Abenteuer Panamakanal – unsere Durchfahrt

Es ist 4 Uhr morgens, die Sicht gleich null, und es schüttet aus Kannen, als sich ein Lotsenboot nähert und unser Advisor bei uns an Bord springt. Jetzt geht’s also los durch den Panamakanal. An alles hatte ich gedacht – nur nicht daran, klitschnass bis auf die Unterwäsche vor Sonnenaufgang zu frieren. In Panama sonst eher unwahrscheinlich. Aber zusätzlich zu Aufregung und Anspannung zittere ich vor Kälte, als wir wenig später hinter einem riesigen Frachtschiff in die erste Schleuse fahren.

Das Lotsenboot bringt unseren Advisor an Bord

Eine Stunde zuvor hatte sich unsere Crew auf der Celerity zusammengefunden. Im stockdunklen Hafen, nur mit einem Hand-Scheinwerfer, fuhren wir hinaus, funkten die „Signal Station“ an – und hörten schon das vertraute Donnern und Grollen ringsum. Die erste Gewitterwand sahen wir noch nicht, die zweite Wolke näherte sich, als wir schon in der Schleuse waren. Ich hatte inzwischen eine Regenjacke übergezogen – bringt aber nichts, wenn alles andere darunter klitschnass ist. Zum Umziehen bleibt keine Zeit.

ein winziger Punkt hinter dem Stahlkollos

Nachdem die Glorious Ace Stellung bezogen hat, positionieren wir uns in der Mitte der Schleuse. Auf der Mauer, zehn Meter über uns, stehen Kanalmitarbeiter und werfen die sogenannten „Affenfäuste“ aufs Boot – schwere Stahlkugeln mit dünnem Seil umwickelt. Zum Glück werfen und treffen sie gut, niemand wird verletzt und nichts beschädigt. Nun geht es schnell: Im Bug und Heck liegen dicke Festmacherleinen bereit. Jeder von uns hat seine Ecke. Ich stehe hinten links, knote das dünne Seil mit einem Palstek an meine dicke Leine.

Der Mann auf der Mauer zieht das Seil ein, bis er meine Leine um einen Poller legen kann. Ich belege schnell die Klampe, dasselbe auf der anderen Seite. Heiko hält Celerity am Steuer, 50 Meter hinter dem 200 Meter langen Frachter. Nachdem auch die anderen beiden Leinen befestigt sind, schließt sich das Schleusentor hinter uns. Wir sehen den Atlantik zum vorerst letzten Mal. Meine Nerven sind bis zum Zerreißen gespannt.

Die Route durch den Panamakanal – einmal quer durch Land

Dann geht es los: langsam steigt das Wasser und bringt uns die ersten neun Meter nach oben. Wir holen nach und nach alle vier Leinen Stück für Stück ein, damit immer Spannung drauf ist und unser Boot den Abstand zu den Mauern hält. Der Abstand ist groß – keine Gefahr, denke ich. Bis der Frachter vor uns seine Maschine anwirft und Vollgas gibt.

Die Strömung, die dieser Riese erzeugt, lässt unsere Celerity von einer Seite zur anderen straucheln. Das Boot wird mit dem Bug zur Seite gedrückt, die Leinen spannen sich mit solcher Wucht, dass es einmal gefährlich laut an einer Klampe knackt. Scheiße, hoffentlich halten die Verankerungen! Die hinteren Klampen haben noch nie so eine Last erlebt. Aber Zeit zum Nachdenken bleibt nicht. Weiter geht es in die zweite Schleusenkammer.

Die Kanalmitarbeiter laufen am Rand der Mauer entlang, Leine in der Hand. Wir stehen zu viert an unseren Ecken und führen sie. Heiko fährt so langsam, wie die Linehandler laufen – gar nicht so einfach in Lateinamerika, wo niemand schnell einen neun Meter hohen Hügel hochrennt. Die Leine darf sich nirgends verhaken, und am Ende ist sie wieder neun Meter über mir fixiert. Dann geht das Spektakel ein zweites Mal los.

