ankerplätze der Karibik und die Erfahrungen auf Atlantiküberquerungen aus und klagen gemeinsam über Schlafmangel wegen regen und Wärme in der letzten Nacht. Denn eines haben wir alle gemeinsam: das Leben auf einem Boot.
Und so ist hier Grenada, besonders in der Sommersaison, wo viele länger bleiben um die Hurrikansaison zu verbringen, eine richtige Cruiser-Gemeinschaft entstanden. Nachdem wir so viele Monate herumgereist sind, tut das ankommen in einem Leben mit ein bisschen Struktur, tatsächlich ganz gut. Struktur gibt es, weil es einfach wöchentlich dieselben Programmpunkte gibt, zu denen man gehen kann um neue Leute kennenzulernen oder bekannte Gesichter wieder zu treffen.
Zum Beispiel bei Live Musik am Donnerstag in Nimrods Rum Shak, samstags beim Grenada Hash (hab ich das letzte mal hier erzählt) oder, wie Anfangs beschrieben, Sonntags auf der kleinen Hog Insel an Roger‘s Beachbar.
Mittwochs gibts 1-Dollar-Wings in der Marina, was wir gern kombinieren mit einer Runde Hobiecat fahren. Im Petit Calvigny Yacht Club, einer Segelschule, primär für die Einheimischen Kids, sind wir inzwischen Mitglied, weil uns das Segeln auf kleinen Booten gefehlt hat. Mit den Mini-Katamaranen kann man prima durch die Bucht sausen und wird dabei ordentlich nass. Danach wird das Salzwasser im dazugehörigen Pool abgewaschen. Kostenloses Süßwasser ist ein Luxus. Dann noch eine große Portion Chicken Wings für kleines Geld und einen Plausch mit anderen Gästen und so ein Tag ist ausgefüllt.
Was es sonst noch an Veranstaltungen gibt, erfährt man im morgendlichen Cruisers net über Funk. Dort machen nicht nur die Gas- und Benzin-Lieferdienste und Shopping-Busse (zu Marine Shops und Malls) Werbung, sondern es werden auch bevorstehende Veranstaltung geteilt, wie ein Ausflug zum nächtlichen Schildkröten- beim-Eier-am-Strand-legen-Beobachten, an der wir letzten Monat teilgenommen haben. Was für ein besonderes Erlebnis.
Da die Funkrunde immer 7:30Uhr stattfindet, nehme ich nicht ganz so regelmäßig teil, denn im Gegensatz zu den meisten anderen Boots-Rentnern hier, hat sich meine biologische Uhr noch nicht umgestellt. Auch wenn halb zehn das Mitternacht der Segler ist und auch ich hier früher schlafen gehe. Die Informationen finden sich aber auch alle auf den Grenada Cruiser Facebook Seiten. Und so bin ich hier plötzlich doch ein Socialmedia-Nutzer geworden.
Manchmal lohnt es sich aber doch früh aufzustehen, um sich zum Beispiel der wöchentlichen Wandergruppe anzuschließen, die laufen oft 6:30Uhr los um irgendwo zu frühstücken. Das haben wir noch nicht geschafft. Dafür eine nette Wanderung um 8Uhr zum größten Strand von Grenada. Statt frühstück gabs dort das erste Bier um 9:30Uhr. Aber pünktlich zurück in der Heimatankerbucht, als die Sonne unermüdlich wird.
Zwischendurch gibts auch mal total verregnete Tage in einer Regensaison in der Karibik. Ausgerechnet an einem dieser Tage, fand die Segelregatta statt, zu der uns William, unser Schottischer Bootnachbar angemeldet hatte. Anders als an den meisten Gewittertagen, war dieser, neben angenehmen Temperaturen, von Windarmut geprägt. Da sitzen wir also in unseren Regenjacken, eine 3 köpfige Crew, keiner jemals ne Regatta gesegelt, noch nie auf so einem J24 Renn-Segelboot gewesen und kein Lüftchen. Letzteres ist etwas, womit Heiko und ich uns auskennen. Der Maschsee hat uns gelehrt bei wenig Wind, aus unterschiedlichen Richtungen, trotzdem Vorwärts zu kommen.
