raus auf den Atlantik

Die Wellen toben von hinten immer höher, als ob sie sie sich freuen endlich aus dem Mittelmeer raus in den offenen Ozean rollen zu können. Auch wir freuen uns, wir sind wieder unterwegs und haben den Atlantik erreicht, wahnsinn. Die Fahrt durch die Straße von Gibraltar fliegt nur so an uns vorbei. Im wahrsten Sinne des Wortes, denn es weht ordentlich. Auf Höhe Tarifa, der engsten Stelle zwischen Europa und Afrika, und der Übergang vom Mittelmeer in den Atlantik, erreichen wir durch den Düseneffekt 38 Knoten. Doppelt soviel wie prognostiziert, aber aus der richtigen Richtung. Da haben wir ja in Gibraltar auch lange genug drauf gewartet. Ein bissch fühlt es sich wie eine Flucht an. Wohl weil alles so schnell geht und weil wir auch endlich wegwollten. Einen Monat Gibraltar. Das war zuviel städtischer Landgang. Und zu viele Menschen. Aber dafür zu wenig Temperatur. Man kanns einem nicht Recht machen. Wir müssen also weg. Ein bisschen gemütlicher wäre auch okay gewesen. Aber nö… Wir stellen unsere neue Selbststeueranlage direkt im Probelauf unter Extrembedingungen mit ordentlichen Windböen, Strömung und kräftige Wellen. Und es funktioniert, ich bin begeistert. Gut, fällt am nächsten Tag fast ab, weil sich Schrauben gelockert haben, aber nur fast.

begeistert von unserem neuen Crewmitglied „Otto“ – die Windfahnensteuerung

Auch die Abfahrt war nicht entspannt, denn statt erholt und mit aufgeräumten Boot zu starten, entdecken wir am Vorabend der Abfahrt, dass der Benzinkanister leckt und Benzin in den Ankerkasten gelaufen ist wodurch das komplette Boot vergast ist. Der Geruch ist unerträglich. Das Schlafzimmer (unter dem der Ankerkasten ist) ist unbewohnbar. Nach dem wir alle Decken, Kissen und Matratzen gelüftet haben, suchen wir uns andere Schlafplätze aufm Boot. Das geht. Ist aber nicht so bequem und der Benzingeruch trotzdem noch wahrnehmbar. Am nächsten Morgen ist der Geruch verflogen, nur das Chaos und die Müdigkeit bleiben. Wir starten trotzdem.

Wieder hinterm Steuer – nach einer kurzen Nacht geht’s gespannt raus aufs Meer

Und keine 12h später sind wir raus aus den Verkehrstrennungsgebieten und abgebogen nach Süden. Kurs Kanaren. Ruckzuck ging das. Der Wechsel zum Ozean fällt sofort auf: Die Wellen auf dem Atlantik sind schon ne andere Hausnummer als die kurzen spitzen Wellen im Mittelmeer.  Die Wellenberge der Dünung bemerkt man erst wenn man oben angekommen ist und in ein paar hundert Meter Entfernung langsam den nächsten Hügel anrollen sieht. So alle 10 Sekunden. Das sind die Wellen die sich auf dem offenem Ozean aufgebaut und schon viele hunderte Kilometer hinter sich haben. Zusätzlich stehen natürlich auch die normalen, durch Wind entstandenen Wellen. Die haben teils auch ihre 3 Meter überschritten und kommen nicht zwingend aus der selben Richtung wie die Dünung. Sehr spannend. Nach ein paar Tagen ist der Muskelkater in den Armen vom Festhalten und im Rücken vom Bootsbewegung ausgleichen, auch langsam vorüber und wir sind voll im Rhythmus des Meeres. Am zweiten Tag ändern wir dann auch doch mal die Segelseite, damit alles was in der anderen Richtung im Boot nicht fest sitzt auch noch rausgeschüttelt wird. Ist das einmal geschehen, hat alles seinen festen Platz gefunden und man ist nicht mehr den ganzen Tag mit aufräumen umgefallener Dinge beschäftigt sondern kann sich wieder intensiver der Übung einhändiger Tätigkeiten, wie das balancieren einer heißen Kaffetasse, üben. Toll. Und mit der Tasse am sonnigen Platz im Cockpit trocken anzukommen fühlt sich immer wieder berauschend erfolgreich an. Es sind die kleinen Dinge, die einem das Bootsleben schätzen lernt. Und so ein selbstbalancierter Pott mit etwas auf dem Herd gekochten… Und dann sicher dort hineingefülltem… schmeckt mit dem Blick auf das 360 Grad blau einfach bewegend gut.
Und ich kann mich nicht sattsehen an dem bewegten auf und ab um mich herum. Zu sehen wie sich Celerity auf die Wellenberge kämpft um auf der anderen Seite wieder hinab zu surfen ist immer spannend und auch bei jeder Welle anders.

