Alpenüberquerung

Zu Fuß über die Alpen gehen, hört sich einfach gut an. Aber nur dafür macht man das natürlich nicht. Ich glaube es ist diese besondere Herausforderung eine komplette Bergkette zu überqueren in Kombination mit der Vielfältigkeit der Landschaft die sich dadurch bietet und der Möglichkeit eine Woche von Hütte zu Hütte zu laufen, mit nichts als seinem Rucksack und darin alles was man zum Leben braucht. Das ganze in einer geführten Tour zu machen, hat nicht nur den Vorteil der höheren Überlebenswahrscheinlichkeit, sondern es ist auch einfach praktisch einen Führer zu haben, der weiß wo’s langgeht, die Wege kennt und sich ums Wetter sorgt, alles Dinge die einem als Gruppenmitglied erspart bleibt, so dass man sich schön auf das wichtigste konzentrieren kann: laufen und überleben! Das klingt übertrieben. Ist es auch. Denn schaffen kann man die Tour mit genügend Fitness, Ausdauer, Trittsicherheit, genug Motivation und etwas Erfahrung, wie es ist sich auf unbefestigten Wegen zu bewegen.
Und man muss sich vorher bewusst sein, dass man 6 Tage am Stück zwischen 6 und 8 Stunden läuft.
Die größte Herausforderung der Tour Zugspitze – Meran ist wohl, dass es kein geradeaus gibt. Nach jedem steilen Aufstieg folgt ein steiler Abstieg. Und die Abstiege überwiegen, die insgesamt 12.000 Höhenmeter teilen sich grob in 4000Meter hoch 8000 Meter runter. Heißt einen täglichen Schnitt von 2000 Höhenmetern. Und ja, runter ist schneller als hoch, ich persönlich fand aber die Abstiege wesentlich anstrengender. Für Knie und Konzentration.

Da jeder Tag einzigartig war, möchte ich auf jeden einzeln eingehen.
Tag 1
beginnt damit, dass nach dem Treffen der Gruppe, die Fahrt zur Zugspitze beginnt. Von 2600 Metern (ganz aufs Plateau zu gehen lohnt sich bei Wolkenverhangenem Himmel nicht) beginnt also der erste Abstieg übers Geröllfeld. Eine Einstimmung auf das was die nächsten Tage noch kommt. Langsam findet sich die Gruppe zusammen und bei Pausen oder kurzen Un-Steilen Wegen ergibt sich die Gelegenheit sich kennenzulernen. Während der Auf-und Abstiege ist Ruhe, denn jeder ist höchst konzentriert und mit sich selbst beschäftigt, das wird sich auch die nächsten Tage nicht ändern.
Nachdem wir also 1200 Meter bergab geschafft haben, lockt der Anblick der Coburger Hütte mit dem Ausblick auf 2 Seen. Diesen müssen wir uns allerdings nochmal durch einen harten Anstieg während eines Gewitterhagels verdienen. Ich spoiler mal: es soll die erste und letzte Nutzung der Regenjacke werden in dieser Woche. Ich bin halt ein Wetterglückspilz
Das 8er Zimmer und die gemütliche Hütte lässt direkt versprechen: in den Bergen gibt es kein Corona! Wie schön. Nach der Anstrengung und einem Reichhaltigen Essen, schläft man sowieso überall gut.

Tag 2
Am Nächsten Morgen geht’s ein Schotterfeld hoch und runter, die Grünstein-Scharte erfordert krasse Konzentration und lässt einen über nix mehr nachdenken. Einfach Schritt um Schritt. Alle überleben, belohnung ist ein Gasthof mit 3er Zimmern, statt Hütte, Dusche und einem überdurchschnittlich gutem Service und Abendessen. Der Alpengasthof Lüsens liegt auch noch traumhaft an einem Fluss mit traumhaften Blick auf die umliegenden Gipfel.

