Von ursprünglich über unbewohnt bis unberührt. Das ist die beste Beschreibung für die Inseln, die ich in den letzten Tagen kennenlernen durfte.
Selbst als reiseaffine und reiseerfahrene Touristikerin wie mich, sind viele Namen der Inseln der Kleinen Antillen völlig neu.
Die Grenadinen sind eine Ansammlung von kleinen Inseln, die meisten gehören zu “St. Vincent & die Grenadinen”, wie der Name schon sagt. Ein paar südlich gelegenere gehören zu Grenada. Von Martinique entscheiden wir uns direkt zur ersten Grenadinen-Insel vom Land Grenada zu fahren, um dort einzuklarieren und die Grenada Flagge danach gehisst lassen zu können. Carriacou, Sandy Island, Petit Martinique und Ronde Island heißen die Inseln, vor denen wir ankern. Keine 18 Seemeilen liegen zwischen der nördlichsten und der Südlichsten Insel, trotzdem sind die kurzen Überfahrten immer wieder spannend. Der Weg von Martinique nach Carriacou, 120 Seemeilen, dauert 2 Tage, und das nur weil wir zwischendurch einfach eine gesamte Nacht auf der Stelle stehen.
Gleich hinter Martinique auf dem Kanal zwischen Martinique und St. Lucia kommen Wind, Welle und Seegras. Wir sind wieder auf dem Atlantik. Genau genommen ist es aber immernoch das Karibische Meer, denn wir halten uns westlich, im Lee, der Inseln. Es geht gut voran, bis wir im Windschatten von St. Lucias Bergen sind, der Wind nimmt gegen Abend immer mehr ab. Die Pietons, zwei grüne Zuckerhüte, das Wahrzeichen St. Lucias, im hellen zu sehen, haben wir bereits aufgegeben. Doch wer hätte gedacht, dass es noch langsamer geht. Denn während der Nacht setzt an der Südseite der Insel so ein starker Strom zu, dass wir uns überhaupt nicht mehr vorwärts bewegen, sondern nur ganz langsam seitwärts. Von der Insel weg zum Glück, daher unternehmen wir auch erstmal nichts dagegen, sondern schauen was weiter passiert. Wenn wir weiter anluven und quasi auf die Insel zuhalten, wird die seitwärts Bewegung weniger. Wir stehen dann aber auf der Stelle. Zu jedem Schichtbeginn sehe ich in dieser Nacht also den selben Anblick, obwohl das Segel steht und wir bis zu 15Knoten Wind haben. Wir fahren also tatsächlich auf der Stelle. Als es Morgen wird, lassen wir uns weiter weg von der Insel treiben. Irgendwann scheint die Strömung weniger zu werden, wir kommen aus St. Lucias Windschatten und dann mit gutem Wind schnell voran. Die nächste Insel, St. Vincent, passieren wir dann mit etwas mehr Abstand und haben auch keine so starke Gegenströmung.
Am darauffolgenden Morgen erreichen wir die Hillsborough Bay vor der gleichnamigen Hauptstadt Carriacou’s. Es ist ordentlich windig. Auch am Ankerplatz. Aber der Anker sitzt, es ist genug Platz um viel Kette rauszuhauen. Also machen wir uns bald auf zum Einklarieren. Der kleine Spaziergang zur Nachbarbucht entpuppt sich als zweistündiger Marsch, natürlich durch die Mittagssonne, entlang einer Straße ohne Bäume. Auf dem Rückweg stellen wir fest, dass es einen Pfad durch die Mangroven entlang der Küstenlinie gibt. Schön schattig (na super, hätte wir das mal eher gewusst) und sehr spannend, weil überall riesige Krabbenlöcher sind und der Mangrovenwald wirklich wahnsinnig dicht ist. Durch die tief hängenden Wurzeln zu steigen und dabei auf der einen Seite dichten, dunklen Wald und auf der anderen Seite türkisfarbenes Wasser zu sehen, macht echt Spaß. Wir gehen diesen Weg, der den Pardise Beach mit Hillsborough verbindet später noch einmal, weil er so nett ist. Vom wohlklingenden Paradise Beach hat man eine gute Sicht auf die vorgelagerte Insel Sandy Island. Ein Sandstreifen, der zu einem Marine-Naturschutzgebiet gehört und wo man gegen Eintritt an einer der sieben Bojen festmachen darf.
Dort verbringen wir 2 Tage, genießen den Ausblick auf die Postkarten-Romantik des palmengesäumten, puderweißen Sandstrandes, erschnorcheln das vorgelagerte Riff und bestaunen die abendliche Jagd der Möwen und Pelikane auf die Fische. Spektakulär, aber immer ein Kommen und gehen und doch recht ungemütlich bei viel Wind an so einer Boje – ihr glaubt gar nicht wie viele Stellen es gibt die Scheuern und quietschen können, wenn man mit seinen 7 Tonnen bei 28 Knoten an einem Seil festgehalten werden muss. Aber ich wollte in diesem Beitrag ja mal von den schönen Dingen berichten, die wir tagtäglich so erleben, während wir nur nebenbei, Dinge reparieren.
