Fluch der Karibikinsel St. Vincent

Die Sonne brennt, wie immer, vom Himmel. Wir stehen bereits seit einer Stunde auf einem Parkplatz mit Dutzenden schwitzenden Menschen, alle vollbepackt mit schwarzen Tüten voller Weihnachts- und Markteinkäufe, es läuft Reggae Musik aus irgendeinem Lautsprecher. Ein paar Leute verkaufen zu Eisklötzen gefrorene Säfte aus Kühlboxen, sowie Snacks und diversen Kleinkram. Im Minutentakt kommt irgendein bunter Minivan auf den Busbahnhof gefahren und brüllt irgend etwas Unverständliches. Zum Glück wissen wir inzwischen, dass der Bus, den wir nehmen wollen, in einer bestimmten Ecke des Parkplatzes hält. Wenn die 30 Leute, die dort mit uns stehen, aufspringen und die Tür umringen, wissen wir, dass es der Richtige ist. Sicherheitshalber fragen wir, bevor wir uns übereinander mit den anderen 20 Leuten in den 10-Sitzer quetschen nochmal, ob er auch wirklich dorthin fährt, wo unser Boot steht. Bus fahren ist in St Vincents Hauptstadt Kingstown echt nichts für Anfänger. Für Touristen offensichtlich erst recht nichts. Es gibt keinen Plan, keine Nummern, an jedem zehnten Auto steht mal ein abgekürztes Ziel geschrieben, ansonsten muss man halt die zwei Silben interpretieren können, die der Fahrer ruft. Die sind aber alles andere als eindeutig. Inzwischen wissen wir immerhin, dass wenn jemand „Bagga“ ruft, der Ort Baroualli gemeint ist. Klar, total naheliegend.

Young Island- unser Ankerplatz in den ersten beiden Wochen

Das war in den zwei Wochen, die wir im Süden von St. Vincent verbracht haben, wesentlich einfacher. Hier gab es an der Straße nicht so viele Richtungen in die der Bus fuhr. Gut also, dass wir von dort einige Ausflüge gemacht haben um die wunderschöne Insellandschaft zu erkunden. Denn das war es allemal wert. Wahnsinn, dass es zu den grünen Bergen von Grenada noch eine Steigerung gibt. Das Grün hier ist noch voller, noch dichter, noch grüner. Steile, schroffe Felsen, werden von sattgrünen Flusstälern durchzogen, die an schwarzen Stränden münden, an dessen Seiten sich über und über Palmenhaine und Bananenplantagen ziehen. Und überall diese schwarzen Vulkanfelsen. Einfach faszinierend. Kein Wunder, dass hier Fluch der Karibik gedreht wurde und man noch Kulissen besuchen kann. Mystisch ist diese Insel. Und über all dieser spektakulären Landschaft trohnt der Vulkan Soufriere, ein noch aktiver Vulkan, der erst 2021 ausgebrochen und alles mit Asche bedeckt hat.

Grün überall – Montreal Garden

Aber fruchtbar macht es diesen Boden. Landwirtschaft, besonders Bananen, prägen die Landschaft, fallen aber zwischen all den anderen grünen Gestrüpp gar nicht auf. Natürlich musste Nici auf den mit 1234 Meter höchsten Punkt, den Vulkan Soufriere. Der Wanderweg ist bis auf das letzte Stück, gut ausgebaut. Danach geht es über Lavafelsen und Aschefelder.

Über Lavafelder zum Gipfel des Vulkan Soufriere

Und dann kommt plötzlich der Abgrund. Wir werden zum Glück gewarnt, denn wir stehen mitten in den Wolken. Doch tatsächlich endet der Boden einfach plötzlich und es erstreckt sich ein kilometergrosses, tiefes Loch vor uns, der Vulkankrater. Zum Teil mit einem See bedeckt, zum Teil steigen Schwefelschwaden auf.