Tag  3
Zu einem der Gipfel geht es am nächsten Morgen auch weiter. Der Aufstieg über grüne Wiesen und Wälder ins Horntaler Joch wird einer meiner Lieblingsstrecken sein. Oben gibts dann auch noch die Möglichkeit, den Gipfel des Schafgrüblers (2922m) zu erklimmen. Hier dürfen auch mal die Hände was tun beim Klettern.
Nach einem ebenfalls grünen Abstieg erreichen wir die moderne Franz-Senn-Hütte.

Tag 4
Der Stubaier Höhenweg bringt an diesem Tag alle an Grenzen. 1400 Meter runter, 600 hoch. Alles sehr steil. Von Klettern über Steine und Felsbrocken bis steile Hänge auf Waldboden ist alles dabei. Die Pausenhütte ist dafür so wunderbar kitschig gelegen, dass hier glatt der „i love Milka“ Spot gedreht werden könnte. Holzhütte am Bach, Kühe springen fröhlich über die Alm, ein Wasserfall fällt hoch von der Neuen Regensburger Hütte herab. Die Buttermilch ist aus eigener Molkerei.

Falbesoner Ochsenalm. Ein seltenes Gut. Und ein Ort der in Erinnerung bleiben wird.

Das Kontrastprogramm am Abend: wir übernachten im 4*Stubaierhof in Neustift, mit Sauna und Schwimmbad und Entrecote. Aber sagts niemanden weiter, ich war natürlich nur in Schlafsaal-Hütten 😉

Tag 5 macht bewusst dass man wirklich mitten in den Alpen ist. Um uns herum sind nur noch Berge, Gestein, Felsen, in der Ferne 3tausender mit Schnee bedeckt, die Landschaft karg und von Flüssen durchzogen.

Außer Rauschen der Flüsse und des Windes gibt es nur Stille und unendliche weiten, Schneefelder bedecken viele Ecken, glasklar blaue Seen entstehen daneben. Weite. Schroffe. Unbarmherzigkeit strahlen die Felsen aus, und doch wachsen überall zwischen den steinritzen Blumen, sie nutzen das bisschen was es zum Leben gibt und kämpfen sich durch und machen den Weg friedlich und sonnig, weil jedes Pflänzchen einem ein lächeln aufs Gesicht zaubert.

Der Tag beginnt aber erstmal mit einem Gang übern Stubaier Gletscher. Heute gibts also mal richtig Schnee, aber auch genug Steine und Geröll. Am Gamsplatzl knacken wir die 3000er Grenze, danach geht es Wieder steil bergab. Doof, wenn man die Siegerland-Hütte schon 2h vor Ankunft sieht und sie einfach nicht näher kommt. Für mich ist hier der Tiefpunkt erreicht und das Ankommen auf der Hütte mit völliger Erschöpfung führt erstmalig zu der freudigen Feststellung dass es morgen vorbei ist.

Und so ist an Tag 6 Schon morgens die Stimmung auf Abschied eingestellt. Der letzte Aufstieg, der letzte Abstieg.
Alle sind fröhlich, die Gruppe ist gut zusammengewachsen, man kennt sich inzwischen ganz gut, hat seine Running Gags und kann miteinander lachen, über andere Gruppen (2 Gruppen mit gleicher Route begegnen uns täglich), und über einander. Auch beim baden im Eiskalten Bergsee sind wir 3 Gruppen unter uns.