Zurück also zum Ankerplatz nach Carriacou. Es gibt eine große, vor Wind und Welle geschützte Bucht um die Ecke, aber von dem Segelyacht-Massen haben wir seit Martinique erstmal genug und genießen es in Hillsborough nur ein paar wenige Boote zu sein, jeden Tag ums Boot schwimmen und Schnorcheln gehen zu können. Und der Hauptort der 8000 Einwohner-Insel, also ein Dorf, ist ganz nach unserem Geschmack. Die Leute sind super freundlich, man grüßt sich auf der Straße, völlig untouristisch, es gibt alles was man braucht im Miniformat, und ein Restaurant und Bar, meist die einzigen, die immer geöffnet haben, mit gutem Essen zu günstigen Preisen und Wifi. Wir werden Stammkunden. Waynes Rumpunsch ist fantastisch und hat es in sich. Da war der Punsch aus Martinique und Barbados Kinderkram. Und bei Mr Grill, im selben Innenhof, esse ich die besten BBQ Chicken Wings meines Lebens (vegetarische Ernährung in der Karibik ist sehr schwierig). Nur dass es alles in Plastik gibt, nervt. Leider ist das überall so. Irgendwann fang ich schon an mein Bambusbesteck überall mit hinzunehmen, weil es hier alles immer zum mitnehmen und in Styropor und Plastik gibt. Das gerade Orte, so nah am Meer und mit so schlechter Müllentsorgung hier noch kein Bewusstsein entwickelt haben, tut mir (in Hannover noch in Unverpackt-Läden einkaufen gegangen) wirklich in der Seele weh und ich versuche überall Tüten abzulehnen, wo es nur geht. Ein langer und harter Weg bis hier wohl ein Umdenken geschieht.
Zurück zu den schönen Dingen. Wir genießen den Ort, die Leichtigkeit und das Leben auf dem Wasser. Und das Vagabunden Dasein, denn als wir genug haben, gehts einfach einmal um die Ecke, zur nächsten Insel. Noch eine Nummer kleiner. Petit Martinique hat nur noch 900 Einwohner und wir umrunden sie an einem Nachmittag. Die eine Straße, die hier betoniert ist, endet hinter den letzten Häusern im Süden und geht in einen Feldweg über, ab hier gibts nur noch karge, trockene Landschaft. Man sieht den vulkanischen Ursprung an vielen Stellen und Schafe oder Ziegen. Es geht immer höher und irgendwann kommt ein Abzweig zum höchsten Punkt, den Piton. Der Aufstieg ist steinig und abenteuerlicher als erwartet. Die Aussicht auf die vielen verschiedenen Blautöne, die das Meer durch die Riffe und Sandbänke rund um die Insel zaubert, bringen mich zum schwärmen. „Guck dir das blau an, dunkel, hell, türkis. IS – DAS – SCHÖN“ entfährt es mir bei dem Aufstieg immer wieder, obwohl er schweißtreibend ist und die Mittagssonne mal wieder knallt. Obwohl es doch bewölkt sein sollte. Wir hatten uns schon so gefreut. Naja.
Auf dem Weg nach unten ist der Blick eher auf den Boden gerichtet. Stein um Stein, mit Hände benutzen. Das ist was für Nici. Danach geht der Weg weiter im Norden der Insel und wir beenden unsere Umrundung auf einer schattigen Bank auf der Hauptstraße. Die erste Begegnung zeigt, dass „englisch“ hier ist noch schwerer zu verstehen als in Carriacou. Oder hat er keine Zähne mehr? Sehr an uns und einem Gespräch ist der ältere Herr trotzdem interessiert, auch wenn er alles dreimal sagen muss. Wir begegnen unserem gesprächigen Freund ein paar Stunden später wieder und die paar Bier, die er sich gekippt hat in der Zeit, machen die Unterhaltung nicht besser. Auf der Suche nach etwas zu essen am Sonntag Nachmittag sind wir hier vergebens. Aber zur Muttertagsparty sollen wir kommen. Also erstmal zu Hause was essen und eine Runde im Wasser abkühlen und dann gehts nochmal los. Auf der Party gibts leckeren Rum Punsch und eine gute Gelegenheit sich die Menschen anzuschauen. Die Musik ist gut, unbekannt und vor allem laut. Ohrenbetäubend laut. Dadurch kommen wir aber auch nicht in die Verlegenheit Gespräche zu führen, die wir nicht verstehen. Aber wir kommen uns ein bisschen vor wie auf einer Dorfparty, bei der jeder jeden kennt, nur wir nicht. Und dazu kommt noch, dass es ganz offensichtlich ist, dass wir hier nicht hin gehören. Ein bisschen befremdlich also schon.