Blick in den Abgrund (liegend)

Es riecht nach vergammelten Eiern, es ist windig und es ist eiskalt. Zum Glück haben wir Jacken dabei. Ich friere trotzdem. Ab und zu zieht sich die Wolkendecke auf und gibt den Blick auf den Krater und das Meer auf der anderen Inselseite frei. Sekunden später sind wir wieder in graue Wolken gehüllt.

Vulkankrater, Meer auf der anderen Inselseite und ein frierender Heiko

Optimales Wetter haben wir uns ausgesucht, denn an dem Berg bleiben die Wolken, die sich über dem Atlantik aufbauen eigentlich immer hängen und regnen sich auf der Luvseite (Osten) ab. Die Seite, von der wir den Vulkan bestiegen haben.

Ein paar Tage zuvor sind wir schonmal mit dem Bus eine Stunde in den Norden gefahren, nur um bei strömenden Regen zu entscheiden, einen anderen Tag für den Aufstieg zu wählen. Stattdessen haben wir einen schönen Ausflug zum Black Point Tunnel gemacht (auch in Fluch der Karibik), an dessen Ende ich stundenland an der Felsküste saß und den kraftvollen Wellen, die hier ihren langen Weg über den Atlantik mit einem Krachen und Spritzen auf die Küste von St. Vincent beenden, zuzuschauen.

Welche Stärke und Wassermassen in diesen Naturgewalten stecken, fasziniert mich immer wieder. Dahinter die Kulisse eines langen, wilden, unbebauten schwarzen Strandes, übersät mit Kokospalmen vor einer tiefgrünen Berglandschaft.

Die Wilde Ostküste

Das ist St. Vincent. Ursprünglich, mystisch, natürlich, wild. Auf dem Vermont Nature Trail durch den Urwald haben wir zwar den einheimischen Nationalvogel, den Papagei Vincie, nicht gesehen, dafür aber bei Wanderung von unserem zweiten Ankerplatz ins Landesinnere.

Denn die letzten beiden Wochen verbringen wir in der Cumberland Bay, meinem bisherigen Ankerbucht-Favoriten. Das Flusstal gräbt sich seinen Weg durch gewaltige bewaldete Bergketten.

Cumberland Bay – unser zu Hause in den letzen 2 Wochen

Wir hängen mit einer 50 Meter langen Leine an einer Palme, weil der Meeresgrund hier so steil abfällt (sonst fährt man mit 2 Meter Tiefgang selten so nah an Land). Der Fluss mündet direkt neben unserem Boot ins Meer und bringt kaltes Süßwasser mit sich. Tagsüber jagen die Reiher Fische in der Flussmündung, nachts zirpen die grillen mit dem Rauschen der Wellen um die Wette. Das Boot liegt ruhig wie auf einem See in dieser atemberaubend idyllischen Bucht, so dass wir hier einfach ein paar Tage bleiben wollten.

Ausblick aus dem Boot: mit der Leine an ner Palme

Außerdem gibt es auch hier fußläufig einiges zu entdecken. Selbst wenn man einfach den Straßen zu den Dörfern ins Landesinnere folgt, landet man ziemlich schnell auf einem kleinen Pfad der irgendwo am Fluss entlang durch dichtes Grün zu irgendwelchen versteckten Plantagen führt. Am Sylvestertag sind wir den Fluss bis zur Quelle gelaufen, 500meter bergauf, verteilt auf 10km (oneway). Aber es lohnt sich: wilde Wälder, Papageien und immer wieder Durchquerungen des kalten Flusses zur Abkühlung.

Grün soweit das Auge reicht

Und auf dem Weg dorthin erstrecken sich überall Plantagen. Der Wegesrand ist übersäht mit Brotfrucht-, Mango-, Papaya-, Sternfrucht-, und Zitronenbäumen, ja sogar Erbsen-Bäume werden hier kultiviert. Es wächst einfach alles. Das Marihuana wohl auch. Denn das wird häufiger konsumiert als Tabak. 

