1 Monat Kanaren

… Oder sind es schon 2? Irgendwas dazwischen. Zeit ist relativ geworden. Was macht man denn nun die ganze Zeit hier und warum?

Nun erstmal waren wir ja auf der „falschen „Insel gelandet. Lanzarote statt Teneriffa. Da hatte uns der schon berichtete Sturm hin ausweichen lassen. Dort verbrachten wir auch ein paar Tage, erkundeten die Vulkanlandschaft und die Gegend um Playa Blanca, wo unser Boot im Hafen lag. Da wir in der Marina allerdings einer (wie wir im Nachhinein lasen) typischen Masche zum Opfer vielen, war uns ein längerer Aufenthalt einfach zu teuer. Die Marina hatte nämlich nur noch Platz für größere Boote und so mussten wir statt der 10meter-Box den Preis für 13 Meter zahlen. 30€ zu viel für unsere enge Bordkasse.

Vulkanlandschaft auf Lanzarote

Gran Canaria lag auf dem Weg und dort sollte man nur knapp 8€ zahlen. Schnäppchen, nur zu erreichen war niemand. Und so brachen wir nach ein paar Tagen auf, ohne ein festes nächstes Ziel, denn Ankerplätze waren bei der untypischen Windrichtung leider auch keine auszumachen. Ein paar Stunden nach Aufbruch und mitten in zu wenig Wind und zu viel Welle für Segel, ging doch tatsächlich jemand im Hafenbüro ans Telefon und lachte mich quasi aus bei der Frage nach einem Platz für HEUTE. 55 Yachten lägen vor dem Hafen auf Warteschleife und vor Mitte Januar sei kein Liegeplatz frei. Es war der 10. Dezember! Kurzentschlossen entschieden wir uns also doch direkt Kurs auf Teneriffa zu nehmen. Es ist Hochsaison auf den Kanaren. Auch wenn ein paar Hundert Boote Ende November mit der ARC über den Atlantik aufgebrochen sind, gibt es neben den Chartertouristen auch einfach viele, die sich hier auf ihre Atlantiküberquerung vorbereiten.

Gran Canaria im Sonnenuntergang und Sonnenaufgang (sahen beide so aus)

In Santa Cruz hatte ich schon vor Wochen nach einem Platz gefragt. Die Mail war wohl untergegangen. Aber es gab Platz für uns und so schlichen wir mit wenig Wind 2 Tage bis nach Santa Cruz de Tenerife rüber. Hier wollten wir erstmal ein bisschen bleiben. Zwei Besuche hatten wir hier schon verpasst durch unsere längeren Aufenthalte in Griechenland und in Gibraltar. Nun gut, die erste Lehre im Seglerleben: nicht zu lange vorplanen. Unsere beiden Besucher hatten allerdings netterweise auch noch ein paar Mitbringsel hinterlassen, weswegen Teneriffa unser unumstrittenes Ziel auf den Kanaren blieb. Angekommen.

Unser Liegeplatz für die nächsten Wochen

Ab hier gibt’s keinen Termindruck mehr. Kein Wetter vor dem wir schnell wegmüssen oder hinmüssen. Na gut, wir wollen über den Atlantik und in der Karibik ja auch noch ein bisschen Zeit haben bevor dort im Juni die Hurrikanesaison wieder startet. Aber das ist ja noch lange hin. Weihnachten in der Karibik ist also abgehakt. Aber wir wollen ja auch kein Stress machen und haben gelernt: alles braucht halt so seine Zeit. Und auf dem letzten Europäischen Boden wollen wir uns aufrüsten, mit allem was wir in den letzten 3 Monaten gelernt haben zu brauchen. Und das ist einiges. Die Liste ist lang. Ein bisschen mehr Strom als den, den wir mit unseren aktuellen Solarpanelen produzieren, soll her. Dann fahren wir ein Radar spazieren, was noch nie jemand in Betrieb genommen hat. Unsere Vorbesitzer mochten die Aussage „haben wir nie genutzt“ – wir wissen nun das dass damit „kaputt“ gemeint war. Gleiches bei der Ankerwinsch – wie kann man den tatsächlich freiwillig immer den 25kg schweren Anker plus 50meter Kette per Hand hochziehen…wenn es eine elektrische Unterstützung dafür gibt? Wir nicht. Lustiger weise entpuppten sich diese großen Aufgaben als relativ leicht gelöst: Die Ankerwinde brauchte nur einen neuen Schalter, die Solarpanelen tauschten wir einfach gegen moderne und das Radar brachte ein Radar-Service-Pepe in einem Tag zum laufen… Auch wenn das harte Arbeit war: Heiko musste den 80kg Mann mehrmals den Mast hoch und runter Kurbeln, und das alte Kabel hängt noch immer nutzlos und verklemmt im Mast, dafür hat dieser ein paar weitere Löcher. Aber wir haben ein funktionierendes Radargerät. Klasse.