Am nächsten Tag sind wir mal mutig und trauen uns mit unserem Schlauchboot zu einer kleinen Sandbank zu fahren. Darauf ein Sonnenschirm aus Palmenblättern. Sonst nix. In 2 Minuten umrundet. Sonst ist nur ein Riff zwischen uns und dem offenen Atlantik. Ein bisschen gruselig ist das schon. Und der Weg hierher hat uns auch gezeigt, dass das Riff nicht alle Wellen abhält. Wir sind klitschnass, die Wellen schwappen von vorn ins Schlauchboot und überrollen uns von hinten. Irgendwie nicht so richtig vertrauenswürdig, daher treten wir bald den Rückweg an, Schnorcheln noch eine Runde mit Schildkröten und entscheiden uns, nach einem weiteren Ortsrundgang, dass es nichts weiter auf dieser Fischerinsel zu entdecken gibt und wir am nächsten Tag nach Ronde Island aufbrechen.
Noch eine Nummer kleiner. Diesmal unbewohnt. Laut Wikipedia die teuerste Insel der Welt, weil sie aus einem Privatbesitz mal für 100 Millionen angeboten wurde. Ankern und sie betreten darf man wohl trotzdem.
Aber erstmal ist auch dieser kurze Sprung sehr aufregend. Nachdem die Anfahrt auf Petit Martinique den ganzen Tag in Anspruch nahm, weil wir gegen den Wind aufkreuzen mussten und das nicht die Stärke unseres Bootes ist, haben wir diesmal schönen Halben Wind (von der Seite) und fahren an hübschen kleinen Inseln vorbei. Die steilen, rotschwarzen Felsen ragen aus dem Wasser, die Wellen, die Kilometer über den Atlantik zurück gelegt haben klatschen dagegen und bäumen sich auf, die Inseloberfläche ist überzogen von Grün. Ein bisschen wie eine schottische Küste wirken Fregatte und Large Island. Die kleinen Bonaparte Rocks hingegen sind nur schwarze Lavasteine, die flach aus dem Wasser schauen und deren, wie Stifte aus dem Wasser ragende Oberfläche durch die Ozeanwellen geformt sind. Wir halten ordentlich Abstand, auch weil es laut Seekarte starke Strömungen gibt. Und tatsächlich fahren wir erst sehr schnell in die richtige Richtung und werden dann plötzlich um 90Grad versetzt. Wieder seitwärts fahren, statt geradeaus. Ich sag euch, es ist ein komisches Gefühl auf einen riesigen Felsen zuzuhalten und darauf zu vertrauen, dass die wahre Richtung, in die wir uns bewegen, uns locker an dem Felsigen Brocken vorbei bringt. Direkt dahinter liegt sie aber. Unsere abgeschiedene Ankerbucht auf einer komplett grünen Insel. Ein eingezeichneter Pfad motiviert uns am nächsten Tag hier auf Erkundungstour zu gehen. Nur muss man den Pfad auf der anderen Inselseite erstmal finden. Wir schlagen uns durchs Unterholz. Urwald, nur sehr sehr stachelig. Wirklich alles hat entweder Dornen, Stachel oder piekst wie Brennnesseln. Aber der steile Anstieg wird belohnt, denn bald stehen wir auf der anderen Inselseite, gleich zwei Sandbuchten vor uns, dazwischen ein Salzsee und Unmengen von Kokospalmen.
Nach einer Abkühlung machen wir uns also daran unsere Fertigkeiten in der Kokosnussernte zu erweitern und holen genug Kokosnüsse von den Bäumen um unsere leere Wasserflasche wieder zu füllen und uns an dem Kokosfleisch satt zu essen. Das mit dem Robinson Crusoe spielen funktioniert also schonmal. Gut zu wissen für eine eventuelle Strandung auf einer einsamen Insel. Der Rückweg ist nicht weniger abenteuerlich. Häufig müssen wir umdrehen, weil das Gewächs so dicht ist, dass wir nicht durchkommen. Beim nächsten Mal also doch die Machete einpacken. Völlig erschöpft, zerkratzt und mit Kletten übersäht kommen wir wieder bei dem kleinen Strand raus, wo unser Schlauchboot steht.
Am nächsten Tag werden die müden Knochen beim schwimmen und Schnorcheln geschont und wir genießen das herrliche Panorama auf diesem unberührten, grünen Flecken Erde. Grenada, unser nächstes Ziel in der Zivilisation, ist in der Ferne schon zu sehen. Ein Katzensprung, aber wir haben keine Termine und fahren erst weiter, wenn wir Lust haben. So hab ich mir die Karibik-Segel-Auszeit vorgestellt. Jeder Sonnenuntergang ist spektakulär, die Nächte mild, das Wasser blau, die Ausblicke grün und jede Insel für sich anders und wunderschön.
So schön, Euch zu lesen! Viele Grüße aus Hannover!
Schön!
Danke fürs mitnehmen.
🙂