Atlantiküberquerung Teil 1

Erster März. Mindelo, Sao Vicente, Kapverden.

Wir starten am Nachmittag, gegen 15Uhr, seit mittags bin ich aufgeregt. Wir haben die letzten Sachen zusammengeräumt. Die gewaschene Wäsche abgeholt und bei der Polzei und Immigrationsbehörde ausklariert. Heißt wir haben einen Ausreisestempel im Reisepass und ein Papier, das wir in der Karibik vorzeigen müssen. Behörden brauchen ein Ziel, auf dem Papier steht daher Martinique. Noch die letzten Kapverdischen Escudo ausgeben. Ein Kaffe. Dann Motor checken, Motor anschalten, die Fender auf eine Seite und dann Leinen los. Die Fahrt zur Tankstelle und das An- und Ablegen klappen gut. Sind trotzdem immer wieder aufregende Hafenmanöver. Der Tank und zwei Kanister werden von Heiko gefüllt, während ich den Anker richtig fest binde (ihr erinnert euch was beim Sturm passiert ist? Der darf nicht nochmal aus seiner Verankerung rutschen). Während wir die geschützte Bucht von Mindelo hinter uns lassen, hole ich fix alle 10 Fender wieder rein und verstaue sie in den Backskisten, bevor die Wellen höher werden. Puh. Geschafft.

Letzter Café vor der Abfahrt , stilecht auf Kapverden-Seekarte 🙂

Und dann sind wir auch schon raus aus der Bucht. Losgefahren. Der Wind weht mit frischen 20 Knoten und hält diese auch bis zur Nacht. Der Windschatten der hohen Insel Santo Antao setzt später, aber dafür um so länger ein. Obwohl ich die letzten Tage auf den kapverdischen Inseln entspannt, bereit und scharf darauf war, endlich den Atlantik zu überqueren, bin ich die letzten Stunden vor Abfahrt plötzlich voll aufgeregt. Es geht los. Auch als wir gegen 22Uhr den letzten Schatten des afrikanischen Kontinentes sehen, hab ich noch nicht ganz begriffen, dass wir jetzt tatsächlich unterwegs sind. Atlantiküberquerung. Die Spannung darauf, was während dieser Reise passieren wird, wird relativ schnell gedämpft dadurch, dass die ersten Tagen einfach NICHTS passiert. Wir schleichen nur so dahin, kommen kaum 3 knoten voran. „Nur noch 8 Wochen und 1 Tag“ verhöhnt uns das Navigationsgerät mit seiner Berechnung der Dauer bis zu unserem 2000 Seemeilen entfernten Ziel, bei aktueller Geschwindigkeit. Super Aussicht.

Es geht los!

Und das wird sich die nächsten Tage auch nicht ändern.

Auch nicht nach zehn Tagen auf See. Die meisten feiern nach dieser Zeit Halbzeit. Wir nicht. Überhaupt ist die Atlantiküberquerung ganz anders als erwartet bisher.

Hohe Dünungswellen, viel Passatwind, Immer wieder Squalls mit Regen, wochenlang keine anderen Schiffe, keine Vögel, dafür viele Fische an der Angel und schwarze Nächte unterm Sternenzelt. Das ist es was alle erzählen.

Unsere Fahrt ist dagegen voll langweilig bisher. Der Wind ist mager bis okay. Noch nicht annähernd an die 20Knoten Passatwind ran gekommen. Die Wellen sind sanft, kleiner als im Mittelmeer, angeln ist aufgrund des vielen Seegrases nicht möglich, dafür begleiten uns jeden Tag Hochseevögel und es gab noch kein Tropfen Regen, der mal unser Rigg vom Kapverden-Dreck befreit hätte.

Alles voll mit diesem stacheligen Seegras

Nachts hält einen nicht, wie erwartet einen Sternenhimmel wach, sondern, der helle Vollmond und Boote! Fast jeden Tag treffen wir Frachtschiffe, oftmals sogar auf Kollisionskurs. Einen liberianischen Frachter muss ich sogar bitten, uns auszuweichen, weil er näher als 1sm unseren Weg kreuzt. Der Atlantik ist so riesig! Das gibt’s doch nicht. Die nächste Nacht beginnt auch mit dem Kollissionspiepen im Funkgerät. Ein Japanisches Fischerboot mit Fischerboje. Und irgendwie fühlt man sich ja schon fast auf den Weltmeeren zu Hause, wenn man die Namen der Tanker kennt. Denn die nächste Schiffsbegegnung ist nicht nur schon wieder sehr nah, sondern auch tatsächlich ein Frachter, den wir im Oktober bei unserer Ankunft in Gibraltar vor Anker umfahren mussten. Verrückt.

Kurz der Atlantik hält nicht was er verspricht!

Aber irgendwie auch witzig, dass alles total entspannt ist und gar nicht so wie man sich so eine große Atlantiküberquerung vorstellt.

Ein bisschen Spaß haben wir allerdings mit unserem Blister.

Es ist so wenig Wind, dass wir unser Leichtwindsegel auspacken. Der Blister hat mehr Segelfäche als alle Segel auf unserem Boot zusammen und ist sehr dünn, kann also wirklich nur bei wenig Wind gefahren werden. Haben wir ja.