Obwohl unser Advisor den Frachtschiffkapitän mehrfach bittet, sanfter Gas zu geben, passiert dasselbe auch in der zweiten Schleusenkammer. Vollgas, unser Boot hängt knirschend und krächzend in den Seilen. Wir sind erschrocken, der Advisor sauer. Laut ihm völlig unnötig. Aber Kapitän und Pilot der Glorious Ace kümmern sich einen scheß um ein kleines Segelboot hinter ihnen.Die Penner! 

In der Schleuse: Der Berg mit Schienen

Beim nächsten Gassi-laufen amüsiere ich mich schon köstlich über das Bild, wie vier Menschen unser Boot an Leinen einen „Berg“ hinaufführen. Lustig! Noch einmal Fahrstuhl fahren – und wir haben die 27 Meter Höhenunterschied des Tages geschafft, hinaus auf den Gatun-See.

Durchatmen zwischen Adrenalin und Aufgaben

Als wir erfahren, dass wir bei den nächsten Schleusen vor dem Frachter stehen, bemerkt Heiko gehässig: „Dann mach ich das auch so und geb Vollgas und zeig’s ihm!“ – mit diesem herzlichen Lacher fällt die Anspannung bei allen Crewmitgliedern ab. Wir haben die ersten Schleusungen geschafft: alle Finger dran, kein Schaden. Puh.

Doch die nächste Sorge kommt sofort: wir sind zu langsam. Fünf Knoten Mindestgeschwindigkeit, um durch den Panamakanal zu dürfen. Maximal sechs Knoten hatten wir angegeben – aber mit sechs Menschen, vollem Bauch und gegen die Strömung schaffen wir nur 4,6 Knoten. Eigentlich sollten wir gleich hinter der ersten Schleuse an Bojen den restlichen Tag und die folgende Nacht verbringen und erst am nächsten Morgen zu den Pazifik-Schleusen aufbrechen.  Doch die 33 km bis zur nächsten Station brauchen mehrere Stunden. Da wir diesmal VOR einem Frachter in die Schleuse fahren, haben wir einen festen Zeitplan einzuhalten. 

Kurzerhand hängt sich unser Advisor ans Telefon: Gute Nachricht, wir dürfen weiterfahren und den Tag nutzen, um entspannt durch den Gatun-See zu schippern. 

So fahren wir die nächsten vier Stunden durch die grüne Landschaft, bestaunen immer wieder große Containerschiffe, die sehr nah an uns vorbeiziehen und deren Wellen alles zum Schaukeln bringen. Die Sonne kommt raus und wärmt unsere nassen Sachen und erfrorenen Glieder. Celina und Tomek, unsere beiden Polnischen Linehandler, die wir in der Marina kennengelernt haben, halten ein Nickerchen. Tito und Danjo singen Lieder ihrer Schulzeit und quasseln ununterbrochen, während sie Heiko und mir im Weg sitzen, um die Bojen zu erkennen, an denen wir uns dicht entlang hangeln, um den Großen möglichst viel Platz zu lassen.  

Dankbar für diese Großartige Crew durch den Kanal (v.l. Nici, Tomek, Celina, Tito, Heiko)

Heiko und ich wechseln uns am Steuer ab, jeder hat mal Pause. Bis zur Boje ist es also eine entspannte Fahrt. 

An unserem Ankerplatz angekommen, macht Tito, ein professioneller Linehandler, den wir mit Leinen und Fendern gemietet haben, ganz gekonnt seitlich an einer riesigen Plastiktonne fest. Schon wieder sind wir heilfroh, wenigstens einen Kanal-Erfahrenen Einheimischen an Bord zu haben. Tito ist so 1500 bis 1700 mal durch den Kanal gefahren. So genau weiß er das nicht mehr. 

Nach dem Festmachen verlässt uns der Advisor. Am nächsten Morgen kommt dann ein Pilot an Bord, um uns durch die Schleusen bergab zu navigieren. 