Endlich wieder Segel gesetzt

Der fünfte oder sechste Tag auf See (wieder in den Rhythmus, wo das vollig irrelevant ist) stellt sich als sehr spannend heraus. Nachdem wir die gesamte Nacht ohne Wind Richtung Morrokanische Küste getrieben sind, kommt am morgen eine Brise auf, die reicht um Segel zu setzen und die sich stetig erhöht. Bis Nachmittag fahren wir gegen 25knoten Wind an. Celerity stampft munter und unermüdlich durch die entgegen kommenden Wellen. Das Wasser spritzt regelmäßig übers gesamte Boot und ab und zu kommt auch noch ne Süsßwasserdusche von oben. Was für ein Schauspiel! Unter dem nun erstmals richtig erprobten und trocken haltenden Ölzeug macht das gekrache durch die Wellen richtig Spaß. Und ich freue mich über die gute Investition in den gebrauchten Segelanzug. Hält trocken, warm und hat so mit gedachte Kleinigkeiten, deren Sinn man erst in Aktion versteht – zum Beispiel Gummieinsätze an den Handgelenken, die dafür sorgen, dass das Wasser nicht in die Ärmel kaufen kann. I like.
Ich beobachte gerade ob die Böen von 28knoten noch mehr werden und wir reffen müssen (die Segelfläche verkleinern) und beäuge das dunkle Wolkenbild um uns herum. Und mitten während diesen getöses ist es plötzlich still. Der Wind Knallt auf die andere Seite und von 25 auf 6 Knoten runter. Die Sonne scheint. Der Himmel über uns ist blau. Ich kann’s nicht fassen. Alles um uns herum ist bedrohlich mit dicken dunklen Wolken begangen, aus den man teilweise den Regen sehen kann und wir sind wohl gerade im Zentrum angekommen. Wahnwitzig. Die Sonne tut gut und trocknet alles wieder und wärmt die Seele. Obwohl die Sonne jetzt auch gut für unsere Batterien wären, muss bei der plötzlichen Windstille bei der Dünung der  Motor an. Wir nutzen es gleich für eine warme Außendusche und die Welt ist schön.

Das Ölzeug darf erstmal trocknen

Nach dem Energie aufladen für Celerity und uns kommt auch wieder genug Wind zum Segel setzen. Auch der wird ziemlich schnell mehr. Wieder direkt reffen. nächster Regenguss. Danach wieder Windstille. Boah ist das nervig. Da der Himmel immernoch voll hängt mit diesen lustig dunklen Wolken, sind wir erstmal zurückhaltend mit Segel setzen und Motoren. Ein vorbeifahrendes Containerschiff funke ich an und Frage nach aktuellen Wetterdaten (denn dass was wir heut hatten war nirgends vorrausgesagt) und seine Aussage ist bis zum Wochenende ist alles „fine“ in unsere Kursrichtung. Als wir 24h später immer noch den Motor laufen haben bei fehlendem Wind, fällt mir auf das schönes Wetter für ein Liberianischen Tanker auf den Weg nach Dänemark wohl etwas anderes ist als für einen, auf Wind angewiesenen Segler. Das nächste Mal Frage ich nach dem Wetter- und Windforecast. Wobei das Wissen über kommende Flaute, diese auch nicht besser macht. Naja. Wir wollen uns nicht beschweren es ist das erste Mal seit Gibraltar, dass wir Motoren müssen und wir haben schon über die Hälfte geschafft.

Sonne. Dunkle Wolken und Regenbogen

Dass diese Überfahrt noch viel spannenderes zu bieten hat und wir uns eine Flaute herbeisehnen werden, berichte ich beim nächsten mal, wenn ich unsere erste Sturm Erfahrung selbst verdaut und verarbeitet habe. Erstmal sind wir nach 10 Tagen sicher in kanarischem Küstengewässer angekommen. Erstmal Lanzarote, statt Teneriffa.

3 Kommentare bei „raus auf den Atlantik“

  1. Du meine Güte… Bin schon mega aufgeregt nur durch’s Lesen !!!
    Noch einmal: ICH BEWUNDERE EUCH FÜR EUREN MUT, solch ein Abenteuer durchzuführen !!!!!!!!!
    Zurück geschaut (also, wenn ich von dir suuuper spannend und unterhaltsam berichtet lese…. jaaa, das kannst du wirklich meeega gut !!), hätte ich da sicherlich auch Spaß dran… wer hätte das gedacht, als wir zwei im Juni 2020 das erste Mal zusammen in einem Boot auf dem Maschsee saßen, und schon fast Panik bekamen, wenn eine Windböe der Stärke 4-5 auf uns zu kam ?
    Aber andersrum, nach vorne, also in die Zukunft geschaut…. nicht zu wissen, was kommt, welches (Un-)Wetter, welche (technischen) Schwierigkeiten…. da merke ich doch, was für ein wirklicher Hase (nämlich Angsthase) ich doch bin !!!
    Dagegen ist „aus dem Flugzeug springen“ für mich ECHT Kindergarten !!! Und ich weiß, wovon ich rede…..

    Macht weiter so, ihr habt meinen vollen Respekt und meine Anerkennung für das verrückte Ding, was ihr da gerade durchzieht….
    Aber bitte… immer schön die Lifebelts um !!!
    Alles Liebe, Tanja

  2. Na, jetzt wirds Einem Klar. Schraube locker bei Euch. Der Otto wars.. 🙂
    🙂 🙂 🙂

  3. Hallo,

    ich bin gerade im Hotelzimmer auf Malta, hier ist es trocken und warm und mir wird trotzdem zeitweise kalt und es schwankt beim nachlesen, so lebendig liest sich das alles. Großartig, Ich bin erst heute auf diesen Blog und damit auf euren Trip gestoßen und ich hab gleich mal in einem Schwung alles nachgelesen :-).

    Ich wünsch euch weiterhin ein tolles Abenteuer, guten Wind und uns Mitlesern bald das nächste Update! Danke für’s „mitnehmen“ auf eurem Trip.

    lg,

    Thomas

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