Im Hafen von Santa Cruz de Tenerife und unser Radar

Dann hatten wir ja noch ein paar Kleinigkeiten zu reparieren, die sich teils als viel komplizierter herausstellten. Zum Beispiel war im Sturm eine Lampe kaputt gegangen. Natürlich die im Mast oben. Also Nici hoch in den Mast gezogen, Lampe aufschrauben und Beschreibung zur Fehlerdiagnose nach unten zu Heiko geben. Glühbirne kaputt. Okay. Neue Glühbirne kaufen und die wieder oben anschließen. Das klingt erstmal einfach, ist es aber nicht. Erstes Problem: ich war ja schon in Gibraltar mal im Mast, aber irgendwie hatte ich dieses Mal ein Problem mit der Höhe. Ich bin doppelt gesichert, sitze in einem „Bootsmannstuhl“ der an einem Fall, was sonst das Großsegel hält, hängt. Weil ich weder dem Sitz unserer Voreigner, noch dem alten Seil mein Leben anvertrauen will, bin ich zusätzlich mit meinem Klettergurt an einem weiteren Seil gesichert. Aber: Der Mast knarrt in den gruseligsten Tonlagen und jede Bootsbewegung bringt den Mast zum Schaukeln. Ich habe Höhenangst und traue mich nicht den Mast loszulassen. Doof, weil man zum Schrauben einfach 2 Hände braucht. Wer hätte gedacht, dass der Kletterkurs und die Fallübungen die wir letzten Winter in Hildesheim in einer Kletterhalle gemacht haben, so hilfreich sein werden auf einem Boot. Denn so besinne ich mich auf das was ich gelernt habe und weiß, dass ich das kann. Nützt ja nix. Wir brauchen Licht. Ich überwinde mich, Schraube die Verkleidung der Lampe wieder zu und entdecke das zweite Problem: eine der Muttern hinter dem Gehäuse ist nicht mehr fest und somit lässt sich die Schraube nicht festziehen… Was passiert: sie fällt runter. Heiko findet sie zum Glück und ein paar Tage später hänge ich wieder vor der Lampe, neue Glühbirne ist drin und leuchtet. Jetzt muss die Mutter, die wir an ein Stück Kabelbinder geklebt haben, halten um die Schraube der Lampe festzuziehen. Tut sie nicht. Fällt wieder runter. Diesmal ins Wasser. Super. Also, neue Mutter kaufen. Man braucht ja bei allen Sachen am Boot immer seewasserbeständiges und rostfreies Zeug, sonst ist das im nu aufgefressen. Natürlich kaufen wir gleich ein paar mehr. Am nächsten Tag also wieder hoch, ein paar Minuten später, wieder eine Mutter im Wasser. Und die Erkenntnis: das geht so nicht. Also wirds „Celerity-Style“ gemacht: Klebeband drum. Ordentlich und viel. Hält. So haben wir schon einige Teile hier an Bord vorgefunden… Die aber schon ne Weile zu funktionieren scheinen.. Und so langsam verstehen wir warum. Man wird halt erfinderich. Und ich habe nach mehrmaligem Besteigen des Mastes auch meine Höhenangst überwunden. Außerdem haben wir die alten Falle durch neue ersetzt, denen ich mehr traue.

In luftiger Höhe

So viel zu der „kleinen“ Aktion, mal eben eine Glühbirne ersetzen und soviel zu der Frage, was man eigentlich den ganzen Tag so macht, wenn man im Hafen liegt. Neben den vielen kleinen Sachen, die zu tun waren, wie weitere undichte Stellen an den Fenstern abdichten, herausfinden wo das Wasser aus dem Ankerkasten hinläuft (nach draußen, juhu!) kommen dann noch die neuen spontanen Herausforderungen.