Die J24-Rennboote in den ersten beiden Rennen, stehen teilweise einfach auf der Stelle oder bewegen sich gar rückwärts. Es ist also eher ein lustiges Schauspiel. Dann sind wir dran. Nach dem alle Boote des zweiten Rennens es durch die Ziellinie geschafft haben, bringt uns ein Fahrer mit dem Schlauchboot zu unserem ersten Boot. Fliegender Crewwechsel auf dem Wasser bei stehenden Segeln. Irgendjemand lässt die Pinne los, das macht man doch nicht. So greife ich schnell zu und sitze damit plötzlich am Steuer, Heiko spielt den segellehrer und gibt neben mir Anweisungen und nachdem wir die erste Wende gefahren sind und auf die nächste Tonne vorm Ziel zuhalten, ziehen wir doch tatsächlich im Schneckentempo an den anderen vorbei rasen in Zeitlupe als erster ins Ziel. Verrückt. Nun kommt zur ursprünglichen Spaß-Motivation auch noch echter Ehrgeiz hinzu, denn wir haben plötzlich durchaus die Chance von den 12 Crews auf den ersten Platzierungen zu landen. So sind wir in den folgenden zwei rennen die noch vor uns liegen, wesentlich ambitionierter und schaffen es doch wahrhaftig auch da jeweils zweiter zu werden und damit den Dritten Platz von 12 zu ergattern. Wir feiern uns ein ein bisschen selbst und sind ein wenig stolz auf unsere Leistung, vorallem weil es neben einer Urkunde auch noch Preisgeld in Form von ner Flasche Rum und nen Gutschein für den Marineshop gibt. Was für ein Spaßiger, aber langer Tag. Da die Rennen so lang gedauert haben, wurde die Distanz schon beim ersten Durchlauf halbiert, sonst hätten wir auch die ganze Nacht gebraucht. Jetzt haben wir Regatta-Blut geleckt und werden nächste Woche auch am Hobiecat Race teilnehmen, auch wenn wir gegen die Kids keine Chance haben. Eine Regatta rund um Grenada mit dem eigenen Boot, sparen wir uns allerdings – mit unserem Tanker fährt man zwar sicher, aber sicher nicht schnell.
Unser Dingi hingegen ist schnell und bringt uns täglich an Land zu den Lokalitäten ringsum, das Verkehrsmittel Nummer eins, und auch Kommunikationsmittel, denn es ist schnell mal passiert, dass man an einem Bootsnachbarn anhält, einen kurzen Plausch hält und sich dann auf ein bis drei Bier im Cockpit wiederfindet.
Um so schlimmer also auch, wenn das Verkehrmittel mal kaputtgeht. Als wir eines Tages von einem Ausflug zurück zum Hafen kamen, lag unser dingi da mit ganz schön wenig Luft. Die Muschelreste die überall drauf lagen, verrieten ziemlich schnell, was geschehen war: das Schlauchboot war bei Ebbe unter den Seg gerutscht und das steigende Wasser, hatte es gegen die scharfen Muschelkanten gedrückt, die unter so einem Holzsteg ja gerne mal leben. Anfängerfehler. Ein Kurzes aufpumpen reichte um bis zum Boot zu kommen, dort Flicken wir. Allerdings bedeutet Flicken auf den Kratzer kleben auch immer: ein Tag auf dem Boot festhängen, weil der Kleber 24h aushärten muss.
Doof, dass der erste Versuch zwar getrocknet war, aber irgendwo aus dem Flicken immer noch Luft kam. Also zweiter Versuch und warten. Am nächsten Morgen geht Heiko zum Dingi auf dem Vordeck und pustet es auf und steht ne Minute später mit dem Flicken wieder vor mir. Na super. Der Kleber hat also mal gar nicht gehalten. So überhaupt nicht. Lässt sich einfach abziehen. Na toll. Scheiss Zeug. Und Doof nur, dass wir gleich unsere gefüllten Gasflaschen und Benzinkanister in der Marina abholen müssen, wo wir ohne Dingi nicht hin kommen. Also fragen wir den Norwegern nach ob sie Taxiservice spielen können. Kurz darauf kommt Glen mit seinem Dingi vorbei, nimmt Heiko mit zur Marina und ne halbe Stunde später kommen Björn, Heiko, drei Gasflaschen, 20 Liter Benzin und nen Kasten Bier zurück. Ein weiterer Tag aufm Boot ist also angesagt. So putze ich ein bisschen das Unterwasserschiff, die Algen, Muscheln und Schnecken gehen erstaunlich leicht mit der Gummispachtel ab, die Minikrabben, die man dadurch aufscheucht lieben es allerdings über mich herzufallen. Pfui.
Ende der Geschichte ist, dass auch der nächste Versuch nicht richtig hält, wir erstmal mit Pumpe bewaffnet überall hinfahren und schließlich bei einem Dingiservice landen, der uns erklärt, dass wir bei der wärme und Luftfeuchtigkeit hier, wohl kaum einen Kleber zum Trocknen kriegen. Wie gut, dass er sein Geld damit verdient, sowas in einer Klimatisierten Halle zu reparieren. Aber wir bekommen immerhin ein Ersatz-Dingi während wir auf den professionellen Flicken warten. Der hält jetzt auch und wir sind noch umsichtiger mit der Parklücke fürs Dingi.
Die direkten Nachbarn nebenan, kommen auch schon mal rübergeschwommen um ein bisschen Fisch zu teilen, von dem Mahi Mahi, den sie unterwegs gefangen haben.
Natürlich ist das nicht immer und nicht mit allen Nachbarn so, aber zum „Nachbarschaftsstreit“ auf dem Wasser, erzähl ich beim nächsten mal mehr. Jetzt müssen wir doch los, bevor die Kiddies die ganzen Pool in Beschlag nehmen und die Chicken Wings aufessen.