Delfine! Überall Delfine. Und Wasser

Es ist die erste Nacht nach Aufbruch aus Torrevieja. Wir haben extra einen Tag länger dort gewartet um ein bisschen mehr Wind zu haben. Leider hält das nicht lange an. Nicht mal 12 Stunden später, es ist stockfinstere Nacht, bis auf die dolle Lichtverschmutzung von der Costa Blanca, ist der Wind mal wieder so sehr eingeschlafen, dass die Segel nur schlagen. Ich packe gerade die Genua ein und will den Motor starten, als  seufz-Geräusche zu mir dringen. Viele. Inzwischen kann ich das Geräusch zuordnen und erschrecke mich nicht mehr: Es sind Delfine, deren atmen an der Wasseroberfläche so klingt wie ein lautes kräftiges Seufzen bei dem man die Luft kräftig aus der Nase drückt. Ist es ja letztendlich auch. Sie atmen und tauchen dabei immer wieder auf. Und sie sind neugierig. Weswegen auch mal ein Auge auf das Boot geworfen wird. Natürlich stelle ich den Motor nicht an, sondern  lass das Boot treiben während immer mehr Delfine von dem Licht und ihrer Neugier angezogen um das Boot hüpfen. Im Schein der Taschenlampe kann man tausende Minifische glitzern sehen. Das wird sie wahrscheinlich auch anziehen. Und so beobachte ich die Tiere über 2h im Rücklicht und sie scheinen tatsächlich mit dem Boot zu spielen. Es werden auch  immer mehr, zwischenzeitlich zähle ich 12 Tiere, dann sind es wieder nur 4… Und Dann ist Schlafenszeit. Ich kann mich schwer trennen, aber so lange waren die Delfine noch nie um uns. Kann ja keiner ahnen, dass das so weitergeht. Die gesamte Reise entlang der spanischen Ostküste sind wir tatsächlich fast durchgängig umringt von Delfinen. Voll lästig die Viecher. Quatsch natürlich. Ich kann mich nicht sattsehen. Es sind einfach hübsche Tiere und ich lerne, dass sie nicht nur Töne als Kommunikation nutzen, sondern auch Sprünge. Es ist wie eine Sprache. Die ich natürlich nicht verstehe. Aber das ist auch nicht schlimm.