So sieht das Leben auf einem Boot aus. Ja, eine Fliegenplage haben wir auch

So pusten wir irgendwann Anfang Januar mal unser Beiboot auf, um es zu entsalzen und die neue Pumpe auszuprobieren. Wenns schonmal da ist, kann man auch mal ne runde durch den Hafen drehen. Also Ruder rausholen und los geht’s. Denkste. Wir kriegen die Ruderaufhängung nicht aufgeschraubt. Korrodiert. Das also passiert, wenn man Aluminium und Edelstahl mit Salzwasser in Verbindung kommen und die beiden dann so festgeschraubt werden. Auch ein Übernacht-Bad im Allheilmittel WD40 und pure Gewalt mit mehreren Zangen hilft nicht. Das Ding ist fest gerostet und so können wir mit dem Beiboot nicht rudern. Also packen wir das Teil ein und laufen von Geschäft zu Geschäft. Das gewünschte Teil zu zeigen, hilft immerhin bei der spanisch-englisch-deutschen Sprachbarriere. Davon mal abgesehen, dass ich auch den deutschen Begriff dafür nicht gekannt hätte. Jeder der 4 Marine-Shops in Santa Cruz, bei denen wir überall schon Bekannt sind, weiß also was wir suchen, hat es aber nicht. In 2 Läden könnten wir es bestellen – in 2 Wochen oder mit Express zu teurem Geld. Also fahren wir mit dem Bus in den Fischereihafen, wo man solche Boote verkauft und werden tatsächlich im dritten Geschäft fündig. 2 Tage hat uns die Suche gekostet und einen weiteren halben Tag werden wir brauchen um auch die zweite Hälfte des Teils dort abzuholen. Nichts an einem Boot ist halt mal so eben beschafft… Wenn man nicht einfach bei Amazon innerhalb von Deutschland bestellen kann. Und so sind wir also schon mitten angekommen in dem Seglerleben und dem was dazu gehört. Irgendwie macht es ja auch Spaß in einen Laden zu marschieren und in meinem gebrochen spanisch und ein bisschen englisch ein Ratespiel für Dinge die man sucht zu veranstalten. Sehr viel Zeit verbringen wir mit diesem Hobby.

Sehr wahr

Aber wir gehen das auch entspannt an, verbringen auch mal nen Tag mit rumgammeln aufm Boot und widmen uns touristischen Aktivitäten auf dieser traumhaften Insel. Denn Teneriffa hat gerade Landschaftlich viel zu bieten. Direkt hinterm Hafen beginnt das Anagagebirge mit mystischen Wäldern und süßen kleinen Bergdörfern und einer kurvigen Landstraße bis auf die Westseite der Insel. Dort gehen die Grünen Hügel direkt und ziemlich imposant in einer Steilküste ins Meer über, schön um zuzugucken wie die Wellen an den Klippen zerschellen. Die Art von Meer also, die man als Segler lieber vom Land aus anschaut. Oder vom Wasser beim Surfen, wobei meine Surfversuche am Playa del Roque nicht die besten waren. Auch den höchsten Berg Spaniens, den über 3715m hohen Teide, haben wir natürlich besucht. Beeindruckend.

Der erste Blick auf den Teide, sehr auffälliger Berg
Das Anagagebirge auf der Westseite der Insel

Dort oben gab es eine Woche später auch weiße Weihnachten. Ach ja, das war ja auch noch zwischendurch und einerseits geprägt durch diverse Telefonkontakte mit der Heimat, andererseits haben wir tatsächlich auch Lebkuchen und Stollen am 24.12. gegessen, am uns am 25.12. das Weihnachtskonzert hier im Hafen angeguckt, dass zum Großteil aus unterschiedlichsten Interpretationen von“Freude schöner Götterfunken“ bestand.

Weihnachten bei 22 Grad unter Palmen
Ein bisschen Tradition muss ja sein

Der Ohrwurm hielt sich zum Glück nicht lang genug, da wir täglich mit neuen Konzerten auf dem Weihnachtsmarkt gleich neben an, unterhalten wurden. Bis zur ersten Januarwoche, weil in Spanien dass eigentliche Weihnachten erst am 6. Januar gefeiert wird, gab es die Gastronavidad. Hier, ähnlich unserem Weihnachtsmarkt, gab es Fress- und Trinkbuden mit Mojito. Kulinarisches Highligt war Choripan. Ein Baguettebrot belegt mit gebratener Chorizo und Paprika Gedöns. Sehr lecker. Einen kleinen Markt mit Handwerkskunst gabs auch, alles aber sehr klein und entspannt gehalten. Der Fokus lag auf Unterhaltung, denn Mittelpunkt war eine Bühne auf der es fast einen Monat lang jeden Tag Unterhaltung gab, von diversen Jugendtanzgruppen über Disney-Kinderprogramm bis hin zu guten Rock-Pop-Bands. Wir waren also eine Zeitlang sehr gut unterhalten. Auch im Hafen, denn die Musik war überall zu hören.