Damit es nicht zu langweilig und harmonisch wird, gibts zum Schluss noch eine Killer-Kuh die uns auf den Berg treibt. Genau genommen, ist es eine junge Kuh, die, nachdem sie mir die Schuhspitze angeknappert hat, eine Spielaufforderung in meinem zurückzucken vermutet. Und so springt sie fröhlich durch die Gegend und rennt der kompletten Gruppe hinterher. Nur das eine umhertollende Kuh nicht ungefährlich ist und sie sich einfach nicht abschütteln lässt. Immer wieder rennt sie auf die Gruppe zu, überwindet dabei sogar Flüsse und ist natürlich schneller und sicherer im steinigen Gelände als wir. Unser Bergführer Martin tut sein bestes um die Verfolger-Kuh von uns abzuhalten, gerettet werden wir am Ende aber vom Hirtenhund, nachdem die Kuh uns den halben Berg im Laufschritt hochgetrieben hat. Bleiben wird ein ewiges Trauma des sonst so idyllischen Kuhglocken-läutens. Mit dieser Aufregung begleitet kommen wir in Italien und unserem Ziel Meran an, was uns mit mediterranen 33 Grad und ganz schön viel Zivilisation überfordert.

Noch bevor es mit dem Bus zurück zum Ausgangsort geht beginnt man bereits zurückschauen: Einerseits reicht es jetzt auch, genug gelaufen, andererseits ist es schade, dass Die Zeit schon vorbei ist. Schon vermisse ich die Monotonie dieses Hütten-wander-Alltags, ohne Entscheidungszwang. Zeitig aufstehen (6/6:30Uhr), Ohrstöpsel raus, Schlafsack zusammen rollen, Rucksack packen, Wandersachen anziehen, Zähne putzen im Gemeinschaftsbad, Frühstück, loslaufen.
Vielleicht ist es auch dieser monotone Rhythmus, die diese Art von Urlaub so gut macht und trotz körperlicher Anstrengung dazu führt das man entschleunigt. Es gibt nicht die Wahl, was man am nächsten Tag macht, was man anzieht, wann man aufsteht. Es gibt keine Entscheidungen die getroffen werden müssen, außer der Selbstmotivation weiter zu gehen, egal wo es zwickt. Allein dafür, würde ich es immer wieder tun. Die Genugtuung und sanfte körperliche Erschöpfung und totale Entspannung die sich danach einstellt ist die beste Motivation direkt an die nächste Hüttentour zu denken. Und dabei auch an Alpine Welten, denn von Orga, Info und Bergführer bin ich sehr begeistert. Ein Dank also auch an unseren, nur durch wilde Kühe aus der Ruhe zu bringenden, Führer Martin.

#lifehack

Nicht in allen Unterkünften ist es selbstverständlich Internet oder ausreichend Strom und Ladestationen zu haben. Hier kann man bei intensiver Handy-Nutzung schon mal Akku-engpässe bekommen. Mein Tipp: Flugmodus an, Display aus. Berge genießen!
2. Tipp: minimalistisch Packen. Man braucht weniger als man denkt, 8-10kg sind optimal. Ich hatte 8KG ohne Getränke und trotzdem Kleinkram, der überflüssig war. Die Packliste von Alpine Welten war sehr hilfreich dafür.

#Highlight

Sobald man mal Verzicht üben muss, gewinnen die kleinsten Dinge an Bedeutung. Wie toll eine warme Dusche, eine Bettdecke, ein Apfel, sein kann, wenn es nicht selbstverständlich ist. Verzichtet habe ich diesmal auch auf Internet. Herrlich. Und gar nicht schwer.

#links

Alpine Welten bietet diese Tour an, viele meiner Mitreisenden waren Alpine Welten-Wiederholer, spricht also für sich: https://www.alpinewelten.com/alpenueberquerung-zugspitze-meran?step=tour

2 Kommentare bei „Alpenüberquerung“

  1. Mega schön wieder man denkt echt immer man hat es selber erlebt…..grosses Lob für deine Art wie du schreibst und uns es so nahe bringst !!!
    Unglaubliche Eindrücke hast du wieder gewonnen und uns hinterlassen!!!
    Danke dafür mein Zwergpfeffer;-)!

  2. Toller Bericht! Einen riesen großen Respekt und Anerkennung für Deine Leistung!
    Ich musste herzlich lachen an vielen Stellen deines Berichts! Kann ich mir bildlich vorstellen, wie die Kuh euch folgt!

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