Zwei Nächte später geht plötzlich laut piepend die automatische Bilgepumpe an. Die befördert das Wasser, was sich im Motorraum am tiefsten Schiffspunkt sammelt nach draußen. Ich checke besorgt die Umgebung. Kein Regenbogen im Wasser. Puh, denn in dem Wasser kann sich ja auch mal Diesel oder Öl befinden und das möchte ich nicht ins Meer Pumpen, vor allem während die Delfine ums Boot spielen. Eine halbe Stunde später geht die Pumpe schon wieder an. Okay. Das ist besorgniserregend, wieso gibt es so viel Wasser rauszupumpen? Als ich nach drinnen laufe um Heiko zu wecken steht der schon in der Küche, mit den Füßen im Wasser. Scheiße. Dass ist wohl der größte Schreck aller Bootsbesitzer, wenn mitten auf dem Meer plötzlich Wasser ins Boot läuft. Wir öffnen die Luken in der Küche, die voll sind mit Lebensmitteln: Wasser. Erst nach ein paar Minuten kommen wir auf die Idee es zu probieren: nicht salzig. das ist erstmal gut, weil es nicht das Meer zu sein scheint, was uns flutet, sondern unser Trinkwasser. Mit abstellen der Süßwasserpumpe senkt sich auch der Wasserspiegel. puh. Aber was ist undicht? Nach ausräumen des Küchenschrankes entdecke ich den offensichtlichen Übeltäter: der Schlauch zur Spüle ist abgegangen. Und weil ich vergessen habe die Pumpe abzustellen nach der letzten Nutzung hat diese schön weiter Wasser in den Schrank gepumpt. In Zukunft achten wir akribisch darauf, dass die Pumpe immer abgestellt wird. Der Schrecken war groß, der Schaden hält sich zum Glück in Grenzen. Wieviel wertvolles Wasser wir ins Meer gepumpt haben, wissen wir nicht. Es reicht noch. Auf einer größeren Strecke wäre das dramatischer. Wobei wir natürlich (zur Beruhigung aller Mütter) Tank-unabhängige Wasservorräte in ausreichender Menge in Kanistern für den Notfall mitführen. Es verdurstet keiner. Die beiden Vorratskammern müssen allerdings ausgeräumt und getrocknet werden. Hier lagern alle Dinge, die wasserdicht sind: Plastikflaschen und Dosen. Die Dosen wollte ich eh mal alle mit einem Stift beschriften, weil sich durch die Feuchtigkeit das Papier ablösen kann. So schnell werden einem manche Aufgaben dann halt aufgezwungen. Also sitze ich einen Tag lang mit Lappen und Stift bewaffnet auf dem Boden und räume alle Dosen wieder in den Schrank, nachdem ich sie abgetrocknet und mit „Erbsen“ und „Mais“ beschriftet habe. Mein Gott haben wir viele Bohnen!! Das ist der Vorrat den wir in Griechenland angelegt haben, als wir mit dem Auto direkt ans Boot fahren konnten. Da die in Griechenland ja keine richtigen Buchstaben haben, sind manche Doseninhalte nur geraten. Das wird dann lustig, wenn man auch keine Bilder mehr hat, sondern nur mein Gekrakel, mit einer Vermutung 🙂 Von dem Vorrat haben wir bisher kaum was angefasst, weil wir öfter an Land Frisches kaufen konnten und sich die Frischware länger hält als erwartet. In Gibraltar esse ich die letzten Auberginen aus Griechenland. Die sind 7 Wochen alt!

Zu sehen von hinten nach vorne: leere Bilge. Eimer mit ausgeschöpftem Wasser. Ikea Tüten voll nasser Dosen. Mitten auf See. Mitten in der Nacht. Juhu!

Apropos Gibraltar. Da war ja was: unser Etappenziel. Gemeinsam mit den Delfinen rückt es immer näher.Schneller als erwartet. Die Marina ist ab dem 1. November reserviert, weil am 2. unsere Windfahnensteuerung kommen soll. Drei Tage früher als geplant umrunden wir dann schon den Felsen. Denn mehr ist Gibraltar eigentlich nicht. Die Anfahrt in die Queensway Quai Marina wird dann nochmal abenteuerlich. Mitten im Anlegemanöver geht der Motor aus, mehrmals, im Standgas. Mehr als doof, denn so ein Boot hat, im Gegensatz zu nem Auto, keine Bremse. Kein Motor, heißt nicht manövrierfähig. Ein paar Sprints übers Deck und zum Zündschlüssel (zu starten geht der Motor nur drinnen) und ein paar laute Flüche später, liegen wir dann vorwärts in der Parklücke, ohne Kratzer. Das war knapp. Da war ganz ganz viel Glück im Spiel, dass dabei nichts zu Schaden gekommen ist. Das Nachbarboot haben wir nur knapp verfehlt und an den Kai sind wir nur mit vereinten Kräften nicht gekracht. Der Hafenmitarbeiter hat mit vollem Körpergewicht das Boot weggedrückt bekommen. Wir wiegen übrigens so um die 8 Tonnen! Und wir stehen verkehrt herum am Steg, also mit dem Bug vorn. Das ist nicht schlimm, nur in soweit doof, dass das ein- und aussteigen über den Bugkorb und den Anker erfolgen muss. Aber wir sind ja sportlich und was soll ich sagen: wir haben auch nach 2 Wochen nicht das Bedürfnis es umzudrehen. Dieser Vorfall hängt natürlich die ganze Zeit wie ein (wie nennt man dieses böse Schwert?) über uns – ihr wisst schon was ich meine. 

Ich bin schon drüben. Du schaffst das auch.

