Conil de la Frontera

Jetzt habe ich seit Monaten nur von Deutschland Reisen berichtet und auch noch immer nichts anderes erlebt, dass es mal an der Zeit ist alte Auslandserinnerungen wieder aufzuarbeiten. Dank Corona mache ich gerade einen Spanisch-Online-Privatkurs mit meiner ehemaligen Sprachschule „academia altlantica“ aus Andalusien, wo ich 2018 Bildungsurlaub gemacht habe. Und so frische ich nicht nur mein spanisch auf, sondern auch meine Erinnerungen an eine wundervolle Zeit und einen besonderen Ort. Ich habe damals nicht nur die Liebe zu den Wellen entdeckt, als ich in meinem Surfkurs das erste mal das kribbeln spürte, wie es ist eine Welle zu kriegen und wusste, dass ich das Meer nie wieder so sehen würde wie vorher, sondern auch eine Liebe zu einem Land entdeckt, deren Sprache mich schon immer faszinierte.
Seit Jahren, mit Unterbrechungen, lerne ich Spanisch, einfach weil ich die Sprache toll finde. Mein erster Besuch auf dem Spanischen Festland (vorher nur Kanaren, Belearen) ließ dafür ziemlich lang auf sich warten. Mein Ziel war Andalusien, der Teil Spaniens, der an Portugal, das Mittelmeer und den Teil des Atlantiks grenzt wo die Straße von Gibraltar eine Brücke zwischen Europa und Afrika bildet. Berühmt für Wind und Wellen. Das war auch der Grund für die Wahl meines Sprachkurs-Ortes (Wellen=Top Surf-Bedingungen). Conil de la Frontera, nähe Cádiz (Betonung auf das a, nicht auf das i… um mal alle Welt über die falsche Aussprache aufzuklären!!).

Bevor ich eine Liebesesbrief über diesen Ort schreibe, muss ich erklären, dass ich im Apri/Mai, also in der Neben/Vorsaison dort war und, vor 2 Jahren. Ich weiß nicht, wie sich dieser Fleck verändert, wenn die Strände und Straßen voll sind mit Touristen und ob das so ist. Auf jeden Fall habe ich schon nach kurzer Zeit verstanden, warum es in der Sprachschule Stammgäste gab, die jedes Jahr wieder dorthin zurückkehren. Und auch wenn ich sonst nicht der Wiederholungstäter bin, weil es einfach zu viele schöne Orte auf der Welt gibt, wusste ich ziemlich schnell, dass ich nicht das letzte mal in Conil war. Ganz Andalusien wird mich wieder sehen, aber da andere Teile, wie Granada, einen eigenen Liebesbrief verdient haben, beschränke ich mich jetzt mal auf die Costa de la luz. Der Name dieser Küstenregion ist wörtlich zu nehmen. An der Küste des Lichts habe ich gelernt, warum Südländer immer helle Neonröhren in den Häusern haben, statt sanftes, gelbes Licht, wie wir Deutschen. Deren Augen sind einfach an eine extreme, strahlende Helligkeit gewöhnt und wenn ich die ersten Tage durchgehend geblendet war, bei egal welchem Wetter, so gewöhnten sich meine Augen ziemlich schnell an die Helligkeit, die die durchweg weißen Häuschen und der helle Sandstrand, sowie die weiß-schäumenden Wellen reflektieren. Conil ist ein kleines Dort, dass strahlt. Es strahlt nicht nur hell durch die vielen süßen kleinen Häuser, sondern es strahlt auch eine extreme Gemütlichkeit aus.

Obwohl der Dorfkern nicht groß ist, bin ich es in 3 Wochen nicht müde geworden durch die Gassen zu laufen, es zu genießen, wenn ich mich doch mal verlaufen und eine neue Ecke entdeckt hatte und auch jetzt nach 2 Jahren viele Plätze noch so deutlich vor mir sehe, als wäre ich gestern dort gewesen. Das liegt daran, dass ich in diesem Ort irgendetwas gefunden hatte, was mich berührt hat. Und die hohe Zahl am Wiederholungstätern bestätigt, dass es nicht nur mir so geht. Conil ist gemütlich und Entspannt, seine Bewohner ebenfalls, gefühlt sind diese durchschnittlich 70 Jährige Männer die in und vor kleinen Tapas Bars rumsitzen, rauchen und sich in einem Spanisch-slang unterhalten, der jeden sprachschüler ins Schwitzen bringt. Aber sie sind froh über ihre Touristen, die ihnen den Lebensunterhalt sichern und daher durchweg freundlich, hilfsbereit und immer interessiert. Neben dem Tourismus lebt der kleine Fischerort tatsächlich noch von einer ganz althergebrachten Fischereikunst. Almadraba-Thunfisch ist selten, eine Rarität, die fangart ein Kulturgut, obwohl es eine bedenkliche Art des Fischens ist. Aber der Thunfisch, besonders im Mai, wo die Schwangeren Thunfische über die Straße von Gibraltar ins Mittelmeer schwimmen (wollen) um dort zu laichen, und es Almadraba live und den roten Tuna frisch gibt, ist es eines der besten Dinge die ich je gegessen habe. Ob als Sushi, als Steak oder, die lokale Spezialität, als Gulasch in Zwiebelsauce… dieser Geschmack ist einmalig und für immer mit diesem Fleck Erde verbunden.