Dank des sehr vollen Mondes, der zum Sonnenuntergang aufgeht und bis nach Sonnenaufgang alles erhellt, können wir diesen auch Nachts stehen lassen, denn herannahende Squalls sind dann trotzdem zu erkennen. So ein Squall ist eine Gewitterfront die wohl öfter mal über den Atlantik ziehen, viel Regen und Wind mitbringen um schnell wieder verschwinden. Diese Gewitterwolken soll man wohl deutlich am Himmel sehen können. Also passen wir besonders auf. Das Segel muss dann rechtzeitig heruntergeholt werden. Wie ihr schon wisst, kamen keine Squalls. Der Blister wollte trotzdem runter und gönnte uns nur 2 Tagen den farbenfrohen Anblick. Denn wie wunderschön der Tanz des Blisters im Mondschein aussieht, hab ich noch nicht erwähnt. Ich bin eine ganze Nacht lang so entzückt davon, dass ich ganz viele Fotos und Videos mache wie wir sanft durch die Wellen schaukeln und dass große bunte Tuch vor dem Mondschein hin und her wippt. Magisch. Nur um dann zu merken, dass wir den Blister verkehrt herum aufgehängten haben. Einmal gedreht, machen wir auch noch ein Knoten mehr Fahrt.

Der Blister im Mondschein

Leider ist das nur von kurzer Dauer. Denn Tag 8 auf See sieht so aus:

Wie nach einer durchzechten Nacht fühl ich mich, morgens zum Sonnenaufgang. Übermüdet, ausgelaugt aber irgendwie auch zu aufgekratzt um jetzt gleich schlafen zu können. Die Nacht war nach einer Stunde Schlaf vorbei. Der Blister, der uns die letzten beiden Tage so ein angenehmes Segelvergnügen bereitet hat, ist am Fall gerissen. Das Segel liegt an der Backbordseite über die komplette Bootslänge im Wasser. Dank Vollmond sehen wir genug und können das klitschnasse, schwere Segel wieder mit einiger Anstrengung an Bord wuchten. Dann doch erstmal wieder die Genua setzen und im Hellen den Schaden begutachten. Morgens zum Sonnenaufgang sortieren wir das riesige nasse Tuch und stellen fest, dass alles heile ist. Nur das Fall ist gerissen ganz oben im Mast (ein neu gekauftes!).

Der Blister, noch schön nass glänzend… zweiter Versuch

Wir haben noch ein weiteres Fall, was man dafür nutzen kann und die Fahrt mit dem Blister war nicht nur angenehmer vom Rollen her, sondern auch 1 Knoten schneller als jetzt. Also neuer Versuch. Alle Strippen wieder an ihre Stelle und Blister hoch ziehen. Segel steht. Puh. Das ist der Moment in dem ich einfach wieder ins Bett gehen könnte, aber noch zu aufgekratzt bin. Da ahne ich noch nicht, dass wir das Segel 3 Stunden später wieder aus dem Wasser fischen, weil auch das zweite Fall den Kräften nicht gewachsen war und gerissen ist. Da beide Strippen durch den Mast gezogen waren und nun dort keins mehr hängt, ohne das man es neu bis zur Mastspitze einfädelt, haben wir kein Seil mehr zum Hochziehen. Und offensichtlich ist das Material auch nicht für so viel ruckartige Belastung ausgelegt ist. Am selben Seil haben wir sonst mich in den Mast hoch gezogen. Die Kräfte die da auf so einen einzelnen Punkt wirken um das gesamte 8 Tonnen Gewicht unseres Bootes vorwärts zu ziehen, sind wohl nicht zu unterschätzen.

Also setzen wir morgens um 10Uhr wieder die Genua, diesmal wird sie ausgebaumt. Ausbaumen eines Segels heißt, dass wir an der Genua unten eine Stange befestigen, die das Segel weit nach draußen fixiert. Dadurch haben wir eine große Segelfäche ziemlich platt vor dem Boot und können den Wind genau von hinten mitnehmen. Außerdem, der Hauptgrund für diesen Aufwand, das Segel kann nicht im Wind hin und her schlagen, sondern bleibt einfach an seiner Stelle. Sonst könnten wir, jetzt wo der Blister nicht mehr nutzbar ist, gar nicht unter Segel fahren, weil die Welle stärker ist als der Wind ist und das Segeltuch nur hin und her flattert.

Einmal alle Segel ausgepackt, insgesamt aber nur an einem Tag

Der Passat bläst nämlich immer noch nur recht müde 10 bis 13 Knoten. Da hatten wir uns mehr versprochen. Naja. Der Tag nach der Blister-Aktion ist erstmal dahin. Den Rest des Tages schlafen wir, sind trotzdem übermüdet und aus dem Rhythmus. Und ein wenig deprimiert, weil wir jetzt mit mindestens einem Knoten weniger voran kommen. Die Aktion hat unsere aktuelle Reisezeit also zu dem Zeitpunkt um eine Woche verlängert.

Das war Tag 1 bis 12. Mal sehen was noch so kommt…Noch 6 Wochen und 13 Stunden!?

5 Kommentare bei „Atlantiküberquerung Teil 1“

  1. Schön, wieder von Euch zu hören!

  2. So schön, dass ihr heile angekommen seid. Bin gespannt auf Atlantik Teil 2 – die 6 Wochen bis Ankunft 🙂

  3. Wie schön von euch zu lesen. Ich freue mich sehr, dass Ihr gut angekommen seid. Ganz viele Besitos von Jasmini 🙂

  4. Schließe mich Jasmin an!
    Außerdem komplett verrückt, dass da zwei Fallen so schnell reißen. Schamfilt da oben irgendwas? Is ja nicht normal. Freu mich auf Teil 2 eurer Erlebnisse! Kristine

    1. Ich glaube, da scheuert nichts, da oben. Liegen ja auch über zwei verschiedene Rollen. Das neue Fall wird gerissen sein, weil es das billigste war, das wir in dem Durchmesser bekommen haben. Das alte Fall war einfach alt. Und die Belastungen, die da oben herrschen, gerade wenn der Lappen in der Welle schlägt, werden schon ordentlich sein.

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