Wir konzentrieren uns erstmal auf die Windfahnensteuerung. Die kommt fast pünktlich. So langsam lebe ich wohl im Boaty-Rhythmus und empfinde 2 Tage später als durchaus pünktlich. Und sie bringt natürlich auch einige Herausforderungen mit sich. Celerity wird zur Werkstatt, wir sägen Metall und PVC Rohre, Schleifen und Schnitzen Holz, Bohren Löcher ins Boot, Balancieren das Ruder aus und verspachteln Epoxidharz… Okay, der Großteil erstarrt einfach in einer Dampfwolke zu einem Steinharten Block, bevor wir damit irgendwas machen können. Naja, aber Faszinierendes Zeug – woraus auch unser Boot gemacht ist. Für die ganzen Arbeiten werden wir Stammkunden im „New Harbour District“, ein Industriegebiet mit einer massenhaften Ansammlung an kleinen Geschäften die einem alles bietet was man so als Handwerker braucht: Baumarkt, Marineshop, Rohr-Geschäft, Elektrohandel und Maschinen-Verleiher und das nur ein paar Fußminuten vom Boot entfernt. Es ist eine befriedigende Arbeit: denn am Ende hängt dieses Teil am Heck. Mit einer Fahne und einem extra Ruder, was sich bewegt, wenn der Wind die Fahne umpustet. Wahnsinn. Obs wirklich funktioniert, werden wir erst unterwegs merken. Dafür müssen wir aber erstmal unterwegs sein, das bedeutet aus dem Hafen rausfahren, was wiederum einen funktionierenden Motor voraussetzt.

Cockpit-werkbank-stillleben

Wir müssen uns also mal wieder dem Maschinenraum widmen. Vermutlich ist der doch schon wieder sehr verdreckte Dieselfilter schuld, den wir tauschen. Allerdings ist danach so viel Luft im System, dass der Motor gar nicht mehr anspringt. Und während der Startversuche entdecken wir ein weiteres Problem: aus dem Kühler spritzt Wasser! Einen Tag, einen Anruf beim Griechen-Apollo-Mechaniker und ein paar Fehler-lokalisierungsversuche später, haben wir nen Termin mit nem Gibraltarischen Apollo. Am nächsten Tag macht sich also diesmal ein Jordan im Maschinenraum schwarz. Ja, Mechanik-Arbeit ist dreckig. Die Menschen, die in den schicken Hafen-Restaurants sitzen, starren einen an wie Außerirdische, weil sie ja nur das Maritime Flair bei einem Wein genießen, nicht aber daran denken, dass in diesen Booten im Hafen auch ein Haufen schmutziger Arbeit steckt. Dreckig machen hat sich aber in so weit gelohnt, dass wir am Ende des Tages den Motor zum laufen gebracht und den Kühler ausgebaut haben. Der wird jetzt gerade in Spanien (is ja gleich um die Ecke) schick gemacht und dann zusammen mit einem neuen Abgasrohr, wieder montiert. Also so gut wie repariert. 

Ein Kühlwassertank

Bis dahin genießen wir das Landleben, obwohl mit jedem Tag mehr die Sehnsucht wächst, wieder auf dem Wasser zu sein. Und so stehe ich nach der zweiten Woche an Land am Leuchtturm des Europapoints, schaue nach Afrika und den Segelbooten hinterher mit den Worten „guck mal, so ein Segelboot auf dem Meer, das wär doch mal toll!“ Bald. Ganz bald. Der Atlantik ruft und die kanarischen Inseln warten. 

Das Meer von der Landseite betrachten. Auch schön. Vorübergehend.




2 Kommentare bei „Delfine! Überall Delfine. Und Wasser“

  1. Liebe Grüße an euch aus dem arschkalten, stürmisch nassen Hildesheim.
    Vermisse euch!!!!

  2. Delfine, Süßwasser im Boot, Kühlerleck! Motor läuft (wieder)? – Viel los bei Euch. 🙂

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