Auch sonst gibt es genug Unterhaltung im Hafen, ob es das berühmte Hafenkino ist, bei dem jedes Manöver der Ein- und Ausfahrenden Boote begutachtet wird, oder wir über den vielen Wasserverbrauch vom Bootsnachbarn schimpfen. Oder wir am Frühstückstisch anhand der vorbeilaufenden Menschengruppen Raten ob eine AIDA, eine Mein Schiff, oder ein englisches Kreuzfahrtschiff angelegt haben. Denn wir liegen mit unserem Boot direkt an der Kaimauer , die vom Kreuzfahrtterminal in die Stadt führt. Sehr unterhaltsam, aber auch manchmal ein bisschen nervig, weil jeden Tag ein bis zwei Kreuzfahrtriesen ihre lautstarke, zahlreiche Kundschaft ausspucken. Gut also, dass wir mit dem Bug zur Mauer stehen. So sieht niemand die Bootsregistrierung „Hannover“ und wir haben im Cockpit und im Bootsinneren ein bisschen Privatsphäre. Auch das TUI Smiley ist also trotzdem mein täglicher Begleiter.

Blick in die Stadt vom Hafen

Aber die selbst geschriebenen To-Do Listen fühlen sich nicht nach Arbeit an, und sind tatsächlich irgendwann abgehakt und wir stellen fest: wir sind fertig. Es ist die zweite Januarwoche und wir könnten übermorgen los. Aber dann ist da noch das Wetter und die Wind- und Wellen-Vorhersage gefällt uns nicht, weder für eine zweiwöchige Fahrt auf die Kapverden, noch um in La Gomera einen unbekannten Hafen oder Ankerplatz auszuwählen. Nach so langer Zeit, kommt es auf eine Woche mehr auch nicht an. Die genießen wir jetzt noch, auch das letzte unbegrenzte europäische Internet meines deutschen Handynetzanbieters wird genutzt um alles herunterzuladen was die Speicherkapazitäten hergeben. Oder halt um mal wieder ein längeres Update auf meinem Internetblog zu stellen. Die nächsten Updates hier werden kleiner. Denn wahrscheinlich werde ich erst auf der anderen Seite des Teiches das Veröffentlichen, was ich an Material während unserer weiteren Reise gesammelt und verarbeitet habe. Ich freue mich schon jetzt darauf, denn langsam hab ich Hummeln im Arsch, ich will weiter, wieder raus aufs Meer, keine Menschen mehr sehen, keine Autos mehr hören und endlich den Moment erleben, den ich mit so lange erträumt hab: Zu realisieren, dass man Mitten auf dem Ozean schwimmt und ein winziger Krümel auf dieser Erde ist.

5 Kommentare bei „1 Monat Kanaren“

  1. Danke für deinen tollen Reisebericht! Immer wieder schön, von euch und eurem Abenteuer zu lesen! Genießt die letzten Tage auf den Kanaren und dann eine erlebnisreiche und sichere Atlantiküberfahrt! Liebe Grüße an euch zwei!

    1. Danke Robin, ich freue mich wenn meine Reiseberichte gefallen finden 🙂

  2. Sehr lesenswerter Bericht, Nicole und ungemein interessant! Freut mich das die ersten Etappen für Euch 2 gut gelaufen sind und drücke Euch beide Daumen, dass das für die Atlantiküberquerung auch genauso weiter geht!! Sehr sehr cool, das Ganze.
    Also, liebe Grüße aus dem eher Januartrüben Hannover, aber vor allem: Mast-und Schotbruch!! Falk

    1. Hallo und vielen Lieben Dank Falk – Grüße aus dem windig-sonnigen TFS

  3. Wow, das klingt spannend und total schön. Ich hoffe, ihr erwischt gutes Wetter bei der Atlantiküberquerung. Liebe Grüße aus Hannover von Conrad aus dem Segelkurs!

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