Hab ich schon erwähnt, dass es grün ist?

Durch die hügelige Landschaft zieht sich ein kurviger Highway. Das Minibus fahren, was wir bereits aus Grenada gewohnt sind, ist hier also auch entsprechend anspruchsvoll für die Arme, die in den kurvenreichen Straßen versuchen den Körper davon abzuhalten beim Nachbarn auf den Schoß zu liegen. Die Musik ist manchmal noch lauter, weil die Ausstattung teilweise gewaltig ist. Auf fette Boxen wird mehr wert gelegt als auf die Kupplung. Einige Türöffner-Jungs haben sogar ne Fernbedienung um die Musik zu steuern um bei Bedarf lauter oder, wenn’s für ein Gespräch mal sein muss, auch mal leiser zu drehen. Alles ganz normal. Die Leute sind freundlich, wenn auch ein bisschen hektischer als wir das bisher gewohnt sind. An den Müßiggang und die Island-Time haben wir uns ja längst angepasst.

Eine Busfahrt die ist lustig… und laut!

Dass wir uns keinen Stress mehr machen, führt auch dazu, dass wir schon wieder 1 Monat hier sind. Und dazu kamen die Weihnachts- und Neujahrsfeiertage und dazwischen wenig Wind. Für unser nächstes Ziel, St. Lucia müssen wir das Land wechseln, also brauchen wir ein paar aufeinander folgende Wochentage mit etwas Wind. Einem zum Ausklarieren, einem zum hoch segeln einen zum einklarieren. Das geht theoretisch auch am Wochenende und Feiertagen, aber mit ordentlich Behörden-Aufpreis und mit Motor, aber wir haben ja ein Segelboot. Und keinen Stress. Und über Nacht segeln können wir aktuell nicht, denn wir leben seit einigen Wochen nur noch mit einer Batterie. Die wird tagsüber von der Sonne aufgeladen, aber ab 16Uhr wird der Kühlschrank und alle Verbraucher ausgeschaltet. Die nötigen Navigationslichter und -instrumente würden aber auch Nachts Strom fressen. Also stehen wir für den längeren 36 Seemeilen-Trip nach St. Lucia um 5 Uhr auf, um auch noch im Hellen am Ankerplatz in einem neuen Land anzukommen.

Black Point Tunnel – mitten durch den Fels gekloppt

Ich bin gespannt was die nächste Insel so zu bieten hat. Dort werden wir diesmal nicht so viel Zeit verbringen, denn Ende Januar erwartet uns Besuch auf Martinique, was gleich nördlich von St. Lucia liegt. Viele Erlebnisse liegen also weiterhin vor uns. Bleibt gespannt wie es weiter geht.

Den haben wir auf der Fluch der Karibik Insel natürlich auch getroffen

Viele Grüße live von hoher See. Gerade segeln wir mit 20Knoten Wind, unter Vollzeug (alle Segel sind gesetzt) mit über 5 Knoten auf die beeindruckenden Pietons-Felsen auf St. Lucia zu. Unter Deck ist bei der Schräglage schon einmal alles umhergeflogen. Ich sitze hinterm Steuer, tippe diesen Text auf dem Handy und passe auf den Autopiloten auf, während Heiko auf der Luvseite (die dem Wind zugewandte) neben dem Großsegel sitzt und dem Vogel vor unserem Bug beim Fischen zuguckt. Der Himmel und Meer sind blau und ab und zu spritzen die Wellen übers Deck. Das Leben ist schön.

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Hier könnt ihr unserem Boot folgen und unsere Route mit allen Beiträgen unter „show journey“ sehen:



Ein Kommentar bei „Fluch der Karibikinsel St. Vincent“

  1. Ihr Lieben, mal wieder ein toller Bericht zum Träumen! Bei 50 Shades of Grey Wetter hier in Deutschland würde ich jetzt gern bei euch sein 😉
    Weiter viel Spaß und ordentlich Wind!

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