Kurz nachdem das Lotsenboot verschwunden ist, kommt wieder ein Boot der Kanalaufsicht. Tito diskutiert ne Weile auf Spanisch mit ihnen. Hier dürfen wir nicht bleiben. Sie hätten angerufen. Wir werden an eine andere Boje verwiesen. Als wir den Motor wieder anwerfen um nochmal umzuziehen, sehe ich das mein Telefon klingelt, nicht zum ersten Mal. Die Dame vom Panamakanal-Office erklärt, dass gleich ein Boot kommen wird, weil wir an eine Notfall-Boje belegen und diese frei bleiben muss. Also, drei Leinen wieder ab, 100 Meter fahren, drei Leinen wieder dran. 

Leinen und Fender sind geliehen- 4 solche langen, dicken Seile haben wir sonst nicht an Bord

Jetzt ist aber endlich Zeit zum Entspannen. Während wir im Cockpit den verrückten Geschichten lauschen, die Tito zuhauf zu erzählen hat, grast am Ufer ein dickes fettes Capybara. Und wir lauern darauf, ob sich gleich ein Krokodil anschleicht. Doch das Riesenmeerschwein bleibt am Leben, bis wir alle früh in die Kojen fallen. Ein langer und anstrengender Tag für alle. 

Zweite Etappe – der Pazifik rückt näher 

Am nächsten Morgen, eine Stunde später als geplant, kommt der Pilot. Carlos, jung, geschäftig, aber entspannt, gibt nur präzise Anweisungen.

Sobald wir den Frachter erblicken, der diesmal unser Schleusenfreund sein wird, kehrt angespannte Stille auf dem Boot ein. Alle sind konzentriert. Zuerst geht es seitlich an eine Mauer. Dort warten wir, bis die „RCC Antwerp“ sich hinter uns bereit gemacht hat und der Schlepper kommt, an dem wir diesmal seitlich festmachen. Jetzt kommen die dicken Fender zum Einsatz – und wir dürfen auch mal Leinen werfen. Mein Wurf sitzt zum Glück beim ersten Mal, und wir vertäuen uns eng am Schlepper-Boot. Diesmal muss er während des Schleusens alles handhaben, und wir haben Zeit, das Schauspiel zu beobachten, wie der Frachter hinter uns festgehalten wird.

Leinen vorbereiten auf dem Vorschiff

Auf jeder Seite verlaufen Stahlseile, festgespannt, zu einer Eisenbahn auf Schienen. Die alten Locks klingeln dabei lustig zur Kommunikation.

So nah vor einem riesigen Koloss zu stehen, ist beeindruckend und beängstigend – eine Situation, die man normalerweise nie erleben möchte. Die Brücke kann uns von oben nicht mehr sehen. Dann kommt das Signal zum Start der Schleusung. Diesmal geht es bergab, die Mauern werden immer höher.

Die Pedro-Miguel-Schleuse hat nur eine Kammer. Neun Meter tiefer fahren wir ein Stück bis zu den Miraflores-Locks. Diese Schleusen, direkt in Panama-Stadt, haben eine sehr beliebte Besucherplattform. Die Tribüne ist voll, es wird geklatscht – aber leider nicht für uns. Neben uns, näher an der Aussichtsplattform, wird parallel ein anderes großes Schiff geschleust. Die Besatzung genießt die Aufmerksamkeit, winkt und jubelt dem Publikum zu. Wir hingegen haben keine Zeit zum Winken.

Webcam der Miraflores-Locks
Webcam: CELERITY verschwindet hinter der Mauer

Als wir aus der ersten Schleusenkammer in die zweite fahren, wieder an der Leine, bleibt meine Leine mehrmals irgendwo hängen. Der Kanalmitarbeiter kommt kaum hinterher, um das Seil zu entwirren. Dann kriege ich die Leine nicht schnell genug fest – das Boot ist noch in Vorwärtsfahrt, und von Hand kann ich das Gewicht kaum halten. Doch rechtzeitig, nur mit einer leichten Quetschung am Finger, gelingt es mir, die Klampe zu belegen.