Auch wenn man die Art des Fischens durchaus kritisieren kann, vor allem wenn der Haupabnehmer Japan ist, wohin die Tiere direkt aus dem Meer, in Tiefkühlschiffen, gebracht werden, und ich selbst häufiger angeschwemmte Fische sehen musste, denen die Fangnetze zum Verhängnis wurden, respektiere ich dieses Althergebrachte Stück Kultur, besonders, wenn es in einer so regionalen Köstlichkeit endet.

Weiße Häuser, Wellen und Thunfisch sind das eine in Conil, das andere ist ein unverschämt langer und breiter Sandstrand, der zur einen Seite kilkmoterweit kein Ende findet (zu Fuß hab ich es bis ins 8km Entfernte Surfer-Hippie-Nest El Palmar geschafft). Zur nördlichen Seite, Richtung Cádiz, in eine hübsche, rote Steilküste mündet, die sich direkt an den Ort anschließt. Sowohl am Fuße dieser beeindruckendenden Küste, als auch oben kann man entlangspazieren und sich von der mit Pinienbewachsenen, abwechslungsreichen Landschaft in den Bann ziehen lassen, während man die ganze Zeit auf das Hübsche Meer und manchmal das gegenüberliegende Marokko starrt. Dort kommen dann auch erst die Bettenbunker, was ein Grund ist, weswegen Conils Ortskern noch so ursprünglich wirkt.

Wie es in so spanischen Dörfern wohl immer so ist, bekommt auch Conil nach einem grandiosen Sonnenuntergang im Meer, einen besonderen Charme bei Dunkelheit. Viele Gassen sind gepflastert, die Lampen gelb, die Stadt wirkt ruhig und gleichzeitig hallt der Klang der Einwohner aus den Bars durch die Gassen. Die meisten Lokalitäten sind winzig, ursprünglich und noch von vielen einheimischen rege besucht. Bewegt man sich bergauf (richtig landesinnere), wird es immer ruhiger. Aus den Häusern dringt spanisches Fernsehgeplapper, ein Gerät was hier in nahezu jedem Haushalt ununterbrochen läuft. Noch faszinierender und fast erschreckend ruhig ist der Ort ab mittags bis ca. 15/16uhr. In dieser Siesta zeit, ist es so ruhig, dass es einerseits faszinierend ist, seine eigenen Fußschritte von den Häuserwänden widerhallen zu hören, andererseits ist es ohne die Menschen, die diesen Ort ausmachen, auch langweilig. Und so hatte auch ich mir ein Siesta-nickerchen angewöhnt.
Besonders in Erinnerung geblieben ist die Bar Camelo, so winzig, dass die meisten Gäste einfach draußen auf der Straße stehen, wobei es sich lohnt, an winzigen Tresen mit 5 Barhockern (die einzigen Sitzgelegenheiten) platz zu nehmen um einmal die komplette tapas Karte zu bestellen, nicht nur, dass Camelo nur lokale Spezialitäten anbietet, es schmeckt auch alles unbeschreiblich gut und er hat so kleine Portionen, dass man einfach alles probieren kann. Unterhaltsam ist der Besitzer auch noch, und die Stammgäste erzählen auch liebend gern Geschichten aus ihrem Leben, an deren Wahrheitsgehalt man zwar zweifeln kann, aber deren Unterhaltsamkeit es wert ist. Und genau diese spanische, rauhe, offene und leidenschaftliche Art der Menschen macht Andalusien auch aus.

Bar Camelo

Wahrscheinlich habe ich solange gebraucht um über Conil de la Frontera zu schreiben, weil ich es als einen persönlichen Geheimtipp gesehen habe, den ich für mich behalten wollte, aber nachdem ich noch immer ein Glücksgefühl verspüre, wenn ich an diesen Ort denke, musste ich nach 2 Jahren, als dankeschön auch mal meine Begeisterung in Worte fassen. Also, fahrt auf keinen Fall dorthin, damit der Ort nicht touristisch überlaufen wird und damit vielleicht seinen Fischereidorf-charme verliert und sagt das hier bloß niemanden weiter!

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