Dann kommt auch schon der Frachter hinter uns und schiebt mit drei Knoten eine Bugwelle vor sich her. Die Strömung läuft auf uns zu, die Leinen spannen sich und halten die CELERITY an Ort und Stelle. Alle Leinen sind fest, alle in Position. Nun erwarten uns die letzten Meter nach unten. Während die Schleusenwand immer höher wird, geben wir immer wieder etwas Leine nach, damit sich das Boot nicht aufhängt. Und ehe wir uns versehen, ertönt das Signal zum Öffnen der Tore. Die Leinen fallen und werden eilig an Bord gezogen – und dann ist es geschafft: da ist er – DER PAZIFISCHE OZEAN.

Dahinter liegt der Pazifik

Jubel, Erleichterung und weitere Meilensteine

Ein Freudenschrei durchzieht die Crew. Für uns ist es der Beginn einer neuen Ära. Denn nun gibt es kein Zurück: Wer weiter will, muss durch den Pazifik. Für unsere polnische Crew ist es einfach Freude, diese Erfahrung gemacht zu haben, bevor sie selbst im Dezember mit ihrem Boot diesen Weg gehen. Vielleicht treffen wir sie wieder – irgendwo auf der anderen Seite der Welt. Für Tito ist es nur ein weiterer Job; alle drei kehren noch am selben Tag auf die Atlantikseite zurück und sind zwei Stunden später per Bus wieder zu Hause.

Yeah. Welcome to the Pacific“

Während die Crew sich zur Abholung vorbereitet und Heiko das Boot am Containerhafen von Panama City vorbeilenkt, koche ich noch die vorbereiteten Spaghetti Bolognese für alle. Die haben wir uns verdient. Als wir keine Stunde später allein im Cockpit sitzen und auf unseren ersten Pazifik-Ankerplatz zusteuern, fällt die ganze Anspannung ab. Ich glaube, ich war in meinem Leben noch nie so dauerhaft angespannt wie in diesen zwei Tagen: so viele neue Dinge, so viele Möglichkeiten, Fehler zu machen, so viel Potenzial für Schäden am Boot und so viel Geld, das dafür geflossen ist. Eine Fahrt durch den Panamakanal kostet ein Vermögen: 4.000 Euro – wovon wir hoffentlich 1.000 Euro zurückbekommen (Kaution), weil wir nichts kaputtgemacht haben und keine Verspätung verursacht haben. Unglaublich, vor allem, weil wir ja einfach nur mitgeschleust wurden von einem Schiff, das bereits seine Million dafür auf den Tisch gelegt hat.

Die Gebühr mussten wir übrigens in Bar entrichten, bei einer speziellen Bank. In Panama bekommt man an allen Automaten maximal 250 Dollar auf einmal ausgezahlt – wir haben also eine Weile am Automaten verbracht, plus 6,80 Dollar Gebühren für jede einzelne Auszahlung! Vorher haben wir zum Glück noch unser Auszahlungslimit spontan erhöhen lassen – ging problemlos und schnell per Anruf bei der DKB.

Davon abgesehen, und abgesehen von den Nerven, die ich bei der Beantwortung der tausend Fragen für die Anmeldung zum Panamakanal gelassen habe, sind wir sehr zufrieden mit dem Ablauf. Vor allem, weil wir in der Nebensaison freie Wahl für den Termin hatten: Montag bezahlt, Mittwoch geschleust. Von Januar bis Mai ist das nicht machbar – da wartet man durchaus mal sechs Wochen.

Erleichterte Gesichter: Angekommen im Pazifik

Das war er also, der zweite große Meilenstein auf unserer Reise. Seit der Atlantiküberquerung bereiten wir uns darauf vor… vor allem, weil der nächste Meilenstein nun direkt vor uns liegt: die Pazifiküberquerung.

Wobei „Überquerung“ eigentlich nicht richtig ist – erstmal fahren wir zu den Marquesas. Das ist ungefähr die Hälfte des gesamten Pazifiks. Von Panama bis zu den Marquesas liegen zunächst 4.000 Seemeilen, ohne dass irgendwo Land in Sicht ist. Danach kann man Inselhüpfen bis zur anderen Seite des Ozeans machen. Aber zuerst müssen diese 7.000 Kilometer überbrückt werden – wie von Hannover nach Peking radeln. Und gemütliches Radeln entspricht in etwa unserer Segelgeschwindigkeit.

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